Versteh mich nicht falsch, ich möchte Dich garnicht kritisieren oä., sondern einfach nur ein Beispiel, welche Reportage Du warum z.B. gut fändest, rein Interesse halber quasi. Das andere besser wären und warum war dabei auch nicht der Punkt. Ich hoffte, Du könntest etwas Licht ins Dunkel bringen, was eine gute Reportage ausmacht anhand einer guten Reportage.
Was eine gute Reportage ausmacht sind gute Bilder. Deswegen sollten wir erstmal klären, was ein gutes Bild für eine Reportage ausmacht.
Das die Bilder von der Demo keine gute Reportage abgäben, sehe ich im Übrigen genauso, der Funke sprang da nicht über, das Thema wurde nicht klar, genauer könnte ich es aber nicht formulieren.
Das liegt schlicht daran, daß die Bilder allein betrachtet schon nicht funktionieren. Natürlich muß bei einer Reportage nicht jedes einzelne Bild die ganze Geschichte erzählen, das geht oft garnicht und es gibt in Reportagen auch immer Bilder die keine fotografischen Geniestreiche sind, die aber wichtig sind, um die Geschichte weiterzutragen. Aber auch für Fotos innerhalb von Reportagen und Bilderstrecken gelten Anforderungen die auch für Einzelbilder gelten. Z.B., daß man auf einem Demobild erkennen können muß worum es bei der Demo geht und daß das Bild natürlich erst recht nicht so mißverständlich ist, daß man nicht nur nicht weiß, welche Demo es ist, sondern das ganze noch für eine ganz andere Demo halten könnte.
Eine tolle Reportage ist zum Beispiel diese Geschichte von Todd Heisler, bei der es um getötete Soldaten geht die in die USA zurückgebracht werden, um von ihren Familien beerdigt zu werden. (Dazu muß man auch wissen, daß die Ankunft der Särge bis dato de facto zensiert war und nicht in den Medien stattfand.) Und es geht bei der Geschichte auch um die Soldaten, die den Angehörigen der getöteten Soldaten die Todesnachrichten überbringen und diese betreuen.
http://digitaljournalist.org/issue0604/finalsalute01.html
Das geht schon beim ersten Bild los. Jeder kann erkennen, daß da Soldaten einen Sarg aus einem Flugzeug holen. Aber da ist mehr im Bild, man erkennt, daß es sich um eine normale Verkehrsmaschine handelt und man sieht die normalen Passagiere die aus den Fenstern schauen und auf das reagieren, was das passiert bzw. was außerhalb des Bildes mit dem Ausladen des Sarges zusammenhängt. Das Bild zeigt nicht nur das Offenkundige, den Sarg, sondern auch die Gefühle der Menschen im Flugzeug.
http://digitaljournalist.org/issue0604/finalsalute02.html
Auch das zweite Bild ist toll, weil es nicht nur einfach zeigt, daß das Soldaten zu der Familie eine Getöteten kommen, sondern, weil die Schatten da eher eine Metapher sind und dem Betrachter da die Stimmung dieses Besuchs zeigen.
Die ganze Geschichte besticht für mich dadurch, daß mir die Bilder Dinge zeigen die ich sonst nicht kenne, sie mir aber die Freiheit lassen, in den Bildern zu lesen und das Gesehene selbst einzuordnen, ohne mir dabei ein schnelles einfaches Urteil anzubieten. Und obendrein ist das alles sehr gut fotografiert.
Da ist Platz für das Befremden über Kinder in Uniformen am offenen Sarg eines toten Soldaten.
http://digitaljournalist.org/issue0604/finalsalute04.html
Aber auch Platz für die Trauer der schwangeren Witwe. Aber eben auch für die Trauer der Soldaten über den Tod anderer Soldaten.
Und ich verspüre da eine Gespaltenheit ob der Präsens des Militärs in den trauenden Familien und dem Umstand, daß die Soldaten die da sind sich um die Familie kümmern und dabei eine sehr belastende Aufgabe wahrnehmen.
http://digitaljournalist.org/issue0604/finalsalute13.html
Aber da frage ich mich dann auch, warum, da keine Verwandten die Witwe stützen, sondern das ausgerechnet der Soldat macht, der ihr die Todesnachricht überbracht hat.
Die Bilder in denen die Soldaten der Witwe ein Nachtlager in der Leichenhalle bauen, weil sie nicht von der Seite des Getöteten weichen will, machen es nicht einfacher eine schnelle und bequeme Position zum Thema einzunehmen, weil sie irgendwo zeigen, daß man sich nicht auf eine Position zurückziehen kann, aus der heraus man die Anwesenheit der Militärs bei der Trauer leicht verurteilen könnte. Denn so leicht wie man sagen könnte, daß sich das Militär in die Trauer der Familie drängt und da Kontrolle ausübt, muß man aber auch sehen, daß Dinge gibt die Familienmitglieder nicht leisten können.
Die "Grünes Band" Reportage fand ich z.B. rein gefühlsmäßig nicht gelungen, da viele Bilder für mich einfach zu belanglos und unzusammenhängend waren, aber auch hier fehlt mir einfach die Ausdrucksmöglichkeit.
Ich denke das ist auch weniger eine Fotoreportage als eine Bildersammlung mit der man eine Textreportage über die ehemalige innerdeutsche Grenze bebildern kann. Ein paar Portraits von den im Text erwähnten/zitierten Menschen, ein bißchen Landschaft, ein wenig historische Überbleibsel.
Was man halt fotografiert, wenn man einen Schreiber begleitet.
Eine Fotoreportage, bei der der Fotograf selbst entscheidet wo es lang geht, was interessant ist, wie er das erzählt/zeigt ist dann was anderes.