Danke; ich verstehe wieder, wo Ihr gerade seid.
Ich möchte dies einmal mit meinen Worten (vereinfacht) ausdrücken:
Schärfe in einem fotografischen Prozess teilt sich in den Bereich der Schärfeebene (und nur hier ist die tatsächliche Bildschärfe) und die Tiefenschärfe (der Teil, der als noch scharf interpretiert wird, bzw. dessen Unschärfe vom menschlichen Auge bei Normalbetrachtung des Bildes nicht erkannt wird). Für die Objektivtestung kommt es also ausschließllich darauf an, die Schärfeebene auf einer Testtafel korrekt zu positionieren, um nicht Auflösungsverluste - und damit Fehlinterpretationen - zu erzielen. Wie oben beschrieben, gibt es demnach Messunterschiede bei kleinsten Veränderungen der Schärfeeinstellungen. Soll diese genau und kontrolliert sein, empfiehlt sich hierzu ein Fokusschlitten mit feiner Teilung und Markierung. Grundsätzlich kann die korrekte Schärfe nur bei Offenblende gefunden werden, da diese den kleinsten Schärfebereich abbildet. Abgeblendet ist nicht klar diskriminierbar, welcher Bereich tatsächliche Schärfe darstellt oder nur als Unschärfe nicht richtig erkannt wird. Da Objektive nicht nur offenblendig gemessen werden, kommt ein weiteres Problem bei manchen Objektiven hinzu: Der Fokusshift. Wird offenblendig die beste Schärfeebene gefunden, verschiebt sie sich bei einigen Objektiven, wenn abgeblendet wird. Damit ist die Messung dann nicht auf der maximalen Schärfeebene, sondern davor oder dahinter und das MTF Messergebnis fällt schlechter aus.
Praktische Vorgehensweise:
Ich selber habe auch meine Objektive mit der LPH Software und Siemenssternen durchgemessen. Da für die Auswertung JPGs notwendig sind, ist darauf zu achten, daß nicht die kameraseitig generierten verwendet werden, weil diese automatisch nachgeschärft werden. Es werden also die RAWs mit dem RAW Konverter geöffnet und ohne Bearbeitung als JPG abgespeichert. Diese JPGs werden dann ausgewertet.
Zur Findung der optimalen Schärfe auf dem Siemensstern ist dies sehr umständlich. Deshalb kann mit Tethered Shooting, den kamerainternen JPGs und einem Makroeinstellschlitten zügig die optimale Position gefunden werden. LPH benötigt nur einen Klick in den Siemensstern um die Messwerte anzuzeigen. Hat man nun die optimale Position gefunden, wird - wie oben beschrieben - das RAW-Bild konvertiert und ausgewertet.
Das läßt sich dann auch für die Blendenstufen durchführen.
Eine Überlagerung mehrer Bilder mittelt die Abweichung um die optimale Schärfeposition. Allerdings sollte dabei bedacht werden:
1) Es ist nicht der wahre und maximal mögliche MTF Wert
2) Stacking mehrerer Bilder verbessert den Kontrast und könnte sogar einen
höheren MTF Wert erzeugen
Praktisch halte ich aber kleine Unterschiede nicht für relevant. Es ist keinem Bild anzusehen, ob nun 5% mehr Auflösung vorhanden ist, oder nicht. Für mich sind die Messreihen von Bedeutung, um die Charakteristik von Objektiven zu verstehen. Vor allem, das Randverhalten interessiert mich. Und da kommt es häufig vor, daß die Auflösung 60% oder mehr kleiner ist, als im Zentrum. Das ist Vorteilhaft für die Portraitfotografie; hat aber Nachteile für Landschaftfotografie.
Hier ein Beispiel meines Nikkor 28mm F3.5:
https://photographylife.com/reviews/nikon-28mm-f3-5-ai
Als Weitwinkel würde es typischerweise für die Landschaftfotografie eingesetzt werden; die geringe Randauflösung zeigt aber, daß es hierfür keine gute Objektivwahl ist.