Gast_49210
Guest
Da in letzter Zeit – auch wegen der zunehmenden Verbreitung von Systemkameras – hier zunehmend nach extrem leichten Stativkombis gefragt wird, möchte ich meine Erfahrungen damit kurz schildern. Ich beschränke mich dabei auf die Stativköpfe, bei den dazu gehörigen Stativen soll sich ruhig wer anders von den lieben Mitforenten zerfetzen lassen.
Zunächst: Ein vernünftiger Kugelkopf hat eine Kugel mit einem Durchmesser von ca. 38mm oder mehr und wiegt zumeist nicht unter 350g. Alles, was darunter liegt, bedeutet immer einen Kompromiss. Gut – eigentlich ist jeder Kugelkopf irgendwie ein Kompromiss.
Zweitens: Jedes Feature eines Kugelkopfs wiegt. Will ich eine Friktionsvoreinstellung oder eine separate Panoramaklemmung haben, wird die Kopfkonstruktion aufwändiger und schwerer, ohne stabiler zu werden. Will ich eine Schnellwechseleinrichtung haben, wiegt die samt Kameraplatte mindestens 60g, aber auch 100-200g sind noch als leicht anzusehen. Möchte ich etwas wirklich Leichtes, sollte ich mir gut überlegen, welches Feature ich wirklich brauche.
Drittens: Beim Leichtbau von Fotoausrüstung verhält es sich ähnlich zum Leichtbau von Fahrrädern o.ä. Jedes gesparte Gramm will bezahlt werden. Ein gutes Leichtbaustativ kostet mehr, als ein vergleichbar gutes Normalgewichtiges. Das Gleiche gilt für Kugelkköpfe.
Nach diesen Binsenwahrheiten zu meinen Erfahrungen mit leichteren Kugelköpfen, die ich besitze oder besaß:
1. Arca Swiss P0 mit Arca-Forenklemme (ca. 475g)
2. FLM Centerball 24 (140g)
3. FLM Centerball 32FB (290g)
4. Foba Superball M1 (285g)
5. Gitzo G1177M (265g)
6. Gitzo GH1781T (210g)
7. Gitzo GH2871TQR umgebaut auf Arca-Klemme Sunwayfoto DDC-G1 (405g)
8. Linhof Universal-Kugelkopf 1 (285g)
9. Novoflex MagicBall Mini (335g)
10. Novoflex Ball 30 (255g)
11. Novoflex Ball 19 (95g)
12. Really Right Stuff BH-25 mit Arca-Klemme B2-mAS (185g)
13. Vanguard ABH-120L (380g)
Ein direkter Vergleich zwischen den Köpfen wäre sicher klasse, aber ich hatte ja nicht alle zur gleichen Zeit und habe auch kein stringentes Testprogramm. Ich benutze die Dinger einfach eine Weile und stelle fest was mir gefällt und was mich stört.
Bei meinen Köpfen gibt es einige sehr einfach konstruierte Köpfe, bei denen ein Metallstempel von unten gegen die Kugel drückt (Kopf 2, 4, 5, 10, 11). Diese Köpfe können zwar eine recht große Haltekraft besitzen - schließlich klemmt hier Metall auf Metall -, ermöglichen aber keine vernünftige Kontrolle des Kugellaufs (Stichwort:“Friktion“). Auch haben sie alle einen eher großen Versatz beim Feststellen. Beides sind negative Eigenschaften, die ich bei einem modernen Kugelkopf nicht haben möchte.
Von diesen Köpfen ist der Gitzo G1177M imho noch der Beste. Der Novoflex Ball 30 und der Foba Superball M1 weisen eine sehr hohe Klemmkraft auf und beim Foba kommt noch ein interessantes Feature dazu. Bei diesem Kopf kann man die Position der Feststellschraube so wählen, wie man möchte. Sie kann also links oder rechts von der Hochformatkerbe angeordnet werden.
Der Novoflex Ball 19 ist maximal für einen Blitz oder eine kleine Kompaktkamera geeignet, ein wirklich sinnvolles Arbeiten ist mit diesem Winzling nicht möglich. Der kleine FLM ist zwar dank der größeren Kugel etwas besser einstellbar, überzeugt hat er mich aber in keiner Hinsicht.
Von den anderen Köpfen sind die schwereren (1, 7, 13) wirklich vollwertige Kugelköpfe für ein leichteres Equipment. Alle haben eine Schnellwechselklemme, der Vanguard sogar eine voreinstellbare Friktion (wobei mir die zu ungenau war, ich habe mit diesem Kopf wie bei den beiden anderen immer mit dem Feststellknopf gearbeitet). Welchen dieser Köpfe man bevorzugt, ist sicher hauptsächlich Geschmackssache. Viele hier schwören auf den Arca, und dessen oben liegende Panoramadrehung ist auch ein wirklich sinnvolles Feature. Am Gitzo gefällt mir sehr die Einknopfbedienung. Sie ist so konstruiert, dass zuerst die Kugel fixiert wird und die Panoramadrehung noch bedienbar bleibt. Der Vanguard ist mir persönlich etwas zu „fuddelig“.
