Der Anwendungszweck? Der ist aus meiner Sicht immer gleich, zumindest für ein Portrait einer privaten Person, nicht für Werbezwecke oder Ähnliches.
Ziel ist, einen Menschen so abzubilden, dass seine Persönlichkeit so gut wie möglich abgebildet wird.
Dieses gute "Spiegelbild" gehorcht einer Reihe von Gesetzen fotografischer Natur (z.B. keine Schatten, welche die Nase verlängern, Augen im Goldenen Schnitt und vieles mehr) welche unser Wahrnehmung so optimieren, dass sie unseren Tausenden von Jahren Erfahrung in der Wahrnehmung von Menschen entsprechen. Bei keinem "Gegenstand" ist diese unsere Wahrnehmung derart geschult wie in diesem fotografischen "Fall". Daher sind diese "Gesetze" auch nicht so einfach ignorierbar, wir reagieren (meist unbewusst) auf geringste "Fehler".
Beim Fotografieren eines Menschen sind aber auch "menschliche" Verhaltensweisen beim Fotografieren (und davor) ein wichtiger Bestandteil des Prozesses. Vertrauen schaffen, eine Persönlichkeit richtig "lesen", Fluchtdistanz nicht unterschreiten und vor allem "Ehrlichkeit" der Wahrnehmung und fotografischen Umsetzung. Fotografische "Tricks" wie das Verändern wichtiger Gesichtsanteile (wie in diesem Fall der Augen) werden unmittelbar (wenn auch ebenfalls oft unbewusst) als nicht authentische Täuschung erlebt und von Portraitierten immer abgelehnt. Das ist so ähnlich wie die Tonaufnahme der eigenen Stimme, die so nie selber gehört werden kann und daher grundsätzlich Befremden auslöst.
Ein selten benutzter, aber legitimer "Trick" für ein Portrait ist übrigens die spiegelverkehrte Abbildung. Damit wird in der Regel das Portrait für den Portraitierten sehr viel akzeptabler, da er sich real immer nur "spiegelverkehrt" wahrnehmen kann.
Nun, man kann natürlich sich auch an der technischen Spielerei mit dem Medium Foto ergötzen. Das sei jedem freigestellt, in einem Foto-Forum wie hier ist dies ja sogar meist das Hauptmotiv des Handelns.
Wenn ich mich zu diesem Thema aber zu Wort melde, so sei mir auch gestattet darauf hinzuweisen, dass zu einem guten Portrait viel mehr gehört, als technische Retusche. Es handelt sich um das schwierigste Sujet der Fotografie überhaupt, aber mit einiger Erfahrung auch um das Dankbarste und Schönste.