Ich entschuldige mich: Das Folgende wird lang. Aber es war mir auch ein persönliches Bedürfnis, zum Gedanken-Ordnen, das niederzuschreiben.
Wer nicht alles durchlesen mag: Fast alles habe ich schon zuvor angesprochen, hier ist’s nur Gehirnabfallmäßig-ausführlicher. Ich habe das Fazit mit fetten Sternchen unten abgetrennt, also runterscrollen. Danke für eure Geduld!
Item.
Also bislang beinhaltet mein Workflow ja noch gar keine Verwaltung bzw. Verschlagwortung der Bilder. Die liegen halt nach Jahr und Monat sortiert auf der Festplatte.
Theoretisch würde ich jetzt auch den Lightroom-Ansatz vorziehen, muss mir das aber noch ein- zweimal durch den Kopf gehen lassen.
Ich bin da eben auch unschlüssig; Dampfbetrieben und andere können Dir ein Liedchen von den Diskussionen singen.

Der klassische Weg – Film entwickeln und Lieferung ausbelichten (lassen), dann entwickelter Film und Abzüge archivieren, bei Bedarf neue/andere Abzüge vom entwickelten Film erstellen – hat sich über Jahrzehnte bewährt. Sehe ich mir in allen möglichen Foto-Communities die Threads an, hat’s auch immer wieder „Behaltet ihr Eure RAWs?“-Diskussionen. Für einige scheint das der natürliche Ansatz in der Digital-Fotografie zu sein: TIFF/JPEG-Abzug = entwickelter Negativstreifen, der behalten wird.
Und so war ursprünglich auch CaptureOne gedacht, wie auch andere RAW-Entwickler wie z.B. Hasselblads Phocus heute noch. RAW rein, entwickeln, im Arbeits-Archiv gehalten werden die konvertierten 16-Bit-TIFF (oder was auch immer), die RAW waren Backup/Langzeitarchiv – man hat ja bei jedem Shooting/Karte eine neue „Capture Session“ eröffnet (daher der Name), die alten wurden nach dem Sichern der Originale entweder gelöscht oder gleich als Ganzes archiviert. Falls überhaupt ein RAW behalten werden konnte; gibt auch heute noch genug Leute, die gleich JPEG schießen oder mit Film arbeiten, der dann halt entwickelt ist und nicht nachträglich neu entwickelt werden kann (z.B. doch noch Cross-Entwicklung oder andere Emulsion). JPEG-„Abzüge“ fürs Web erstellte man mit einer Bildbearbeitung aus dem TIFF-Master. Also verkleinern, Farbraum, schärfen, fertig. Daher wohl auch einen Haufen Tools wie NIK Define, NoiseNinja etc, die als Plug-in mit Photoshop zusammenarbeiten können.
Das hat für mich etwas recht Finales, weil RAW eben die Möglichkeit mitbringt, gegebenenfalls nach zig Jahren mit einer neuen Entwickler-Software „mehr“ aus den Bildern herauszuholen. Oder sich kurzfristig umzuentscheiden, dass man eben doch lieber pseudo-cross-entwickelt hätte. Und ein RAW plus fünf Rezepte benötigen weniger Speicherplatz als fünf verschiedene 16-Bit-TIFF-Abzüge in verschiedenen „Looks“. Und man kann die Arbeitsschritte auch nach Jahren nachvollziehen und adaptieren, oder die halbe Sammlung auf einen Rutsch mit einem besseren Profil oder neueren Prozess aktualisieren. Von der Idee her also einleuchtend.
Dafür benötig man aber komfortablerweise eine Katalogverwaltung, die auch denselben Render-Prozess wie der RAW-Entwickler verwendet und die Rezepte versteht. Ich denke, deshalb wurde Lightroom auch so schnell so populär. Und wegen des vergleichsweise günstigen Preises verglichen mit den Photoshop-Versionen, natürlich.
Das Speicherplatz-Argument fällt allerdings in Zeiten von Terabytes für hundert Euro weg. Dafür erleben wir, wie ständig neue Software eingeführt wird; bessere Katalogsoftware und bessere RAW-Entwickler. Oder wie Lightroom 4 plötzlich nicht mehr auf Windows XP läuft; will man aber einen aktuelleren RAW-Entwickler haben (vielleicht, weil die neue Kamera nicht unterstützt wird oder die Software bequemer zu bedienen ist – oder die neue Version einem gar nicht passt) wird auch der vorhandene RAW+Rezept-Katalog unnütz(er). Vendor Lock-in wird das gerne genannt. Viel Spaß bei der Migration der Entwicklungseinstellungen von zig tausend Bildern in eine neue Software oder einen neuen „Workflow“ …
Ja, ich philosophier ein wenig rum. Entschuldigt.
MediaPro macht es mir am bequemsten, die Bilder, die ich in CaptureOne entwickle, zu verwalten. So lange ich im RAW+Rezept-Paradigma denke. Würde ich CaptureOne so wie ursprünglich vorgesehen verwenden – und wie es immer noch aufgebaut ist, mit dem Verzeichnis-Browser und den „Select“ und „Output“-Ordnern – sähe die Sache wohl anders aus.
