Cephalotus schrieb:
Den Sehgewohnheiten entspricht übrigens am ehesten 16:9 oder gar 2,35:1. Fotos betrachtet man aber nicht nach Sehgewohnheiten (höchstens in der Großprojektion), sondern nach ästethischen Gesaltungsregeln wie dem goldenen Schnitt o.ä.
Hier galt lange Zeit 4:5 als das ideale Format, aber auch 4:3 ist sehr weit verbreitet. 3:2 gibt es fast ausschließlich beim Kleinbild und es ist wohl eher zufällig enstanden aus zwei 4:3 Bilderen aus der damals eben billigen 36mm Filmrolle. Es wurde früher auch als Handtuchformat verspottet.
Naja, also mal was zum Goldenen Schnitt:
Der Goldene Schnitt wird durch die Zahl Phi beschrieben (1,618...). Phi findet sich in etlichen Proportionen des menschlichen Körpers und in der gesamten Natur wieder, vielleicht empfinden wir dieses Teilungsverhältnis daher als so harmonisch. Am nächsten kommen dem Goldenen Schnitt die Teilungsverhältnisse 3:2 (1,5) und 5:3 (1,666...).
4:3 (1,333...), 16:9 (1,777...) usw. liegen alle weiter weg von Phi und wirken daher eher disharmonisch. Das Format 16:9 bezieht seine Daseinsberechtigung auch nicht aus der harmonischen Wirkung sondern aus der "Beschäftigung" der menschlichen visuellen Wahrnehmung, man kann nicht die ganze Fläche auf einmal erfassen und kann (muss) daher hin und her sehen. Der visuelle Eindruck wird daher "echter", weil wir uns mitten im Geschehen fühlen.
Und hier was zu 4:3:
Das 4:3-Format ist aus meiner Sicht aus technischen Kompromissen entstanden. Die Fernsehtechnik zeigt es uns. Die ersten Röhren waren ganz einfach rund. Nun ist ein Bild eines Filmstreifens aber nicht rund sondern eckig. Am einfachsten passt in den kreisförmigen Ablenkungskreis einer Kathodenstrahlröhre ein Quadrat, was allerdings recht langweilig und disharmonisch wirken würde. 4:3 stellt einen technisch machbaren Kompromiss zwischen Quadrat und Breitformat dar, da die Unterschiede zwischen vertikaler und horizontaler Ablenkung recht gering sind. Erst die elektronische Unterstützung machte es möglich, die Elektronenstrahlen so genau zu abzulenken, dass sie auch in den Ecken an den richtigen Stellen auftreffen, so dass schließlich sogar die Wölbung der Röhre entfallen konnte.
Wohin führt uns der ganze Schmus? Ganz einfach, bei unseren Kameras werden keine Strahlen ausgesandt aber dafür eingefangen. Das heißt es wirken die gleichen Zwänge wie oben. 4:3 passt besser in den Bildkreis als 3:2 oder ein Panoramaformat. Der Bildkreis kann bei 4:3 ganz einfach kleiner sein als bei 3:2, wenn die gleiche Abbildungshöhe erreicht werden soll (kleinerer Sensor=geringere Kosten). Ergo werden auch Bajonett und Objektiv kompakter bzw. haben bei gleicher Baugröße mehr Reserven. An dieser Stelle sind wir dann bei den Kompaktknipsen gelandet, bei denen die Größe ein wesentliches Verkaufsargument ist.
Des Weiteren brauchen die Lichtstrahlen in den Randbereichen eines 4:3-Bildkreises nicht so stark abgelenkt werden wie bei 3:2, einfach weil der vertikale Rand näher an der optischen Achse liegt. Damit liegt der Auftreffwinkel der Randlichtstrahlen auch näher an 90° als bei 3:2, was für die digitale Fotografie vorteilhaft ist.
Das Ganze 4:3-Getue ist also keine Wunderkiste sondern eine normale ingenieurmäßige Überlegung, die sich an einfachen technischen Zusammenhängen (nicht an ästhetischen) und Kompromissen orientiert.
Und genau aus den ästhetischen Gründen heraus würde ich mir nie (wieder) eine 4:3-Kamera kaufen, nur weil sich dabei einige technische Vorteile ergeben. Fotografie ist visuelle Ästhetik.