Zu guter Letzt bleiben noch die leichteren der aufwändiger konstruierten Kugelköpfe (3, 6, 8, 9, 12). Selbst unter diesen gibt es noch deutliche Gewichtsunterschiede. Der mit 185g leichteste hat dabei sogar noch eine Schnellwechselklemme: Der RRS BH-25 läuft für den kleinen Kugeldurchmesser wirklich erstaunlich weich und lässt sich gut justieren. Ich nutze ihn sehr gerne auf dem Einbeinstativ, wo ich den Kopf nie festklemme, sondern mit Friktion arbeite. Aber auch auf einem schlanken Dreibeinstativ macht er sich gut. Es kann allerdings – wie bei einigen der anderen kleinen Köpfe auch – im Hochformat zu Kollisionen mit der Stativschulter kommen, wenn diese zu weit auslädt. Ein L-Winkel löst dieses Problem sehr elegant, wiegt aber wieder Einiges. Alles im Allem ist der RRS mein Favorit unter den ganz leichten Köpfen. Der Gitzo GH1780T ist vom Lauf und der Einstellbarkeit eigentlich gleichwertig, nur wiegt er ohne Klemme 25g mehr, als der RRS mit Klemme!
Der Linhof und der FLM 32FB sind beide spürbar schwerer, als RRS und Gitzo und haben dabei noch nicht einmal Schnellwechselklemmen. Ich finde beide Köpfe nicht sehr überzeugend. Der Linhof hat zwar eine sehr gute Panoramadrehung der Kugellauf ist aber nicht wirklich gut und auch der Versatz beim Feststellen war mir zu groß. Der FLM neigt ein wenig zu Nachschwingen und auch der Lauf ist nicht wirklich gut. Allerdings hatte ich den Kopf noch mit meiner E-3 samt Tele im Einsatz, was ihn wohl überfordert hat. Ob er sich mit einer leichteren Kamera besser verträgt, weiß ich nicht.
Noch ein wenig schwerer ist der Novoflex MagicBall Mini. Der Kopf ist nicht besonders leicht, hat keine hohe Haltekraft und kommt auch ohne Schnellwechselklemme. Dazu ist er noch nicht einmal billig. Ich hatte ihn vor Jahren schon mal mit der DSLR probiert und fand ihn eher nervig. Das lag vor allem daran, dass der Kopf einen sehr eingeschränkten Arbeitsbereich hat. Während er sich in einer Achse sogar deutlich mehr als ±90° bewegen lässt, sind es in der anderen Achse nur ±45°. Will ich den Kopf ins Hochformat kippen können, habe ich also nur noch einen recht kleinen Einstellbereich. Um das zu umgehen, kann ich entweder eine Schnellwechselklemme und einen L-Winkel nutzen, oder ich löse die Kamera ein wenig und drehe sie um 90° versetzt wieder fest (es gibt zum Kopf ein Video von Novoflex, dass dieses Vorgehen schön zeigt). Variante 1 gefiel mir nicht sonderlich, denn sie macht das schlanke Design des Kopfs zunichte, bei Variante 2 kriegte ich meine DSLR nur mit Mühe wieder ausreichend festgeschraubt. Mit einer Systemkamera sieht die Sache aber anders aus. Hier reicht es wirklich aus, die Kamera mit der Hand festzuschrauben und das Vorgehen nach Variante 2 ist eigentlich gar nicht so unkomfortabel. Auch die Haltekraft des Kopfs ist für diesen Kameratyp mehr als ausreichend und der Lauf des Kopfs ist schön weich. Wer also an seiner Systemkamera kein Schnellwechselsystem verwenden will, sollte sich den MagicBall Mini ruhig mal genauer ansehen.
Abschließend: Zum Schwingungsverhalten und zur maximalen Traglast mag ich hier nicht viel schreiben. Die Köpfe, die ich empfohlen habe, werden eine Systemkamera mit üblichen Objektiven gut halten können, und wenn sie mit einem Leichtstativ verwendet werden, sollten die Köpfe nicht der kritische Faktor beim Schwingungsverhalten sein. Wollte ich ein 2,8/300 an meine OM-D adaptieren, würde ich allerdings keinen der leichteren Köpfe verwenden, höchstens zur Not mal den P0 oder den GH2871T.
