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Tutorial: Langzeitbelichtung mit Graufilter

DrJohn

Themenersteller
Nachdem gestern endlich mal wieder wenigstens ab und zu die Sonne geschienen hat, bin ich mal mit Kamera losgezogen, um erste Praxiserfahrungen mit meinem 1000x-Graufilter zu sammeln. Als Foto-Objekt diente mir dazu der Kaiserbrunnen in Kaiserslautern. Da die Vorgehensweise für solche Fotos nicht ganz trivial ist, hab ich mir gedacht, ich poste hier mal ein kleines Tutorial. Lob, Verbesserungsvorschläge und Kommentare sind erwünscht. Ich hoffe auch, dass ich die richtige Kategorie für meinen Eintrag gewählt habe.

Was ist ein Graufilter?
Im Forum habe ich eine Beschreibung gelesen, die die Funktionsweise eines Graufilters auf den Punkt bringt: Ein Graufilter ist sozusagen eine Sonnenbrille für den Fotoapparat. Also ein in neutralem Grau gefärbtes Glas, welches man vor das Objektiv schraubt (daher nennt man ihn auch ND-Filter, für "Neutrale Dichte" oder "neutral density"). Es gibt unterschiedlich starke Filter, am einfachsten zu verstehen ist die ?x-Angabe: 2x, 4x, 8x, etc. Dabei bedeutet z.B. 4x, dass man im Vergleich zu einem Foto ohne Filter bei gleicher Blende 4mal so lange belichten muss. Beispiel: Foto ohne Filter bei 1/60 und f=8, Foto mit ND4 bei 1/15 und f=8. (Es gibt neben der ?x-Angabe auch die Möglichkeit, die Stärke durch den sog. Neutraldichtewert anzugeben. Den Zusammenhang mit der ?x-Angabe erklärt dieser Beitrag.

Wozu braucht man einen Graufilter?
Im Prinzip gibt es zwei Anwendungsszenarien: Zum einen, wenn man bei hellem Licht trotzdem gerne eine große Blende verwenden will, um den Hintergrund möglichst unscharf abzubilden (z.B. Portrait im Sonnenschein mit f=2, ohne Filter ist die Belichtungszeit zu kurz).
Zum anderen, um sehr lange Belichtungszeiten zu ermöglichen. So kann man z.B. an belebten Plätzen mit einem starken Graufilter über eine Minute lang belichten und "löscht" dadurch Personen, die durch das Bild gehen, oder vorbeifahrende Autos. Außerdem wirkt bewegtes Wasser, wenn man es lange belichtet, wie Nebel oder Dampf. In diesem Tutorial wird der letztere Einsatzzweck beschrieben.

Tutorial Langzeitbelichtung eines Brunnens
Mein Ziel gestern war es, ein Bild vom Kaiserbrunnen in Kaiserslautern zu machen, bei dem das Wasser wie Dampf/Nebel aussieht. Da im Brunnen das Wasser aus Metallobjekten herausschießt, wirken diese dann etwas wie Dampfkessel. (So war zumindest meine Vorstellung. Ganz so sieht es dann doch nicht aus, weil Dampf ja für gewöhnlich nach oben steigt, aber egal, das war ja nur ein erster Versuch).

Vorbereitung:
Um an hellen Sonnentagen zehn oder mehr Sekunden lang belichten zu können, braucht man einen starken Filter. Ich habe mich für den 1000x Filter von b+w entschieden (Produktname b+w 110), den ich im Internet für ca. 30€ gekauft habe. Ja, richtig. 1000x bedeutet wirklich, dass sich die Verschlusszeit um den Faktor 1000 verlängert (laut Hersteller. In der Praxis ist es eher ein Faktor von 1666). Beachtet beim Kauf darauf, den richtigen Gewindedurchmesser zu wählen. Bei meinem Kitobjektiv sind das 58mm.
Außerdem braucht man natürlich ein Stativ und am besten einen Fernauslöser (ich hatte einen Kabelauslöser), um beim Auslösen nicht zu verwackeln (alternativ tut es auch die 2sec-Einstellung der Kamera).
Des Weiteren packt man noch einen Taschenrechner ein (falls man keinen im Handy hat), denn es ist etwas Rechnen angesagt.
Update: In Beitrag 7 gibt es eine Tabelle für den b+w-Filter zum Umrechnen. Damit spart man sich den Taschenrechner.

