Gut, bevor du dich vor normierenden Bildkonzepten verbeugst, halte ich hier entschieden entgegen: ich finde das erste Bild in den wichtigsten Teilen durchaus gelungen.
Wenn ich die Kommentare studiere, dann bemerke ich in so vielen Threads, wie die "Ratschläge" sich an mittelmässigen "Regelwerken" der Fotografie orientieren. Staub ist scheinbar für viele Tabu, andere fahren hunderte Kilometer um eine dreckige Fabrik zu fotografieren. Oder ausgefressene Lichter werden mit aufwändigen Studioinstallationen verhindert, und so wird das kommunikative Potenzial, das eine solche Lichtsituation bieten kann ignoriert.
Wenn du in die Richtung kommerzielle Werbefotografie gehen willst, dann lohnt es sich wohl schon, normierende Techniken zu erlernen. Ich persönlich finde, dass das massiv überbewertet wird. Kreativität, visuelle Kommunikation, emotive Qualität, persönlicher Ausdruck - alles Aspekte bei denen die Technik auch zur Anwendung kommt, die sich aber an deinen Ideen, deinen Gefühlen, deinem Willen zum Ausdruck orientiert.
Für mich ist das erste Bild ein prinzipiell starkes Bild, das mit einigen kleinen Nachbesserungen völlig für sich stehen kann. Dieses harsche Licht, dieser "Suchscheinwerfer" der einen schlafenden Engel brutal und unvermittelt aus dem Schlaf reisst, passt bestens zur Körperhaltung. Angezogenes Bein, voller Schreck, den Kopf noch im Halbschlaf hochgerissen... kaltes Blau, feindlich, abwehrend, ausgekühlt.
Und dann steht da "Alles Liebe"... welcher Hohn in diesem Satz. Welch ein Kontrast zwischen dem abstrakten, geschriebenen Wort und dem "Wort" das sich durch die visuelle Szene ergibt. DAS, meine Damen und Herren, das ist ein Bild, das erzählt. Das ist ein Bild, das bei mir auch als gesellschaftskritische Metapher durchgehen kann. Wie oft reissen wir Menschen einen "Engel" aus dem Schlaf, brutal und hemmungslos wird ihm "in die Fresse gezündet". Diese Gnadenlosigkeit kommt NUR mit ausgefressenen Lichtern hervor.
Bilder müssen nicht immer eine "Mainstream-Hübschheit" aufweisen. Beliebige Lebenslagen und Aussagen dürfen in Bilder rein und aus ihnen raus fliessen. Diese krampfhafte Suche nach technischen Möglichkeiten ein mittelmässig hübsches, schon millionenfach produziertes Studiobild zu produzieren lässt eure ganze Persönlichkeit weg, beraubt euch der wundervollen Kraft der individuellen Ausdrucksweise.
Wir sehen in letzter Zeit hier fast nur noch hübsche Bildchen, die dazu dienen können, viele "Like"-Klicks auf Feissbock zu produzieren. Bilder, die Emotionen des Fotografen und seine Sichtweise der Welt transportieren, werden kaum goutiert. Schade. Die Fotografie wird so zur technischen Spielerei und hört auf Ausdrucksweise zu sein.
Ich würde beim ersten Bild vom Querformat weg gehen und in Richtung Hochformat gehen - die ganze Dynamik des Bildes liegt hier in der Vertikalen. Die Spiegelung würde ich deutlich reduzieren oder ganz entfernen und den hellen Fleck rechts des "Steins" entfernen. Wenn du magst, zeige ich dir eine in diese Richtung veränderte Version.
Ich exponiere mich, ich weiss. Mir ist es die Sache wert: die Welt hat genug Produktefotografen und Beauty-Pics-Produzenten... sie könnte aber ganz gut noch einen Hand voll Menschen gebrauchen, die sich mit ihr auseinander setzen und die persönlichen Erkenntnisse und Erlebnisse in Bild-Worte fassen. In diese Richtung engagiere ich mich gerne.
cheers
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