Die einschlägigen Tests bei DXMark entstehen unter optimalen Lichtbedingungen im Studio - auch um beste Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
Das Licht in freier Natur ist aber nicht immer optimal - manchmal hart, manchmal sehr speziell wie in den Tropen.
Der praxisorientierte Fotograf wird so belichten, dass er ein Maximum an kontrastreichen Mitteltönen erreichen kann - und nach Möglichkeit die Höhen und Tiefen (eventuell restaurierbar) erhält.
Der begriff "richtig belichten" kann unter schwierigen Bedingungen auch darauf hinauslaufen "gezielt falsch" zu belichten oder einen Kompromiss einzugehen, der die Bildstimmung möglichst erhält.
Ich stelle doch gar nicht in Abrede, dass ein Sensor mit hohen Dynamikreserven dabei hilfreich sein kann. Allerdings bin ich etwas skeptisch, was die Problembereiche an den äußersten Rändern der Tonwertkurven anbetrifft - insbesondere dann, wenn man sich darauf verlässt, "sie schon irgendwie ins Histogramm zurückholen zu können". Denn das Zusammenschieben von Tonwerten hat den Nebeneffekt, dass dabei auch die Mitteltöne komprimiert werden, die man eigentlich erhalten will.
Technisch gesehen ist der Kurvenverlauf in diesen Randbereichen eben nicht linear - er flacht ab - und zwar bei allen Sensoren gleichermaßen. Der Vorteil von Sensoren mit besserer Dynamik ist jedoch, dass wir mehr Mitteltonanteil im linearen Bereich ernten können.
Was ich mit meinem Post #65 sagen wollte, ist im Grunde genommen der Fakt, dass man sich nicht blind auf technische Angaben verlassen kann, die entweder unter Idealbedingungen oder aber unter stark abweichenden Lichtbedingungen gewonnen wurden. Das Licht ist in der Fotografie ein derart variables wie veränderliches - und nicht desto trotz gestalterisch wirksames Agens, dass man ihm viel mehr Aufmerksamkeit zumessen muss.
Das sich Verlassen auf eine hohe Dynamikbandbreite des Sensors kann zweispältig enden - insbesondere in der Farbwiedergabe. Erfahrene Fotografen wissen das, aber gerade bei Neu- oder Wiedereinsteigern in die Fotografie ist die Haltung weit verbreitet, sich Fähigkeiten quasi beim Kamerakauf gleich mit zu erwerben - darunter auch die Fähigkeit, technisch bessere Bilder auch unter grenzwertigen Lichtbedingungen machen zu können. Das stimmt nur bis zu einem gewissen Punkt.
Und daher halte ich die Fähigkeit "nach Bauchgefühl" (und Kenntnis seines eigenen Bearbeitungspielraums) zu belichten für ganz wesentlich im Sinne einer subjektiven oder (anderes Wort) stimmungserhaltenden Fotografie.
Besonders gefährlich halte ich allgemeine Angaben zur Dynamik als Orientierungspunkt für Neueinsteiger in die Fotografie - weil die Ableitungen daraus - etwas die Basis des ISO-Wertes - oft banalisiert wird und fälschlich auch auf Extrem-ISO-Bereiche übertragen werden.
Daher ist es nicht völlig auszuschließen (kleiner Scherz), dass Testumgebungen und fotografische Praxis auseinanderlaufen und - schlimmer noch, so gewonnene technische Werte - gerade gegenüber dem unerfahrenen Kamerakäufer - immer mehr zum Marketingargument werden.
Die Eingangsfrage war ja, warum die Dynamik nicht besser als Kaufargument kommuniziert wird - mein Fazit ist: Fotografie ist genrespezifisch sehr unterschiedlich gelagert - was im Studio sehr gut funktionieren kann - die Verallgemeinerung von Testwerten, kann unter anderen Lichtbedingungen möglicherweise nicht 1 : 1 in die Praxis übertragen werden. Insofern gäbe es nicht eine Dynamik (bei Basis-ISO), sondern gleich mehrere, die zu betrachten wären - was die Allgemeinheit sicher ebenso überfordert wie den Verkäufer im Mediamarkt...
LG Steffen
PS: kleine Erklärung noch nachgeschoben: ein um 5 BW unterbelichtetes Bild ist in aller Regel auch farbverschoben. Die Dynamikreserve - so nützlich sie mitunter auch sein mag - hat insofern durchaus ihren Preis - und sei es eine umfangreichere Nachbearbeitung.