Und los gehts:
1. Zunächst suchen wir und das Motiv aus. In meinem Fall war es der Brunnen. Es schadet nichts, wenn man schon (am Tag vorher?) ein paar Testfotos ohne Filter macht und sich überlegt, welcher Ausschnitt besonders gut aussieht.

2. Wir positionieren die Kamera auf dem Stativ und wählt den gewünschten Bildausschnitt.

3. Wir stellen die Kamera auf Blendenvorwahl/Zeitautomatik und wählen die gewünschte Blende. Außerdem stellen wir die Empfindlichkeit auf ISO 100. Dann missen wir die Belichtungsdauer, indem wir den Auslöser halb drücken (oder ein Foto machen). Nehmen wir mal an, die Kamera zeigt 1/250. Wir merken uns den Wert.

4. Wir stellen (manuell oder per AF) scharf und kontrollieren noch einmal den Bildausschnitt. Da ein 1000x-Filter kaum Licht durchlässt, kann man nach der Montage im Sucher nichts mehr erkennen.

5. Wir schrauben den Filter auf und achten dabei darauf, dass sich der Fokusring nicht verdreht. Bei meinem Kitobjektiv stelle ich dafür den Schalter am Objektiv auf "AF", dann lässt sich der Ring nicht mehr drehen.

6. Wir stellen das Objektiv auf "MF" (manueller Fokus), denn scharf gestellt haben wir ja schon und der Autofokus funktioniert mit dem dunklen Filter nicht mehr. (Dieser Punkt ist besonders wichtig, sonst kann man nämlich den Filter gleich nochmal abschrauben und wieder scharf stellen.)

7. Wir berechnen die neue Verschlusszeit, indem wir die bei 3. gemessene Zeit mit 1666 multiplizieren. Im Beispiel: 1 durch 250 mal 1666 ergibt ungefähr 6.6. Wir stellen die Kamera auf den manuellen Modus (M) und stellen die gleiche Blende und eine Belichtungszeit von 6 oder 8 Sekunden ein. Ist uns diese Zeit zu lange (zu kurz), können wir durch eine größere (kleinere) Blende oder eine größere (kleinere) ISO-Zahl (ISO > 200 ist eher nicht empfehlenswert) die Zeit kürzen. Wir beginnen dann noch einmal bei Punkt 2.

8. Klick! :-)

TIP1: Unbedingt in RAW aufnehmen, da starke Graufilter einen Braunstich liefern, den man nachträglich mit dem Weißabgleich korrigieren muss. Außerdem kann man so am besten noch nachträglich die Belichtung korrigieren.

TIP2: Wenn man direkt im Anschluss noch ein zweites Foto mit den gleichen Einstellungen von einem grauen (oder notfalls auch weißen) Blatt/Karton macht, hat man direkt eine Referenz für den Weißabgleich => möglichst natürliche Farben. Achtung: Diese Referenz ist dann aber nur für das eine Bild gültig bzw. für alle Bilder mit der gleichen Verschlusszeit, da bei längerer Belichtung der Braunstich stärker ausfällt und bei kürzerer Belichtung schwächer.

TIP3: Das Aufschrauben des Filters war zumindest bei mir etwas kniffelig, da sich der Filter im Gewinde gerne mal verkantet hat. Ich habe allerdingst festgestellt, dass es eine Position gibt (bei mir Schriftzug "b+w" oben), bei dem der Filter gleich richtig eindreht.


Ergebnis
Und so sieht das dann aus, das erste Bild ist nur zum Vergleich, wie das Wasser ohne Filter wirkt:
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: TUTORIAL: Langzeitbelichtung mit Graufilter

P.S.: Auch solche Späße sind mit langer Belichtung möglich :) :
 
AW: TUTORIAL: Langzeitbelichtung mit Graufilter

Dankeschön.

