gesetzt den Fall, ich nähme 12 Deiner... Bilder, ordnete sie in einem 4x3-Raster an... Das Gesamtwerk böte ich in A3 als Farbprint auf Alu-Dibond für 250 EUR auf meiner Homepage, auf Flohmärkten, dem Topflappenshop meiner Freundin und bei ebay an.
Glaubst Du, irgendjemand würde 'Zensur' rufen, wenn Du mir das verbötest?
Zunächst einmal glaube ich, dass dein Beispiel im Zusammenhang mit dem hier diskutierten Gerichtsurteil eher schlecht gewählt ist. In deinem Beispiel geht es um Verwertungsrechte, die sich aus einer eindeutigen Urheberschaft ableiten.
In dem Gerichtsurteil geht es hingegen um ein Verbot auf der Basis des Persönlichkeitsrechtes einer Person der Zeitgeschichte. Nun gibt es die Unterscheidung zwischen einer relativen und absoluten Person der Zeitgeschichte nicht mehr. Vielmehr muss bei jedem Bildnis einzeln zwischen den Persönlichkeitsrechten von Personen der Zeitgeschichte und den damit konkurrierenden Rechtsgütern abgewogen werden. Das führt, wie das vorliegende Urteil aus meiner Sicht zeigt, dass de facto die Grenzen immer mehr in Richtung des Vorrangs der Persönlichkeitsrechte verschoben werden.
Um ein entsprechendes Beispiel zu konstruieren: Da ich in beiden beruflichen Sphären meines Lebens durch in verschiedenen Medien veröffentlichte Interviews, der Veröffentlichung von Beiträgen in Fachzeitschriften, öffentlichen Auftritten, Ausstellungen, etc. aktiv die Öffentlichkeit gesucht und gefunden habe, könnte man mich als "Persönchen" der Zeitgeschichte

bezeichnen. Dabei war mir von Anfang an bewusst, dass ich nur einen geringen Einfluss darauf habe, was wer wie berichtet und dass natürlich Menschen damit auch ihr Geld verdienen wollen und müssen. Wer also ein Bild von meiner Person, wenn er es denn interessant findet, auf einem 3x4 Raster, oder wie auch immer, drucken lassen will, soll er!
Alles andere finde ich persönlich, mit Verlaub, extrem verlogen.
Umso mehr, wenn ein international bekannter Sportler, der ja mutmaßlich einen nicht unerheblichen Teil seiner Einkünfte eben über seinen Bekanntheitsgrad erzielt, einen kleinen Künstler wegen der Wahrung seiner Persönlichkeitsrechte verklagt.
Um was geht es hier dem Herrn Kaymer also wirklich? Fühlt er sich durch die Bildchen tatsächlich aber so was von in seinem persönlichen Lebens- und Freiheitsbereich berührt? Weil darum geht es im allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Wird Herr Kaymar, von dem es Dutzende, wenn nicht hunderte Video-Filme, Bilder, Texte, etc. gibt also tatsächlich durch die Bilder in seiner Menschenwürde und der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit berührt?
Absurd!
Um keine Unterlassungsklage wegen falschen Tatsachenbehauptungen zu riskieren, kann ich über die eigentlichen Gründe der Klage selbstverständlich nur spekulieren. Für mich sieht es schwer danach aus, dass hier jemand versucht über den Hebel des Persönlichkeitsrechtes Markenschutz zu betreiben. Das Problem dabei ist, dass eine Person der Zeitgeschichte zwar de facto eine mehr oder minder wertvolle "Marke" sein kann, was z.B. auf Sportler, Filmschauspieler, Musiker, ja sogar Fotografen ohne Zweifel zutrifft, eine Person aber eben de jure keine Marke im Sinne des Markenrechts ist. Und so werden allerlei Hilfskonstrukte herbei gezerrt, wie etwa das Hausrecht, das Persönlichkeitsrecht oder sogar der Datenschutz.
Wie Verhält es sich nun aber mit der Zensur?
Es gibt einen engen, im wesentlichen schon im 19. Jahrhundert geprägten Zensurbegriff, der auf die Vorzensur von Presseerzeugnissen abzielt, indem diese
vor ihrer Veröffentlichung staatlichen Stellen zur Kontrolle, der Änderung oder dem Verbot vorgelegt werden müssen. In diesem engen Sinn wäre also noch nicht einmal die Suspendierung der Schriften des Copernicus oder das Verbot der Schriften Keplers und des Dialogo von Galilei durch die Inquisition als Zensur zu bezeichnen, erfolgten die Maßnahmen doch nach der Veröffentlichung der Schriften.
Zensur ist also immer nur dann gegeben, wenn eine staatliche Stelle
vor der Veröffentlichung in das Werk eingreift?
Absurd!
Im weiteren und moderneren Sinne wird Zensur daher heute als Versuch von staatlicher oder privater Seite die Publikation und Verbreitung bestimmter Inhalte zu steuern, zu kontrollieren oder zu unterdrücken verstanden.
Nimmt diese Definition als Grundlage seiner Überlegungen, wird schnell deutlich, dass Zensur heute nicht mehr im Offiziersrock oder schwarzen Ledermantel, vielmehr und oft genug im feinen Lederköfferchen daher kommt. Zensur hat heute viele Gesichter, von denen uns einige mehr oder minder sinnvoll erscheinen, wie etwa die Alterseinstufung der FSK. Andere hingegen sind nur schwer zu begreifen, wie etwa die seit Jahren andauernde Zensur von youtube-Inhalten durch die GEMA oder eben auch die Zensur eines Künstlers durch einen OLG-Urteil.
Einen wichtigen Sachverhalt haben wir in diesem Zusammenhang übrigens noch überhaupt nicht angesprochen:
Tatsächlich urteilen Gerichte regelmäßig rein gar nicht über die Schöpfungshöhe, vielmehr über den sozialen Status des Künstlers über ein Werk. Hätte der arme Kerl sein Bild nicht selbstvermarktend in der Bucht angeboten und auf facebook beworben, vielmehr in einer Ausstellung jenseits den Räumen einer Zahnarztpraxis, über eine Galerie oder einen anerkannten Kunsthändler, hätte er dann noch wenigstens zwei, drei Semester Kunst bei einem renommierten Prof. studiert, wage ich zu behaupten, dass sich kein Gericht gefunden hätte, die sein Werk als rein "dekorativen Gebrauchsgegenstand" klassifiziert hätte.
Greets
/bd/