Mir bringt Canon gerade wieder den Spaß an der Fotografie. Wie das?
Ich war Fotoamateur und habe zum Thema Foto auch journalistisch gearbeitet, aber das ist jetzt schon 25 Jahre her. Mein Interesse an Fotografie war schon fast tot, als um 2005 die ersten bezahlbaren DSLRs auf den Markt kamen. "Bezahlbar" bedeutet für mich "billiger als 1.000 Euro". Ich nehme mit Erstaunen zur Kenntnis, wie in diesem Forum viele Leute mit lockerer Hand Kameras für 4.000 Euro und mehr kaufen, das ist mir einfach zu teuer. Ich muss schließlich auch noch eine Wohnung abbezahlen.
Also, bei mir war es die EOS 300D, die damals meine Foto-Leidenschaft wieder entfachte. Mit der habe ich ein paar Jahre lang viel fotografiert, bis sie dann irgendwann kaputt ging und durch eine 20D ersetz wurde. Irgendwann wurden dann die Smartphones immer besser - und vor allem guckt die Frau nicht mehr so gequält, wenn du im Urlaub dein iPhone rausziehst statt deiner DSLR mit Superzoom drauf. Ich war 2016 in Hong Kong und nur mein iPhone dabei. Das ging auch.
Ende 2019 kam bei uns der Gedanke auf, eine neue Kamera anzuschaffen, und weil ich das ganze Canon-Gerödel hatte, kam nur eine APS-C-Kamera von Canon infrage. Ich persönlich setze "Fotografieren" eigentlich immer mit "Blick durch den Sucher" gleich, meine Frau mag viel lieber auf ein Display gucken. Ich bin groß, sie ist klein, sie mag es gern leicht. Weil die Kamera über ihr Geschäft laufen sollte, fiel meine Wahl (ich bin bei uns der Chief Photographic Officer) auf die Canon EOS 250D, klein, leicht, bezahlbar, kann EF und EF-S, hat genug Megapixel, ein Klappdisplay und eine WiFi-Schnittstelle.
Als die Kamera kam, war ich geflasht und ernüchtert zugleich. Die 20D war im Grunde eine 5D mit APS-C-Sensor, dagegen ist die 250D winzig klein und federleicht. Alles fühlt sich irgendwie klein und zerbrechlich an. Auf dem Papier gibt es wenig, was die 20D besser kann, aber extrem viel, was die 250D besser kann, so hat sie zum Beispiel statt schmaler 8,2 Megapixel mal eben 24. Sie kann automatisch Objektivfehler korrigieren, aus vier Nachtaufnahmen aus der Hand ein scharfes Bild zusammenrechnen, sie kann nicht nur Video, sie kann auch 4 K Video (im Gegensatz zu unserem Fernseher, der kann nur HD) Auch heute, über ein Jahr nach dem Kauf, stoße ich noch auf neue Features. Wusstet ihr, dass das Ding neben dem Image Stabilizer im Objektiv auch noch einen zweistufigen Image Stabilizer für Video im Gehäuse hat?
Allerdings, und hier schließt sich der Bogen zum Thread-Thema: Bei den praktischen Bildresultaten schnitt die 250D kaum wirklich besser ab als die 15 Jahre(!) ältere 20D - weil in der Praxis meist die Objektive eine viel frühere Grenze setzen als die Pixel der Sensoren. Schlechter nun wirklich auch nicht, und manche Sachen wie der Live View oder die schnelle Möglichkeit, via WiFi die Kamera nicht nur vom Handy aus zu steuern, sondern auch Bilder aufs Handy zu übertragen, machten wirklich Spaß.
Was mir allerdings nach einer Weile gar nicht mehr so viel Spaß machte, das war: Das Ding anfassen. Ich habe mich seit über 40 Jahren mehr oder weniger mit Kameras befasst, in den 1990ern sogar exzessiv. Ich kenne die Materialerotik, die eine Nikon F3 High Eyepoint mit dem großen Motor drunter ausstrahlt. Ich weiß, wie sich eine Leica M3 anfühlt, denn ich hatte fast 20 Jahre lang eine. Gemessen daran fühlt sich die 250D an wie ein Joghurtbecher. Und obendrein ist sie für meine großen Hände zu klein. Ich ertappte mich dabei, dass ich immer häufiger die alte 20D aus der Tasche nahm und mit ihr rumspielte. Dann kaufte ich mir ein 85 mm f/2 von Meike - und merkte, wie gut das an der 20D wirkte, und wie schlecht an der 250D - obwohl es an der 250D besser funktionierte.
In mir begann es zu nagen.
Ein halbes Jahr später habe ich mir eine gebrauchte EOS 6D gekauft. Die hat, wenn man nur den Bodypreis rechnet, mit 450 Euro kaum weniger gekostet als die 250D neu - und ich fühlte mich sofort zuhause. So muss eine Kamera sein. Groß genug für meine Hände, solide gebaut, Klang wie eine Leica R4. Danach war die 250D erst mal abgemeldet. Meine Frau war etwas stinkig, weil die sich gefragt hat, warum ich mir eine Canon für über 500 Euro gekauft habe, wenn ich mir ein halbes Jahr später eine andere Canon kaufe und die besser finde.
