Diese Definition des „dynamic range“
Dass der Dynamikumfang irgendwas mit der Abstufung zu tun hat. Hat er nicht.
Ich zitiere mal (sorry, english):
We define the dynamic range of the signal as x_max - x_min. In our example we have x_max =1, x_min =0, and L=11, which leads to delta = 0.1. Note that if the dynamic range is fixed, increasing the number of quantization levels, L results in a decrease of the quantization step size.
Aus: Seite 35, J. G. Proakis and D. G. Manolakis, Digital Signal Processing: Principles, Algorithms, and Applications. Upper Saddle River, NJ: Prentice Hall, 3rd ed., 1996.
disqualifiziert die Verfasser.
1. Es gibt kein reales Signal mit der Eigenschaft
x_min = 0,
außer vielleicht am absoluten Nullpunkt und außer für die unendlich kurze Zeit eines Nulldurchganges.
Wenn dem so wäre, dann hätte man in der Tat eine unendlich hohe Dynamik.
Jedes Nutzsignal eines Nachrichten- oder Datenübertragungssystems wird von unerwünschten Beiträgen (Rauschen) kontaminiert. Wenn die Nutzenergie unter die Energie der Rauschbeiträge absinkt ist eine zuverlässige Signalerkennung nicht mehr möglich.
Rauschquellen, die unerwünschte Beiträge liefern, gibt es viele.
Allen voran ist das thermische Rauschen zu erwähnen, daß i.a. als „weiß“ betrachtet wird und einem Prozeß die Energie
No = kT No = Rauschleistungsdichte, dim = Ws,
k = Boltzmann-Konstante = 1,38 *10-23 Ws/K
T = absolute Temperatur, dim = K (Kelvin)
hinzufügt, die mit der Nutzenergie konkurriert. Die Amplitude des weißen Rauschens ist normalverteilt (Gauß). Aufgrund seiner statistischen Eigenschaften kann man die Wahrscheinlichkeit für das Überschreiten einer bestimmten Amplitude angeben.
Andere Rauschquellen sind Halbleiter jeglicher Art (also insbesondere Verstärker, Wandler, Detektoren, Fotosensoren), die bei Stromdurchgang und/oder Auftreffen von Lichtenergie Rauschbeiträge mit jeweils speziellen statistischen Eigenschaften generieren.
Man muß sich von der Vorstellung befreien, daß ein reales Signal unbedingt ein determiniertes bzw. vorhersagbares Zeitverhalten aufweist. Das gilt erfahrungsgemäß in den Fällen, bei denen das Nutzsignal um Größenordnungen höher ist als das Störsignal, aber eben nur angenähert.
Selbst in einem digitalen Rechner, bei dem die beiden Zustände 0 und 1 durch zwei Pegel dargestellt werden, ist die Wahrscheinlichkeit nicht Null, daß statt der 0 eine 1 erkannt wird oder umgekehrt (Siehe Bild 1). Glücklicherweise ist bei einem großen Verhältnis Nutz-/Störenergie (= Störabstand = E/No ≈ S/N) die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung des Empfängers (= Detektor) verschwindend gering.
Nähert sich das Verhältnis dem Wert 1 oder darunter, so nimmt die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentscheidung zu, bis man schließlich, wenn das Rauschen dominiert, bei einer Trefferquote von 50% landet, d.h. man könnte dieses Ergebnis auch durch einen Zufallsgenerator erzeugen.
2. Die Definition eines Dynamikbereiches durch die Differenz zweier nichtlogarithmischer Größen halte ich für gelinde gesagt abenteuerlich (es sei denn, die erwähnten Signalwerte x_min, x_max sind in diesem speziellen Fall Repräsentanten bereits logarithmierter Signale).
In jedem mir bekannten Buch der Signaltheorie, was sich mit Detektion, Modulation, Demodulation, Umkodierung, A/D-Wandlung o.ä. mehr befaßt, bestimmt immer der Quotient von Nutz- zu Störenergie (oft auch durch das Verhältnis von Nutz- zu Störleistung, S/N, ausgedrückt) zusammen mit den deterministischen und statistischen Signal- und Rauscheigenschaften, die charakteristischen Eigenschaften des Prozesses.
Dabei stehen so gut wie immer die Ziele Minimierung der Fehlentscheidungen, Erhöhung der Detektionswahrscheinlichkeit und Vermeidung bzw. Minimierung nichtlinearer Vorgänge im Vordergrund, was bei der Fotografie natürlich nicht so sein muß.
Der Begriff des Dynamikbereichs kommt in der älteren Fachliteratur, die sich mit Signaltheorie befaßt, kaum vor. Auf die Schnelle habe ich nur bei Skolnik, dem „Radarpapst“, etwas dazu gefunden. Ich zitiere (übersetzt aus dem Englischen):
Der Dynamikbereich, der den Umfang der auftretenden Signalstärken umfaßt, für die das System wie erwartet arbeiten soll, ist schwierig zu definieren. Er erfordert die Festlegung von drei Parametern:
Kleinstes interessierendes Signal (minimum signal of interest):
Das ist üblicherweise das Eingangssignal, welches am Ausgang ein Signal-/Rauschverhältnis (signal-to-noise-ratio, SNR) von 1 zu Folge hat. Gelegentlich wird auch das kleinste detektierbare Signal als Bezugswert verwendet.
