Nachtrag zu Tag 3.
Nach einem recht entspannten Marsch von etwa 2km am Seeufer des Amitsorsuaq entlang, trafen wir, laut unserem Reiseführer, auf eines der größten Hindernisse auf dem gesamten Arctic Circle Trail. Ein riesiger Felssturz sollte durchquert werden, wobei dies wohl mit einem großen Wanderrucksack auf dem Rücken eine ziemliche Herausforderung werden würde. Weiter gab unser Reiseführer an, dass man bei erfolgreicher Querung, ohne Ausflug in das sehr kalte Seewasser, gewissermaßen stolz auf sich und seine Leistung sein dürfe. Am Felssturz angekommen stellte sich zwar durchaus die eine oder andere Kletteraufgabe, worin nun aber genau der extreme Schwierigkeitsgrad liegen sollte, erschloss sich uns nicht. Zwar glichen wir bei unserer Kletterei sicher keinem leichtfüßigen Rentier, aber dass man einen unfreiwilligen Ausflug ins Seewasser hätte machen können, fanden wir nicht. Im Anschluss ging es noch für weitere 5km am Seeufer entlang, bis wir nach einer Biegung eine Landzunge erspähten, die laut Karte und Reiseführer, wohl gute Zeltgelegenheiten bot. Zwischenzeitilich rasteten wir noch kurz an einem wunderschönen Sandstrand, bis wir auf der angepeilten Landzunge schließlich ein leuchtendes Zelt ausmachten.
Als wir die Landzunge erreichten, fanden wir einen recht geräumigen Zeltplatz vor, auf dem bereits zwei Zelte standen. Da wir recht spät eintrafen und unsere Nachbarn auch keinen sonderlich gesprächigen Eindruck machten, bauten wir recht flott unser Zelt auf und bereiteten unser Abendbrot zu. Gleichzeitig hielten wir kurz Kriegsrat, ob wir den Weg nun wirklich weiter gehen sollten, oder doch besser umdrehten. Wir vertagten eine endgültige Entscheidung auf den nächsten Morgen. Im Anschluss zauberte mein Kumpel, zum Zwecke der Gewichtsreduktion, zwei Dosen Bier aus seinem Rucksack hervor. Passenderweise der Marke Bölkstoff mit dem großartig passenden Aufdruck "Überlebensdose".
Außerdem überraschten wir uns gegenseitig mit kleinen, eingepackten Aufmerksamkeiten der jeweiligen Freundin. So entwickelte sich der Abend zu einem kleinen Fest der Rührseligkeit, allerdings nur im positiven Sinne des Wortes.
Im Anschluss krabbelten wir in unsere Schlafsäcke und noch in der Nacht stand mein Entschluss, ob weitergehen oder nicht, im Prinzip fest.
Tag 4, Etappe 3, Zum Abfluss des Amitsorsuaq
#021
Am nächsten Morgen fielen wir sehr früh aus unseren Kojen und die aufgehende Sonne tat ihr Übriges uns einen wundervollen Start in den Tag zu schenken. Noch bevor in irgendeiner Art und Weise an Frühstück zu denken war, kramte ich meine Kamera hervor und genoß dieses traumhaft weiche Licht am Seeufer. Dabei hing ich auch kurzzeitig noch in Gedanken fest, was meine Entscheidung zur Tour anging, letztlich waren wir uns aber einig, wir würden weitergehen. Da wir im weiteren Verlauf noch an der ein oder anderen Hütte vorbei kommen, bestünde durchaus eine realistische Chance, Gas zu finden. Auf dieser Hoffnung begründet, trennte ich mich auch nicht von meinem Kaffeevorrat, sondern trug diesen tapfer weiter mit mir durch die grönländische Wildnis. Mal davon abgesehen, dass der Fairtrade-Instant-Kaffee auch keine 200g auf die Waage bringt...
#022
So sah unser Zeltplatz aus. Rechts vom Bildrand campierten unsere Nachbarn, drei Franzosen. Zum dortigen Zeitpunkt verwunderte uns deren Ausmaß an Ausrüstung noch sehr. Besonders der hinter einem Zelt geparkte Trolley.
Später erfuhren wir von anderen Wanderern, dass die drei Franzosen tatsächlich mit Rucksack und Trolley über den Arctic Circle Trail wanderten. Das Ausmaß an Ausrüstung und Gewicht muss dabei enorm gewesen sein. Zumal jeder An- und Abstieg dreifach bewältigt werden wollte. Das erste Mal allein mit Rucksack, das zweite Mal mit dem Gepäck des Trolleys und das dritte Mal mit dem Trolley selbst. Ich glaube, ich hätte bereits beim ersten Hügel das Ding stehen gelassen und meine Ausrüstung reduziert.
Aber die drei waren mit ihrer Entscheidung wohl zufrieden und glücklich. Wie lange sie für den Weg brauchten, erfuhren wir jedoch nicht. Und was genau sie alles mit schleppten, erschloss sich uns auch nicht. Möglicherweise eine komplette Küche? Inklusive Generator und Mikrowelle? In späteren Hütten stießen wir nämlich auf zurückgelassenes Mikrowellenessen...
#023
Während wir nach erfolgter kurzer Fotosession uns schließlich unserem ersten Frühstück ohne Kaffee zuwandten
tauchte auf einmal am Hang über unserem Zeltplatz ein stattliches Rentier auf. Dies ließ sich so ziemlich gar nicht aus der Ruhe bringen, auch nicht, als einer der Franzosen ziemlich geräuschvoll aus seinem Zelt stieg. Auf unseren Hinweis hin, krabbelte er nahezu lautlos zurück in sein Zelt und kramte seine Kamera hervor. Er bedankte sich in Zeichensprache für unseren Tipp und begann nun seinerseits Fotos von diesem Tier zu machen. Ich schenkte mir die Versuche einer Aufnahme, da ich nicht über ausreichend Brennweite verfügte, ein halbwegs vernünftiges Bild zu erstellen. Einer der drei Momente, in denen ich meine Reduktion auf 16mm und 50mm doch ein wenig bereute.
Im Anschluss versicherten wir uns noch mal gegenseitig, dass wir nun wirklich weiter gehen würden und setzten sodann unseren Plan auch in die Tat um. Für diesen Tag standen nun etwa 18km Wanderung auf dem Zettel, wobei wir uns immer am Seeufer halten würden. Ein weiteres kleines Highlight auf dem Weg, stellt das Kanu-Center dar. Eine große und geräumige Hütte, die dem Versuch entstammte, am Amitsorsuaq touristische Aktivitäten zu etablieren. Aufgrund der Abgeschiedenheit verwarf man die Idee des Kanuverleihs aber wieder, ließ aber Hütte und auch Kanus zurück, die Wanderer des Arctic Circle Trails kostenlos nutzen dürfen. Unser Tagesziel lag noch etwa 3-4km hinter dem Kanucenter, am Ende des langgezogenen Sees, wobei dieser Endpunkt des Sees auch mit dem Endpunkt der fünften Etappe unseres Reiseführers zusammenfiel. Von dort aus wollten wir der Etappeneinteilung unseres Buches folgen und sollten demnach nach sieben Tagen Sisimiut erreichen.