Das kommt eher daher, dass kaum ein Hobbyknipser weiß, was im Labor überhaupt passiert.
Ich drücke aufs Köpfchen, gebe den Film ab, mit dem passieren irgendwelche magischen Dinge und auf wundersame Weise bekomme ich eine Tüte Papierbilder zurück. Da ich aus meiner Wahrnehmung ja alles ausblende, was mich nicht direkt betrifft, nicht interessiert oder unangenehm ist (iieeh, BeARBEITung), komme ich so zu dem (irrigen) Schluß, ich hätte Bilder gemacht.
Das stimmt natürlich nicht, ich habe einen Film belichtet, das Labor hat danach diesen zu Bildern verarbeitet.
Der Hobbyknipser kann so perfekt arbeiten wie er will, der Film geht durch eine Maschine, die im "grünen A" arbeitet, er bekommt sein Gemurkse im M-Modus gar nicht zu sehen, sofern er nicht völlig unrettbaren Unsinn belichtet hat.
Der Hobbyfotograf ohne Labor könnte das gleiche tun, was er zB. in "James-Bond"-Filmen, der Werbung oder dem bekannten Trotzki-Bild sieht: dem Papierbild mit Skalpell und Lasurfarbe zu Leibe rücken.
Und daher kommt wohl die Auffassung, Bildbearbeitung sei etwas manipulatives, böses, zutiefst Verachtenswertes statt die grundlegendste Grundlage bei der Herstellung eines Bildes. Wer meint, Bildbearbeitung sei überflüssig, hat schlicht gut 50% der Fotografie nicht verstanden (Die Hälfte der Fotografie besteht aus Bild in die Kamera rein, die andere Hälfte aus Bild aus der Kamera wieder raus).
Vor einiger Zeit gab es hier mal eine interessante Aussage, und zwar, dass neuere Kameras so gute ooc JPEGs herstellen würden, dass RAW ggf. in nächster Zukunft überflüssig würde (bzw. dass man keinen Unterschied mehr zwischen ooc-JPEGs und nachbearbeiteten RAWs sehen bzw. "bemerken" könnte).
Wenn diese Situation wirklich eintritt, würde Bildbearbeitung im RAW-Konverter doch zu einer rein subjektiven Vorliebe, man müsste dann nur noch entscheiden, ob es einem mehr liegt, per RAW-Konverter nachzuberarbeiten oder vor der Aufnahme der JPEG-Enginge zu sagen, was man genau möchte.
Zur Zeit scheint es so zu sein, dass die meisten professionellen Fotografen, die nicht für die Zeitung (schnell-schnell) arbeiten, ihre Bilder normalerweise "nicht unbearbeitet abgeben", so dass man schlussfolgern könnte, dass für 'anspruchsvolle' Bilder zur Zeit noch eher eine Nachbearbeitung erforderlich ist.
Wenn man dann allerdings oft gemachte Aussagen zur Bearbeitung gezeigter Bilder liest, die Worte wie "minimal" enthalten, könnte man wieder zu dem Schluss kommen, dass Nachbearbeitung nicht zwingend nötig ist, und man das, was man dort "minimal" ändert auch schon durch Einstellungen bei der Aufnahme hätte erreichen können.
Jetzt kann man argumentieren, dass JPEGs RAWs sind, die in der Kamera bearbeitet wurden.
Nach meinem Verständnis geht es aber hier um die Frage nach der Nachbearbeitung am Rechner.
Schlussendlich geht es um die Frage, ob RAW-Aufnahmen zwingend besser sind als ooc JPEGs, vorausgesetzt, man weiß, was man (im Bearbeitungsprogramm oder in der Kamera) für das gewünschte Ergebnis einstellen muss.
Eine andere Frage ist mMn die nach der "erlaubten" Nachbearbeitung, also was "moralisch" erlaubt ist, um ein Bild als "echt" und als "meins" auszugeben.
Und interessant daran wäre mMn auch, was sich einzelne Menschen darunter vorstellen, also ob "mein Foto" heute eher als "meine Kameraeinstellungen" oder "meine Nachbearbeitung" verstanden wird (natürlich sind das die Extreme).
LG
Frederica