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Den Begriff finde ich in dem Zusammenhang etwas übertrieben, aber meinetwegen, das wäre Haarspalterei. Worauf es mir ankommt, ist dass noch so eine Frechheit auf Seiten des Fotografen keine körperliche Gewalt von Seite des Fotografierten rechtfertigt. Ich gebe Dir Recht, dass es lästig ist, nur mit dem Anwalt und Anzeige drohen zu können, aber mit dieser Last muss man wohl oder übel leben. Und damit verweigere ich den Fotografierten nicht ihre Rechte, aber ich fordere, dass sie für die Durchsetzung ihrer Rechte Grenzen beachten.
Auch wenn ein Fotograf die Grenzen des Anstands überschreitet, müssen unsere Optionen zur Gegenwehr begrenzt sein. Sind sie es nicht, fehlt uns am Ende jedes glaubwürdige Argument gegen beliebige Eskalation.
Damit aber nun nicht der Eindruck entsteht, ich würde einseitig für die Freiheit des Fotografen diskutieren, verweise ich noch einmal ausdrücklich auf meine früheren Posts, in denen ich ganz klar sage, dass auch der Fotograf Grenzen erkennen und sorgfältig abwägen muss.
Wobei Du das Erkennen und Handeln der jeweils für den Fotografen selbst geschaffenen "Selbstzensur" überläßt.
Bei der direkten Entgegnung aber die Folgen Deines Handelns gleichzeitig den Gerichten überstellen willst, obgleich eine eigentlich funktionierende "Selbstzensur" schon dafür sorgen sollte, das es erst gar nicht zu der Situation kommt. Das ist inkonsistent und wenig glaubwürdig.
Darüber hinaus muss er in der Tat mit körperlicher Gewalt als Reaktion rechnen, wenn er bestimmte Situationen erzeugt. Ich denke, dessen sind sich die betroffenen Fotografen auch bewusst und gehen das Risiko ebenso bewusst ein. Ich hätte es z.B. auf eine Konfrontation mit dem Rocker ankommen lassen können und dabei sicher den kürzeren gezogen... Am Ende hätte ich dann ein Foto für einen sehr hohen Preis, einige zurückbleibende Schäden, einen gewonnenen Prozess (mit fragwürdiger Entschädigung) und die Erinnerung an einen sehr unerfreulich ausgegangenen Abend - mir wäre es das nicht wert...
Dass ein Fotograf aber mit so einer Reaktion rechnen muss, wenn er sie provoziert, heisst nicht, dass sie gerechtfertigt wäre.
Ich rechtfertige dies in keiner Weise, jedoch stellt sich hier immer wieder die Frage nach Huhn oder Ei... Aktion und Reaktion.
Ich weiß nicht, ob ich Dich hier richtig verstehe, aber nach einem Artikel im SPIEGEL oder einer Meldung auf "fotorecht" wurde Prinz Ernst-August wegen seiner Regenschirm-Attacke auf den lästigen Fotografen zwar nicht rechtskräftig verurteilt. Das Verfahren endete aber auch nicht mit Freispruch, sondern wurde aufgrund einer erheblichen Entschädigung und Zahlung an den Fotografen eingestellt. Die Gerichtsbarkeit hat also keinesfalls Gewalt gegen einen lästigen Fotografen als gerechtfertigt angesehen.
Das ist auch nicht der Tenor, sonder zeigt eben deutlich auf, das es möglich ist, sich mit Geld und Publicity aus der Affäre zu ziehen. Und wer eben auch dieses Geld nicht hat lange Gerichtswege durchzustehen, den Einfluss nicht besitzt, zudem weiß bei mir ist eh nix zu holen, den interessiert dann auch ein zu zahlendes aber nicht bezahlbares Schmerzensgeld nicht mehr.
Aber allein die Abwägung, welches Recht hier höher zu bewerten ist, gehört eigentlich ins "Absurditäten-Kabinett", zeigt es einmal mehr, das von Egoismen geprägte Gesamterscheinungsbild dieser Gesellschaft auf, die, das sei hier zu beklagen, eine immer weiter gefasste Skrupelosigkeit in Bezug auf die Rechte der Mitmenschen argumentativ hinzunehmen bereit scheint.
Das sage ich nicht nur, das ist meine unverrückbare Mindestanforderung. Den Kerl beschimpfen und anschreien, ihm Fußpilz wünschen und mit Anwalt drohen - alles in Ordnung. Ihm eine langen auf keinen Fall, aus dem oben genannten Grund.
Aber Du schreibst ja selber unten, dass wir da übereinstimmen, also habe ich Dich vielleicht bisher missverstanden, weil für mich Gewalt in diesem Kontext (!) körperliche Gewalt meint. Die darf man nicht als Reaktion auf einen lästigen Fotografen akzeptieren.
Wir stimmen insoweit überein, das Gewalt in körperlicher Hinsicht die Ultima Ratio darstellt. Sollten ein Fotograf und ich nicht in einer vernünftigen, meine Rechte respektierenden Form meiner Bitte nachkommen, so greift diese Ultima Ratio.. also die letzte denkbare Lösung auf jeden Fall.
Das ist wohl OffTopic, aber ich hoffe, die Bemerkung ist erlaubt: Du wirst sicher keinen relevanten oder ernstzunehmenden bildenden Künstler finden, der Dir darin zustimmt, dass die Aufgabe der Kunst ist, den Menschen zu erfreuen. Zu erfreuen ist die Aufgabe von Unterhaltungskunst (und bei dem Begriff ist der "kunst"-Anteil auf das Können und beherrschen eines Handwerks beschränkt).
Das lasse ich mal unkommentiert, weil zu langer Exkurs..