Hier noch ein paar interessante Threads zum Thema:
https://www.dslr-forum.de/showthread.php?t=484276 (Bilder)
https://www.dslr-forum.de/showthread.php?t=36517 (64x oder 1000x)
https://www.dslr-forum.de/showthread.php?t=624557 (Thema Braunstich und Vignettierung bei solchen Filtern)
 
AW: TUTORIAL: Langzeitbelichtung mit Graufilter

Es gibt unterschiedlich starke Filter, am einfachsten zu verstehen ist die ND-Angabe: ND2, ND4, ND8, etc. Dabei bedeutet z.B. ND4, dass man im Vergleich zu einem Foto ohne Filter bei gleicher Blende 4mal so lange belichten muss (oder eben bei gleicher Zeit eine um vier Blendenstufen größere Blende wählen muss).
Das ist falsch. Deswegen sind diese unterschiedlichen Bezeichnungen bei verschiedenen Herstellern auch so irreführend. Bei dem einen Herrsteller bedeutet das 4 Blendenstufen, bei einem anderen 4x längere Belichtungszeit. 4 Blenden sind aber eine 2^4 = 16 fach längere Belichtungszeit.

Beispiel: Foto ohne Filter bei 1/60 und f=8, Foto mit ND4 bei 1/15 und f=8 (oder bei 1/60 und f=2)
ND4 sind "nur" 2 Blenden Unterschied. Richtig ist also 1/60 bei f=4.

Bis auf die paar Kleinigkeiten ein prima TUT.

Schöne Grüße
Lars
 
AW: TUTORIAL: Langzeitbelichtung mit Graufilter

Du hast recht, es müssen wohl zwei Blenden sein. Ich streiche die entsprechende Passage am besten ganz. Mir geht es ja um die Zeit, nicht um die Blende.
 
AW: TUTORIAL: Langzeitbelichtung mit Graufilter

Um die Sache mit den Belichtungszeiten noch einfacher zu machen, habe ich eine Tabelle erstellt (s. Anhang), in der man die Zeit mit Filter einfach ablesen kann. So spart man sich zum einen den Taschenrechner, zum anderen kann man jetzt auch gezielter vorgehen, wenn man eine bestimmte Belichtungsdauer mit Filter anstrebt. (Die Zeiten gelten natürlich nur für den b+w-Filter, für andere Filter ist der Umrechnungsfaktor evtl. abweichend.)

Will man z.B. gerne 10 Sekunden lang mit Filter belichten, muss man Blende und ISO so wählen, dass das Bild ohne Filter mit 1/160 korrekt belichtet wird. Wir ändern also in diesem Fall Punkt 3 derart ab, dass man im Modus Zeitvorwahl/Blendenautomatik "1/160" einstellt (und ISO 100) und man dann den Blendenwert abliest, der angezeigt wird. In Schritt 7 stellen wir dann die abgelesene Blende und 10s ein.
 
AW: TUTORIAL: Langzeitbelichtung mit Graufilter

Ohne diesen Thread mit Content zu bereichern... Danke für den Beitrag! :)
 
AW: TUTORIAL: Langzeitbelichtung mit Graufilter

@brauneaugen: Der ND-Calc rechnet höchstwahrscheinlich mit dem Faktor 1000. Für den b+w-Filter werden die Bilder so aber unterbelichtet. Ein Faktor von 1666 scheint mir hier besser zu passen. Trotzdem danke für die Links! IPhone-Besitzer werden es Dir danken!
 
AW: TUTORIAL: Langzeitbelichtung mit Graufilter

Diese Stelle ist immer noch falsch:

Es gibt unterschiedlich starke Filter, am einfachsten zu verstehen ist die ND-Angabe: ND2, ND4, ND8, etc. Dabei bedeutet z.B. ND4, dass man im Vergleich zu einem Foto ohne Filter bei gleicher Blende 4mal so lange belichten muss.


