Bei mir ist das Ganze umgekehrt wie bei dir. Ich finde es sehr befreiend, wieder ohne Kamera durch die Natur zu streifen, ich bekomme einfach viel mehr mit. Vorher mit Kamera war es eher eine Fixierung darauf, Motive zu finden! Ich konnte da auch nichts dagegen tun, das war einfach so! Jetzt ohne die Fixierung durch die Gegend zu laufen, ist, wie gesagt, für mich sehr befreiend!
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Ich bin eher der Typ, der umherstreift und wenn sich die Gelegenheit bietet, abdrückt!
Ich glaube zu verstehen, was Du meinst. Ich bin auch so ein "Naturstreifer" und Spontanabdrücker
Bei mir ist die Entwicklung nur genau umgekehrt. Früher (in meinen 20ern) habe ich das Wandern durch die Natur zu verbissen betrieben. Es kam dann fast Ausdauersport gleich - möglichst schnell, möglichst viel Strecke. Teilweise nichtmal Pausen zum Trinken gegönnt. Mit fotografieren hatte ich fast nichts am Hut. Eine Hobby Knipse nur im Urlaub dabei gehabt und dann auch ohne gross nachzudenken abgedrückt, es musste ja weitergehen. Richtig innegehalten, um die Umgebung zu geniessen habe ich nur bei den Pausen. Dementsprechend hatte ich am Ende des Tages vielleicht einen Schnitt von 6km/h, aber wirklich erlebt habe ich die Natur nicht.
Mit dem fortschreitendem kommt die Weisheit bzw. geht die Fitness und so habe ich mir das durch-die-Natur-hetzen komplett abgewöhnt und entschleunigt. Dabei geholfen hat mir ausgerechnet die Fotografie. Vater ist leidenschaftlicher Fotograf, ich selbst habe auch irgendwann begonnen, bewusst zu fotografieren. Danke das es digitale Fotografie gibt, sonst hätte ich nie damit angefangen.
Das Problem ist, die richtige Balance zwischen beiden Extremen zu finden. Schlimm war/ist es, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe. Z.B. Wilde Orchideen im Morgenlicht. Ich stehe vor Sonnenaufgang auf, hocke mich auf eine Wiese, fotografiere und fotografiere. Und es sind ruck zuck zwei Stunden rum. Ich habe zwar 50 Fotos, von denen vielleicht zwei, drei zeigbar sind. Und ich bin natürlich happy darüber. Gleichzeitig ärgere ich mich aber, das ich kaum vom Fleck gekommen bin. Wie gern wäre ich von der Wiese im Morgenlicht weiter durch die Gegend gestromert, mich einfach hingesetzt und vom Lichtspiel im Wald verzaubern lassen, am Feldrand das Korn in Goldenem Licht bewundert, vielleicht ein paar Rehe aufgeschreckt, einen Reiher am Teich zugeschaut oder einfach eine halbe Stunde Himbeeren gefuttert...
Wenn man die Fotoausrüstung dabei hat, funktioniert das irgendwie nicht so. Man ist ungewollt ein wenig unter Druck, Licht, Motiv, Ausrüstung jetzt auszunutzen. Das heisst nicht, das ich die Kamera als Stress empfinde. Manchmal macht es auch einfach nur Spass, stundenlang über eine einzige Wiese zu streifen und im Zuge der Motivsuche viele Blüten, Blätter, Insekten zu entdecken.
Je nach Tag und Verhältnissen schwanke ich regelmässig zwischen "mögliche Fotos verpasst" und "zu viel Natur verpasst". Wobei ich gerade bei letzterem wesentlich lockerer geworden bin. (Im Gegensatz z.b. zu Street) läuft die Natur nicht weg, die Sonne geht jeden Tag stimmungsvoll auf und unter, und im nächsten Jahr wachsen auch wieder Orchideen, Pilze etc.
Wenn man wirklich wie Du 10 Jahre intensiv fotografiert hat, gefühlt jedes Motiv abgelichtet hat und die Balance komplett in Richtung "zu viel Fotografie" gekippt ist, dann kann ich Deine Entscheidung zu 100% nachvollziehen und unterstützen. Du hast nur ein Leben. Und was im Kopf und Herzen hängenbleibt, sind nicht die Fotos, sondern Eindrücke/Momente.
Ich gehe in die Natur, weil ich dort entspannen kann, weil ich einen Entdeckerdrang in mir habe und ich mich auf Streifzügen richtig frei fühle.
Momentan mache ich mir einfach keinen Stress bzw. nehme mir keine must-do Fotos vor. Die PEN/DP1s ist einfach im Rucksack dabei. Und wenn sich etwas ergibt, das ich unbedingt festhalten möchte, dann passiert es einfach. Lustigerweise bin ich umso entspannter bzw. wählerischer, je weniger Speicherplatz verfügbar ist. Also einfach mal eine fast volle Speicherkarte mitnehmen

Bin aber genauso glücklich, wenn ich ohne Foto heimkomme.
Bin übrigens auch z.Zt. auf dem Radl Trip. Erweitert den Aktionsradius und damit die neuen Eindrücke doch gewaltig.
Geniess die Natur!