Das ist an dieser Stelle aus folgenden Gründen kein hilfreiches Beispiel:
Es geht dabei um Menschen, die gar nicht in der Lage sind, ihre eigenen Interessen zu wahren und deshalb wird das Beispiel hier ebenso kontrovers diskutiert werden, die damals. Das erste Posting eines gerecht Empörten, der sowas schreibt wie "also wenn das einer mit meinem dementen Opa macht, dann würde ich dem Fotografen aber..." usw. ist schon absehbar. Ein paar Postings weiter zitiert jemand die Gewaltandrohung und behauptet, jemand drohe Streetfotografen mit Gewalt, wenn der Omas ablichtet, was aber nach deutschem Recht usw. Das ist nicht hilfreich und polemisch. Zudem bezieht es sich nicht auf das eigentliche Thema. Man mag moralische Verrohung in unserer Gesellschaft beklagen, wie man will. Aber selbst einem aggressiven Streetfotografen kann man nicht vorwerfen, dass er, weil er Omas (nicht zu rechtfertigenderweise!) erschreckt auch dafür verantwortlich ist, dass andere (ob gutgläubig naiv oder böswillig gewinnkalkulierend) die Hilflosigkeit anderer Personen ausnutzen, Kinder fressen und in Kirchen laut fluchen. - So ein aggressiver Streetfotograf ist vielleicht kein gutes gesellschaftliches Beispiel, aber er ist auch nicht für mehr verantwortlich als genau dieses eine Ärgernis.
Nein, es geht ebenfalls um die Frage, wie sich gegen so etwas zur Wehr zu setzen. Und ob etwas nun IM TOPIC oder ausserhalb des TOPIC steht, kommt immer auf den Verständniszusammenhang an.
Lass ich aber mal so stehen, weil es in meinem Beispiel auch nicht um die Street ging, sagte ich aber auch, sondern mir mehr um die Verrohung und den Werteverlust des menschlichen Miteinanders bei heutigen Fotografen a la Bruce Gilden ging. Um dies aufzuzeigen halte ich so ein Beispiel schon für "plakativ". Aber egal.
Und worum es hier geht, ist (abgesehen von der ganz anders gearteten Frage des TO, ob jemand damit Erfahrung hat, nicht, was wir davon halten...) wie man auf beiden Seiten des Zauns damit umgehen kann. Wir sind uns offenbar beide darin einig, dass der Fotograf gewissen Grenzen beachten und Konsequenzen einkalkulieren muss. Was mir Anfangs wichtig war, ist dass man mit einer gewissen Entspanntheit und Toleranz von beiden Seiten an die Sache herangehen sollte - ich führe das nicht aus, weil ich mich nicht ständig wiederholen möchte. Aber bitte nicht einfach unreflektiert interpretieren, dazu verläuft diese Teildiskussion bisher zu erfreulich. Inzwischen rückt ein anderer Punkt in den Vorgergrund, der mir noch wichtiger ist, weil er für mich ein allgemeines Prinzip im Umgang zwischen Menschen sein muss und sich nicht nur auf freche Fotografen bezieht: Körperliche Gewalt ist in keiner Hinsicht akzeptabel und zu rechtfertigen. Dass sie vorkommt, ist offensichtlich und wie zuvor schon angemerkt unter Umständen verständlich und erklärbar, aber nicht zu billigen.
Wobei sich aber letztlich immer alles bei Dir um die Frage der Ultima Ratio dreht und nach wie vor Aktion und Reaktion im direkten Miteinander vernachlässigt. Wie ich bereits sagte kommt auch niemand auf den Gedanken sich einen Fotografen zu schnappen, ihm seine Kamera um den Hals zu wickeln um dann ein Foto vom verdutzten Fotografen zu machen.
Vielleicht aber wäre dies auch mal eine künstlerisch wertvoll zu wertende und zeitgeschichtlich relevante Situation, die dann einen Freispruch vor Gericht begründen könnte.
Du siehst, hier ist in diesen Argumentationen alles umkehrbar. Die Tatsache, das das Gewaltmonopol beim Staate liegt, bedeutet aber niemals, das man alles hinnehmen muss, was einem so wiederfährt. Nur bezahlen muss man das dann können. Siehe Pinkelprinz.
Nicht das Du das jetzt mißverstehst, es ist eine "Verarschung" der hier aufgeführten Argumente. Körperliche Unversehrtheit ist ein hohes Gut, aber mein Persönlichkeitsrecht ebenfalls. Und die Ultima Ration kommt eben auch nur dann auf den Plan, wenn es keine Einsicht für meine Rechte gibt.
Insofern ist dies immer ein dialektischer Prozess, der wenn keine Synthese gefunden wird, eben dieses letzte Mittel ins Spiel bringt.
Mehr ist das eigentlich nicht und man braucht auch nicht laut aufschreien, weil einige dann eindeutig sagen, mir ist das egal. Es steht dann in ihrem eigenen Ermessen sich für ihr tun dann zu verantworten. Eben dann eine Frage der Gerichte, die der Fotografierte im Vorbeigehen aber nicht mal eben so anrufen kann, wie der Fotograf, dem offensichtlich die Kamera um den Hals gewickelt wurde.
Das ist eigentlich alles zu dem Thema.
Die moralische, oder um es etwas weniger hoch zu hängen, gesellschaftliche Verantwortung für ein erträgliches und faires Miteinander ist jedem Fotografen natürlich auferlegt, so wie jeder anderen Person auch, die sich mündig und selbstbestimmt in der Gesellschaft bewegt. Da haben wir keinen Diskussionsbedarf, ich bin da Deiner Ansicht.
Dein Wort in des Fotografen Gehörgang.
LG
Hinnerker