Gruß
Hans
P.S.: Gerade habe ich das Gewicht vom P0 mit OpusEde Klemme gemessen. Autsch! Mit 475g ist er eigentlich raus bei den leichten Köpfen.
Zunächst: Ein vernünftiger Kugelkopf hat eine Kugel mit einem Durchmesser von ca. 38mm oder mehr und wiegt zumeist nicht unter 350g. Alles, was darunter liegt, bedeutet immer einen Kompromiss. Gut – eigentlich ist jeder Kugelkopf irgendwie ein Kompromiss.
Zweitens: Jedes Feature eines Kugelkopfs wiegt. Will ich eine Friktionsvoreinstellung oder eine separate Panoramaklemmung haben, wird die Kopfkonstruktion aufwändiger und schwerer, ohne stabiler zu werden. Will ich eine Schnellwechseleinrichtung haben, wiegt die samt Kameraplatte mindestens 60g, aber auch 100-200g sind noch als leicht anzusehen. Möchte ich etwas wirklich Leichtes, sollte ich mir gut überlegen, welches Feature ich wirklich brauche.
Drittens: Beim Leichtbau von Fotoausrüstung verhält es sich ähnlich zum Leichtbau von Fahrrädern o.ä. Jedes gesparte Gramm will bezahlt werden. Ein gutes Leichtbaustativ kostet mehr, als ein vergleichbar gutes Normalgewichtiges. Das Gleiche gilt für Kugelkköpfe.
Nach diesen Binsenwahrheiten zu meinen Erfahrungen mit leichteren Kugelköpfen, die ich besitze oder besaß:
1. Arca Swiss P0 mit Arca-Forenklemme (ca. 475g)
2. FLM Centerball 24 (140g)
3. FLM Centerball 32FB (290g)
4. Foba Superball M1 (285g)
5. Gitzo G1177M (265g)
6. Gitzo GH1781T (210g)
7. Gitzo GH2871TQR umgebaut auf Arca-Klemme Sunwayfoto DDC-G1 (405g)
8. Linhof Universal-Kugelkopf 1 (285g)
9. Novoflex MagicBall Mini (335g)
10. Novoflex Ball 30 (255g)
11. Novoflex Ball 19 (95g)
12. Really Right Stuff BH-25 mit Arca-Klemme B2-mAS (185g)
13. Vanguard ABH-120L (380g)
Ein direkter Vergleich zwischen den Köpfen wäre sicher klasse, aber ich hatte ja nicht alle zur gleichen Zeit und habe auch kein stringentes Testprogramm. Ich benutze die Dinger einfach eine Weile und stelle fest was mir gefällt und was mich stört.
Bei meinen Köpfen gibt es einige sehr einfach konstruierte Köpfe, bei denen ein Metallstempel von unten gegen die Kugel drückt (Kopf 2, 4, 5, 10, 11). Diese Köpfe können zwar eine recht große Haltekraft besitzen - schließlich klemmt hier Metall auf Metall -, ermöglichen aber keine vernünftige Kontrolle des Kugellaufs (Stichwort:“Friktion“). Auch haben sie alle einen eher großen Versatz beim Feststellen. Beides sind negative Eigenschaften, die ich bei einem modernen Kugelkopf nicht haben möchte.
Von diesen Köpfen ist der Gitzo G1177M imho noch der Beste. Der Novoflex Ball 30 und der Foba Superball M1 weisen eine sehr hohe Klemmkraft auf und beim Foba kommt noch ein interessantes Feature dazu. Bei diesem Kopf kann man die Position der Feststellschraube so wählen, wie man möchte. Sie kann also links oder rechts von der Hochformatkerbe angeordnet werden.
Der Novoflex Ball 19 ist maximal für einen Blitz oder eine kleine Kompaktkamera geeignet, ein wirklich sinnvolles Arbeiten ist mit diesem Winzling nicht möglich. Der kleine FLM ist zwar dank der größeren Kugel etwas besser einstellbar, überzeugt hat er mich aber in keiner Hinsicht.
Von den anderen Köpfen sind die schwereren (1, 7, 13) wirklich vollwertige Kugelköpfe für ein leichteres Equipment. Alle haben eine Schnellwechselklemme, der Vanguard sogar eine voreinstellbare Friktion (wobei mir die zu ungenau war, ich habe mit diesem Kopf wie bei den beiden anderen immer mit dem Feststellknopf gearbeitet). Welchen dieser Köpfe man bevorzugt, ist sicher hauptsächlich Geschmackssache. Viele hier schwören auf den Arca, und dessen oben liegende Panoramadrehung ist auch ein wirklich sinnvolles Feature. Am Gitzo gefällt mir sehr die Einknopfbedienung. Sie ist so konstruiert, dass zuerst die Kugel fixiert wird und die Panoramadrehung noch bedienbar bleibt. Der Vanguard ist mir persönlich etwas zu „fuddelig“.