Erlaubte Abweichung von der erwarteten Kennlinie (allowable deviation from expected characteristic):
Das maximale Signal ist das, dem eine definierte Abweichung von der erwarteten Qualität (performance) zugestanden wird. Bei linearen Systemen ist dies gewöhnlich der 1-dB Kompressionspunkt. Für begrenzende oder logarithmische Systeme ist die tolerierte Abweichung am Ausgang festzulegen.
Signalart (type of signal):
Drei Signalarten sind von speziellem Interesse: Punktziele, verteilte Ziele und künstliche Störsignale....
3. Es ist wahr, daß eine feinere Quantisierung eines analogen Signals nicht unbedingt eine Vergrößerung des ausgangsseitigen Dynamikbereichs nach sich ziehen muß.
Das ist sofort einleuchtend, wenn man sich ein Signal auf einem Rechner-Bus vorstellt, bei dem zwei analoge Spannungen, z.B. 0 V und 5 V eine digitale 0 bzw. 1 repräsentieren. Hier wird lediglich einen 1-Bit A/D-Wandler (Schwellwertdetektor) benötigt, der entscheidet, ob das anliegende Signal eher 0 V oder eher 5 V ist (siehe Bild 1).
Eine A/D-Wandlung mit 8 Bit führt auch nicht zu mehr Dynamik, weil oberhalb irgendeiner einer Zahl aus dem Bereich von 0...255 auf eine logische 1 entschieden werden muß und kleinere Zahlen als 0 betrachtet werden. (Allerdings könnte man die feiner aufgelösten Abtastwerte zur Optimierung des Schwellwerts und damit zur Fehlerreduzierung benutzen. In der Praxis hängt man eher ein paar redundante Bits an und verwendet Fehlererkennungs und -korrekturverfahren).
Der Begriff der „Dynamik“ bei einem 1-Bit Signal ist ohnehin etwas fragwürdig. Es gibt eine Definition für digitale Signale (die ich nicht zur Hand habe), aus der eine Faustformel hervorgeht, die besagt, daß pro Bit 6 dB Dynamikumfang dargestellt werden können, deshalb 16 Bit <-> 96 dB Dynamik.
Zurück zum Thema Dynamikumfang und Quantisierung: Tatsache ist, daß jede A/D-Wandlung dem Signal zusätzliches Rauschen hinzufügt. Erklärung: siehe Bild 2: Die analoge lineare Rampe am Eingang wird in eine Treppe verwandelt, die somit neben dem Signal noch die vorher nicht dagewesenen Dreiecke beinhaltet. Bei einem A/D-Wandler mit der Stufenhöhe ∆U Volt beträgt die Rauschleistung für ein Signal mit gleichverteilten Amplituden Na = ∆U*∆U/12 (da nur Verhältnisse betrachtet werden ist der aktuelle Abschlußwiderstand ohne Bedeutung). Die Formel setzt außerdem voraus, daß aufeinanderfolgende Abtastungen statistisch voneinander unabhängig sind.
Damit wird durch A/D-Wandlung – wenn der Dynamikumfang als Quotient aus einem Maximalsignal und dem Systemrauschen definiert ist – auf jeden Fall geringer. Dazu eine Fallbetrachtung: Wird die Stufenhöhe so gewählt, daß das zusätzliche A/D-Rauschen im Vergleich zum bereits vorhandenen Rauschen
- groß ist (Na >> No), dann reduziert sich der Dynamikumfang entsprechend, d.h. Na = 10*No ergibt eine Reduktion von 10 lg((No + Na)/No) = 10 lg 11 = 10,4 dB
- gleich groß ist (Na = No), dann verringert sich der Dynamikumfang um 3 dB
- klein ist, dann ist die Änderung vernachlässigbar; z.B. Na = 0,1 No -> 0,4 dB Reduzierung
D.h. durch feinere Quantisierung kann der Dynamikbereich durchaus ansteigen, jedoch nicht über den von der Vorstufe angebotenen Wert.
Wenn der A/D-Wandler übersteuert wird, reduziert sich der Dynamikumfang zusätzlich durch Kappung der hohen Signalstärken.
Noch zwei Schlußbemerkungen:
Die dem Film/Sensor vorgeschalteten Elemente wie Blende und Belichtungszeit verschieben den vom nachfolgenden System bereitgestellten Umfang nach oben oder unten. Damit kann die Kamera ingesamt zwar einen größeren Bereich abdecken, aber für das aktuelle Bild nicht zur Verfügung stellen.
Die digitale Signal-/Bildverarbeitung kann sich gewisse Eigenschaften von Signal und Rauschen zunutze machen, um den Kontrastumfang des ausgangsseitigen Bildes zu vergrößern. In jedem Fall führen solche Manipulationen, wenn sie denn wirksam sind, zu einer Verbesserung der Quotienten aus Signal und Rauschen. Das Fehlen einer Phaseninformation behindert die auf einer Intensitätsauswertung beruhende Bildverarbeitung natürlich erheblich mehr, als beispielsweise eine Auswertung kohärent empfangener Radarechos.
Gruß
NFK