Du kannst Dir zu dem Thema diesen Post angucken: https://www.dslr-forum.de/showpost.php?p=3533742&postcount=33

Die ND-Angabe ist nicht so einfach zu verstehen, aber es gibt formal richtig auch die Möglichkeit, sowas wie "ND 4x" zu schreiben, was sich dann auch als "Neutraldichte (oder neutral density) 4fach" lesen würde.

Ich denke aber auch, dass Du entweder beide Schreibweisen anführen solltest (und auf die Unterschiede hinweisen), oder komplett weglassen. Sonst stolpern wieder jede Menge über das kleine x.

Cokin zB ist einfach doof. Die schreiben konsequent ohne x, meinen aber mit x. Vielleicht gibts ja französische Lehrbücher, in denen das so steht. :D


Mein B+W 110 hat übrigens ziemlich genau Faktor 1000. ich messe die Belichtung, verlängere die Zeit um 1000 und erhalte ein korrekt belichtetes Bild.
 
@Dilettant: Ich habe es nochmal geändert und auf Deinen Beitrag verwiesen.

Übrigens bin ich nicht der einzige, bei dem die 1000x nicht stimmen, s.
diesen Thread ab Beitrag 26.
Wenn's bei Dir passt, umso besser. Spricht insgesamt aber nicht gerade für eine verlässliche Fertigung...
 
Und warum nicht einfach die Belichtungsmessung mit aufgeschraubtem Filter nochmal machen? Müsste doch funktionieren, oder? :confused:

Gruß
Michael
 
@Brazoragh: Ich wusste, dass dies hier nochmal angesprochen würde :-D

Wenn man mit dem Filter messen will, muss man vorher den Sucher abdunkeln, denn sonst fällt Streulicht dort hinein und verfälscht die Messung. Dafür nimmt man den Sucheraufsatz ab und befestigt eine Gummiklappe dort (ist meist im Trageriemen integriert).

Das ganze ist a) sehr umständlich und liefert b) bei mir trotzdem falsche Messungen (interessanterweise bekomme ich hier Zeiten mit Faktor 1000 angezeigt :confused:).
 
Noch so eine Idee: Was evtl. klappen könnte, ist eine Belichtungseinstellung im LiveView-Modus. Da ist ja dann der Spiegel nach oben geklappt und verhindert so den Lichteinfall durch den Sucher. Außerdem kann man mit dem Live-Histogramm eine Unterbelichtung entsprechend kompensieren. Muss ich mal ausprobieren. Geht aber wohl nur in wirklich hellem Sonnenlicht, ansonsten ist es auch im LiveView stockfinster.
 
Für die Berechnung der Belichtunsgwerte kann man auch bei montiertem Filter 1-2 Testaufnahme mit dem maximalen ISO-Wert machen und anschließend entsprechend hochrechnen. So spart man sich Filterschrauberei und hat verläßliche Meßwerte zur Hand.
 
Mal eine andere Sache: Wo bekommt man am besten (in diesem Fall am schnellsten) einen B+W 1000x Graufilter? Beim Online-Händler meines Vertrauens soll es angeblich 1-2 Monate dauern. Kennt jemand ein Fachgeschäft im Raum Bremen der ein 67mm-Filter vor Ort haben könnte bzw. einen Online-Händler der es vauf Lager hat?

Grüße,
Sebastian
 
Mal eine andere Sache: Wo bekommt man am besten (in diesem Fall am schnellsten) einen B+W 1000x Graufilter? Beim Online-Händler meines Vertrauens soll es angeblich 1-2 Monate dauern. Kennt jemand ein Fachgeschäft im Raum Bremen der ein 67mm-Filter vor Ort haben könnte bzw. einen Online-Händler der es vauf Lager hat?

Grüße,
Sebastian

Schau mal bei http://www.versandhaus-foto-mueller.de/
Ist bei Filtern einer der Günstigsten und der 67er ist laut Website auch vorrätig.
 
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