Zu guter Letzt bleiben noch die leichteren der aufwändiger konstruierten Kugelköpfe (3, 6, 8, 9, 12). Selbst unter diesen gibt es noch deutliche Gewichtsunterschiede. Der mit 185g leichteste hat dabei sogar noch eine Schnellwechselklemme: Der RRS BH-25 läuft für den kleinen Kugeldurchmesser wirklich erstaunlich weich und lässt sich gut justieren. Ich nutze ihn sehr gerne auf dem Einbeinstativ, wo ich den Kopf nie festklemme, sondern mit Friktion arbeite. Aber auch auf einem schlanken Dreibeinstativ macht er sich gut. Es kann allerdings – wie bei einigen der anderen kleinen Köpfe auch – im Hochformat zu Kollisionen mit der Stativschulter kommen, wenn diese zu weit auslädt. Ein L-Winkel löst dieses Problem sehr elegant, wiegt aber wieder Einiges. Alles im Allem ist der RRS mein Favorit unter den ganz leichten Köpfen. Der Gitzo GH1780T ist vom Lauf und der Einstellbarkeit eigentlich gleichwertig, nur wiegt er ohne Klemme 25g mehr, als der RRS mit Klemme!
Der Linhof und der FLM 32FB sind beide spürbar schwerer, als RRS und Gitzo und haben dabei noch nicht einmal Schnellwechselklemmen. Ich finde beide Köpfe nicht sehr überzeugend. Der Linhof hat zwar eine sehr gute Panoramadrehung der Kugellauf ist aber nicht wirklich gut und auch der Versatz beim Feststellen war mir zu groß. Der FLM neigt ein wenig zu Nachschwingen und auch der Lauf ist nicht wirklich gut. Allerdings hatte ich den Kopf noch mit meiner E-3 samt Tele im Einsatz, was ihn wohl überfordert hat. Ob er sich mit einer leichteren Kamera besser verträgt, weiß ich nicht.
Noch ein wenig schwerer ist der Novoflex MagicBall Mini. Der Kopf ist nicht besonders leicht, hat keine hohe Haltekraft und kommt auch ohne Schnellwechselklemme. Dazu ist er noch nicht einmal billig. Ich hatte ihn vor Jahren schon mal mit der DSLR probiert und fand ihn eher nervig. Das lag vor allem daran, dass der Kopf einen sehr eingeschränkten Arbeitsbereich hat. Während er sich in einer Achse sogar deutlich mehr als ±90° bewegen lässt, sind es in der anderen Achse nur ±45°. Will ich den Kopf ins Hochformat kippen können, habe ich also nur noch einen recht kleinen Einstellbereich. Um das zu umgehen, kann ich entweder eine Schnellwechselklemme und einen L-Winkel nutzen, oder ich löse die Kamera ein wenig und drehe sie um 90° versetzt wieder fest (es gibt zum Kopf ein Video von Novoflex, dass dieses Vorgehen schön zeigt). Variante 1 gefiel mir nicht sonderlich, denn sie macht das schlanke Design des Kopfs zunichte, bei Variante 2 kriegte ich meine DSLR nur mit Mühe wieder ausreichend festgeschraubt. Mit einer Systemkamera sieht die Sache aber anders aus. Hier reicht es wirklich aus, die Kamera mit der Hand festzuschrauben und das Vorgehen nach Variante 2 ist eigentlich gar nicht so unkomfortabel. Auch die Haltekraft des Kopfs ist für diesen Kameratyp mehr als ausreichend und der Lauf des Kopfs ist schön weich. Wer also an seiner Systemkamera kein Schnellwechselsystem verwenden will, sollte sich den MagicBall Mini ruhig mal genauer ansehen.
Abschließend: Zum Schwingungsverhalten und zur maximalen Traglast mag ich hier nicht viel schreiben. Die Köpfe, die ich empfohlen habe, werden eine Systemkamera mit üblichen Objektiven gut halten können, und wenn sie mit einem Leichtstativ verwendet werden, sollten die Köpfe nicht der kritische Faktor beim Schwingungsverhalten sein. Wollte ich ein 2,8/300 an meine OM-D adaptieren, würde ich allerdings keinen der leichteren Köpfe verwenden, höchstens zur Not mal den P0 oder den GH2871T.
Gruß
Hans
P.S.: Gerade habe ich das Gewicht vom P0 mit OpusEde Klemme gemessen. Autsch! Mit 475g ist er eigentlich raus bei den leichten Köpfen.
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