Gestern gab es bei uns ein kleines Casting. Für ein Motorrad-Shooting suchen wir Statisten/Modelle. An sich eine Routineangelegenheit, in der Regel werden hier Leute von Agenturen gebucht und die Sache haut normalerweise reibungslos hin. Diesmal hatte der Kunde die Idee, es auch mit Amateurmodellen zu versuchen, da wir auch Leute suchen, die bei Agenturen nicht zu finden sind (eben richtige "Motorradtypen").
Nett - und an der Stelle mußte der Kunde mit ein bißchen Lebenserfahrung schon wissen, was hernach auf ihn zukommen würde.
Angeblich verstehen 60% der deutschen Bevölkerung gut English, was ich persönlich nicht glaube. Aber wie auch immer, der gute Mann gehörte offenbar zu den 40% und dachte bei dem Wort "Casting" mit Sicherheit an die Kohle von Bohlens Superstars vom Kaliber eines Menowin Fröhlich.
In Zeiten, wo ausgesucht unmusikalische und bühnenuntaugliche Typen als Sänger auf die Menschheit losgelassen werden, kann man sich auch mal für ein "Shooting" "casten" lassen, gerade weil und nicht obwohl man an noch keiner Rummelschießbude eine Papierblume abfassen konnte (von erfolgreichem Schießsport ganz zu schweigen). Denn wie man überall vorgeführt bekommt, ist Unfähigkeit und mangelndes Talent ja heutztage das gängigste Erfolgsrezept.
Mit einem Kerl hatten wir allerdings Probleme: wie bei jedem Casting gibt es ein kleines Testshooting. Hier geht es in der Regel darum, auszuloten, wie sich die Leute vor der Kamera anstellen und natürlich auch ein paar Fotos von den Leuten zu haben. Bei dieser Sache wurde ein Kerl sehr zickig: er sei nicht auf ein Shooting vorbereitet gewesen (!) und wolle sich nicht fotografieren lassen. Als wir ihm erklärten, dass die Fotos Voraussetzung für das spätere Shooting wären, bequemte er sich schliesslich und liess sich widerwillig von meinem Assi fotografieren.
Wenn man sich also hier über jemanden mokiert, dann doch bitte über den Vater der Idee jemanden, der sich gar nicht fotografieren lassen will, mit dem Argument vor die Kamera zu nötigen, er könne anderenfalls am späteren "Shooting" nicht teilnehmen

, anstatt ihm bei einer Tasse Kaffee (oder wahlweise einem Glas Bier) über das offensichtliche Mißverständnis aufzuklären.
Vielleicht solltet Ihr mal darüber nachdenken, ob es nicht überhaupt praktisch wäre, mit solchen Leuten zur Abwechslung mal wieder verständliches Deutsch zu reden. Denglisch wurde ja bekanntlich von Leuten eingeführt, die auf tatsächliche Kommunikation keinerlei Wert legten, sondern sich lediglich ihrem Gegenüber als diesem geistig überlegen darstellen wollten. Wer meint, sich bei so einer Zielgruppe diesem durchaus diskussionswürdigen Konzept anschließen zu müssen und wenn auch nur deshalb, weil im Wortschatz des (leider Gottes gegenwärtigen) Auftraggebers derweil eine Reihe deutschsprachiger Begriffe wie "Auswahlverfahren", "Fotografie" und "Werbung" verloren gegangen sind, der müßte sich bei Lichte besehen eigentlich wundern, daß das nur bei einem und nicht bei 23 Leuten vom damit "beabsichtigten" Erfolg gekrönt war.
Wie hättet Ihr an so einer Stelle reagiert?
Ihm in einem deeskalierenden Tonfall und verständlicher Wortwahl erklärt, was beabsichtigt ist: Das Fotografieren von Motorradfahrern für einen Kalender, Katalog oder was auch immer.
Ist doch nicht normal, wenn man sich für einen Job als Modell bewirbt und sich dann nicht fotografieren lassen will?
Wie war das:
Das Bewußtsein bestimmt das Sein - oder doch eher umgekehrt? Wenn Du tatsächlich hättest wissen wollen, was der Mann meinte, wofür er eigentlich gekommen ist, hättest Du ihn - in normalem Tonfall - danach fragen müssen.
Mit der Frage bist Du hier falsch.