Ich bin mir unsicher, ob ich nicht eventuell von Lightroom vorgeschädigt bin. Lightroom 1.x war mein erster RAW-Entwickler überhaupt. RAW+Rezept zu katalogisieren erscheint mir entsprechend als natürlich. Aber nach einigen Jahren frage ich mich: Wie nützlich war’s denn tatsächlich, unterm Strich?
Ich muss oft auf Anfrage Bilder zu einem Thema zusammensuchen, Alter egal. Wenn ich dann merke: Ja, das würde vom Motiv her passen! musste ich es trotzdem in der aktuellen Lighroom-Version neu entwickeln, damit ich zufrieden war (Stichwort Vorteile der neuen Prozess-Versionen). Oder aber ich habe das Bild 1:1 wie vor x Jahren entwickelt genommen. In beiden Fällen spricht nichts für RAW+Rezept. Entweder, der TIFF-Abzug hätte eh gepasst, oder ich hätte sowieso neu anfangen müssen.
Das andere Extrem: Heute Event, morgen soll ich Bilder liefern. Da „zeitnah“, zählt für den Klienten nur das fertige JPEG in den gewünschten Größen, und er wird auch nie mehr nach einer Neuentwicklung verlangen – denn das war ja das gelieferte Bild, ist verwertet, fertig.
Vielleicht mal das Bild „in Groß“, aber dazu brauche ich das RAW-Rezept auch nicht, wenn ich eh den „Abzug“ als TIFF habe. Interessant wird für mich bei Auftragsarbeiten eine spätere, bessere/andere Entwicklung also nur fürs Portfolio. Und in dem Fall bin ich entweder von der bereits gelieferten Version überzeugt oder: fange wieder von Vorne an.
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Fazit:
Was mich von einem Wechsel weg von RAW+Rezept noch abhält sind zwei Dinge: Die eingangs erwähnte Sache mit „bin ich es mir halt so gewohnt und erscheint mir daher als logisch“ sowie die Frage, wie ich bei einem konsequenten Abzug-only-Arbeitsarchiv die RAW-Originale mit den Bildern in der Datenbank bequem verknüpfen kann. Halte ich Originale und die „Abzüge“ parallel in einem Katalog bläht er auf und wird unübersichtlich. Lege ich die RAW-Originale in einer Ordnerstruktur ab muss ich bei einer etwaigen Neubearbeitung nach dem Dateinamen suchen, nachdem ich ein Bild im Katalog gefunden habe. Andererseits, eben, in den letzten Jahren wäre das vielleicht zwei Duzend Mal vorgekommen, die restliche Zeit hätte das TIFF (oder gar ein 100%-JPEG) für alles ausgereicht. Und MediaPro kann AppleScript, eventuell lässt sich die Suche automatisieren …? Hmmmmmm.
Die Vorteile des alternativen Arbeitsablaufes sind jedoch genau so deutlich: Entwicklungseinstellungen behalte ich nicht, kann also problemlos sowohl verwendete Software als auch Plattform wechseln, falls mir meine Hersteller nicht mehr zusagen (oder sie dicht machen). Ich habe ja die „entwickelten Negativstreifen“ mit ITPC/XMP-Metadaten und die RAW-Originale, die Rezepte bräuchte ich nicht. Wird z.B. die angekündigte Katalogsoftware der Photomechanic-Leute supi kann ich einfach den Pfad umbiegen und fertig, die RAWs interessieren dann nicht.
Auch könnte ich je nach Bild geeignetere Software verwenden, ohne dass es wie ein Fremdkeil wirkt. Seien es Programme wie SilverEfex für Schwarzweiß-Versionen oder ein RAW-Entwickler wie ACR oder PhotoNinja, die besser mit High-ISO klar kommen als CaptureOne. z.Z. ist es so, dass bei einem solchen Mischbetrieb auch der Katalog entsprechend verquirlt wird: DNG, die gemäß der Entwicklungseinstellungen dargestellt werden, neben Graustufen-TIFF, neben Farb-TIFF aus dem alternativen Entwickler, oder gar unentwickeltes DNG und dann das fremd-entwickelte Farb-TIFF und davon die Schwarzweißversion daneben … Und dann darf man auch noch alles verschlagworten, damit der Katalog kohärent bleibt.
Ich glaub, ich mach das so: Ab heute verabschiede ich mich testweise von RAW+Rezept beim Katalogisieren. Ich habe nicht vor, den RAW-Entwickler in nächster Zeit zu wechseln (höchstens zu ergänzen), die CaptureOne-Einstellungen kann ich also als Sidecars behalten. Aber katalogisieren werde ich nur noch TIFF, fertig. Das mal 1.5 Monate durchziehen, dann weiß ich mehr.
Entsprechend – danke für den Gedankenanstoß!
Cheers,
-Sascha