Nun befand ich mich ein wenig in der Situation des Themenstarters: Ich hatte zwei Systeme zuhause, die sich überschnitten, aber nicht völlig. Ich hatte noch die 20D und ein Crop-Sigma 18-125 (das ganz alte ohne Bildstabilisator), die habe ich dann verkauft. Die 250D hatte ihr Kit-Zoom, der Rest in meiner Fototasche passte an die 6D. Darunter auch leicht abenteuerliche Sachen wie ein Metz 45 CL-4-Stabblitz mit ollem Canon-SCA-Adapter. Die 6D kann ihn nicht steuern, aber immerhin zünden, die 250D kann mangels Mittenkontaktes noch nicht einmal das. Die 20D und das Sigma habe ich für dermaßen kleines Geld auf eBay vertickt, dass ich sie stattdessen auch hätte behalten können (wobei das Sigma wirklich nicht toll ist). Die 250D lag inklusive Kit-Zoom im Schrank, ich tobte mich mit der 6D aus und begann bei eBay nach gebrauchten L-Scherben zu suchen.
Dann kam der Sommer 2021, und wir fuhren nach Kroatien in den Urlaub. Meine Frau ließ durchblicken, dass sie mich umbringen würde, sollte ich es wagen, alle zwei Meter zum Fotografieren stehen zu bleiben, also beschloss ich, das kleine Besteck mitzunehmen und packte die 250D mit dem Kit-Zoom und mein olles 70-300 ein. Im Urlaub habe ich die angenehmen Seiten der 250D kennen gelernt. Das Ding wiegt mit Zoom keine 750 Gramm und ist so klein, dass man sie in irgendeiner Umhängetasche gar nicht merkt. Die kann man auch auf Verdacht dabei haben, wenn man gar nicht weiß, ob man überhaupt Fotos machen will.
Und was soll ich sagen: Es war geil. Wenn man Fotografieren nicht als Leistungssport betreibt, aber dennoch Fotos haben möchte, die die Helden mit ihren iPhone 13 Pro Super Max nicht hinkriegen, dann ist die kleine Plastikknipse eine echte Macht.
Es ist deutlich geworden, was die 250D besser kann als die 6D. Ihr Klappmonitor und der schnellere Autofokus im Live Mode sichern ihr inzwischen immer mal wieder Einsätze, bei denen die 6D unberücksichtigt bleibt. Das Joghurtbecher-Kit-Zoom ist lichtschwach, aber ansonsten verblüffend gut. Der STM-Autofokus ist so dermaßen leise, dass ich zuerst dachte, das Objektiv sei kaputt, weil ich nix gehört habe. Natürlich hat die 6D unschlagbare Vorteile: Bei wenig Licht rauscht sie einfach viel weniger, der Sucher ist besser, das User Interface ohnehin - und mit dem Batteriehandgriff, den ich ihr jetzt gegönnt hab, liegt sie in der Hand wie ein Hilti-Bohrhammer.
Ich erwische mich bei dem Gedanken, wie ich mir überlege, die 250D-Ausrüstung und die 6D-Ausrüstung parallel auszubauen - und weiß, dass ich das nicht tun sollte. Jetzt habe ich mir für kleines Geld ein Yongnuo 35 mm f/2 gekauft, das ist genauso groß (und auch genau so klapprig) wie das Canon EF 50 mm f/1.8 II. Immerhin hat das Yongnuo ein Metallbajonett. An der 6D ist das 35er ein harmloses Weitwinkel, das einen unauffällig guten Job macht. An der 250D ist es plötzlich ziemlich genau das, wofür Canon eigentlich das 50er entwickelt hat - ein Normalobjektiv mit vernünftiger Lichtstärke. Und es macht die 250D nicht nur kleiner, sondern wiegt auch nochmal ein Drittel weniger als das 18-55-Kit-Zoom.
Ich werde die 250D so lassen, wie sie ist - und sie in aller Regel nur mit einem Objektiv einstecken. Früher hatte man für so was neben seiner SLR-Ausstattung noch eine Kompaktkamera dabei, heute füllt die kompakte DSLR die Lücke zwischen Smartphone und Schlachtross.
Übrigens, auch das ist die Wahrheit: Meine 6D mit dem EF 24-105 mm f/4 L IS USM wiegt ziemlich genau das Dreifache der 250D mit dem Kit-Zoom - und bei gutem Licht hat man Mühe, bei den Bildern mit bloßem Auge einen Qualitätsunterschied zu sehen. Ja, ich weiß, dass das 18-55 sowohl unten als auch oben weniger Brennweite bietet und eine Blende lichtstärker ist. Ich weiß auch, dass das 24-70 f/2.8 L noch besser wäre - aber würde ich damit wirklich bessere Bilder machen?
Über meinem Sofa hängt eine Schwarzweiß-Aufnahme vom Hochablass in Augsburg im Format 40 x 60 cm. Gemacht habe ich sie mit der 20D und dem Kit-Zoom 18-55 mm.
Geht alles.