Ein paar Rechenbeispiele.
Angenommen, du stehst mittig 4 Meter von der Vorderkante der Bühne weg mit deinem Richtmikro. Dann wird ein Schauspieler im günstigsten Fall (wenn er vorn in der Mitte steht) 4 Meter vom Mikro weg sein. Im ungünstigsten Fall (wenn er links oder rechts hinten in der Ecke der Bühne steht) ist er 9,4 Meter vom Mikro entfernt, also gut doppelt so weit. Das ergibt zwar einen deutlichen Lautstärke- und Klang-Unterschied, aber noch nicht dramatisch.
Oder angenommen, du hast vorn in der Mitte der Bühnen-Vorderkante ein Mikrofon stehen. Dann kann ein Schauspieler direkt vor dem Mikrofon sprechen (also nahezu ohne Abstand) oder bis zu 6,4 Meter davon entfernt. Das ergibt dann sehr große Lautstärke-Unterschiede. Und zu den Unterschieden der Lautstärke (die man durch fleißiges Pegeln in der Nachbearbeitung in den Griff kriegen würde) kommen ja die klanglichen Unterschiede, weil mit zunehmender Distanz der Anteil an Störgeräuschen deutlich steigt.
Will sagen: Mit dem Mikro näher an der Bühne gewinnst du zwar insgesamt Qualität, aber bekommst dafür mehr Probleme durch die Ungleichmäßigkeit der Aufnahme. Aus Sicht des Zuschauers ist oft ein schlechter Ton, der wenigstens gleichmäßig ist, das geringere Übel gegenüber einem zeitweise besseren Ton, dessen Qualität ständig schwankt. Insofern ist das Richtmikro, wenn man den Aufwand gering halten will, nicht unbedingt die schlechteste Option.
Eine simple Lösung, wie man hier mit überschaubarem Aufwand einen perfekten Ton hinbekommt, fällt mir leider auch nicht ein. Ich müsste da wahrscheinlich auch erst einige Experimente in den konkreten Räumlichkeiten machen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man auf einer so großen Bühne den einen Platz findet, an dem ein einzelnes Mikro perfekt platziert wäre. Irgendwas ist immer.
Wenn ich mal alte Weisheiten ausgrabe:
Eine gängige Empfehlung für einfache Theateraufzeichnungen sieht so aus, dass mehrere Kugelcharakteristik-Mikrofone an verschiedenen Positionen von der Bühnedecke abgehängt werden (z. B. eines in der Mitte und zwei jeweils 3 Meter links und rechts davon), damit die Schauspieler immer in überschaubarer Nähe von einem der Mikros sind. Aber frag mich jetzt bitte nicht, wie man die am besten zusammenmischt, damit es nicht zu Interferenzproblemen kommt (wenn ich es heute kurzfristig machen müsste, würde ich wahrscheinlich mit Mehrspurrekorder alle separat aufnehmen und hinterher mit der Abmischung herumexperimentieren).
Wenn das eine große Fernsehaufzeichung wäre, würde man vielleicht sogar alle Schauspieler einzeln mit Funksendern und Bügelmikros oder Ansteckmikros ausstatten. So ein Aufwand kommt hier natürlich erst recht nicht nicht in Frage.
Je nach Budget und je nach Nachbearbeitungsfreude könnte man noch ein paar Sachen testen. Es gibt ja heute Technik, die es dem "Einzelkämpfer-Filmer" erlaubt, möglichst viel Aufwand in die Nachbearbeitung zu verlagern. Ich denke da insbesondere an einfache Rekorder mit eingebauten Mikros und aussteuerungsfreier 32-Bit-Float-Aufnahme, z. B. Zoom H1 essential oder Tascam DR-05XP. Wenn man zwei oder drei dieser Rekorder auf der Bühne befestigt (z. B. an mehreren Stellen im Bereich der Vorderkante der Bühne, vielleicht oben knapp hinterm Vorhang) und während der Vorführung einfach durchlaufen lässt (zusätzlich zu dem Richtmikro auf der Kamera, das als Backup nie schadet), hat man jede Menge Material für die Nachbearbeitung und kann dann für die Mischung auswählen.
Aber ich spinne hier nur rum, weil ich nichts von dem mit aktuellen Geräten selber getestet habe. Als ich zum letzten Mal selber ein Theaterstück gefilmt habe, gab es noch keine billigen Rekorder und schon gar kein 32-Bit-Float. Dafür waren auch die Zuschauer der Videos noch nicht so verwöhnt wie heute.
