Die Systematik ist wohl einigen nicht ganz klar:
Es gibt den Verbotsparagraphen des §22 KUG (betr. Verbreitung und Veröffentlichung) und den weitgefassten Ausnahmeparagraphen des §23 KUG.
§22 ist Folge des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ( hier: Recht am Bild) des Abgebildeten
§23 schränkt dieses innerhalb bestimmter Umstände und Zwecke wieder ein.
u.a. Presse- und Kunstfreiheit.
Folglich ist - manche sehen das anders - die Aufnahme an sich nicht verboten.
Wer das Paparazzi-Urteil kennt, weiß aber, dass das nicht einschränkungslos gilt: Wer bereits die Absicht hat (die bei Paparazzis unterstellt werden kann) in eine fremde Privatsphäre einzudringen um die Bilder anschließend gewinnbringend zu vermarkten, kann unter keinen Umständen einen Ausnahmetatbestand des §23 anführen, hier wäre also bereits die Aufnahme als Vorbereitungshandlung einer verbotenen Tätigkeit untersagt.
Kunst ist nicht der Platz im Louvre, nicht einmal die Ausstellung in der Kreissparkasse. Das sind gute Indizien für Kunst oder wenigstens für ein Kunststreben (...sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient, §23 KuG) Das einzelne Bild muss in diesem Rahmen nicht einmal ein Kunstwerk sein. Kunst kann dabei auch die so genannte "kleine Münze" sein (vulgo: "geringere" Kunstwerke). Man muss nicht professoral oder im Kulturteil der FAZ geadelt worden sein um Kunst machen zu dürfen.
Die sattsam bekannte Gegensätzlichkeit des kauernden Obdachlosen neben der strahlenden Auslage eines Juweliergeschäfts kann Kunst sein, vielleicht nur "geringe" Kunst. (Kunst muss nicht neu sein) Oder auch nicht, wenn man es zur Hetze verwendet, dann liegt nicht einmal ein Kunststreben (s.o. Zitat) vor.
Ein Bild wird nicht weniger ein Kunstwerk, wenn ein Mensch darauf zu sehen ist und nicht mehr, wenn eine Blume im Gegenlicht bei f/1.4 aufgenommen wurde. Entscheidend ist u.a., ob beim Betrachter was ankommt, was nicht allein aus dem Bild (Blume/Mensch) bereits gesehen werden kann.
Die meisten von uns kennen den Thread von Markus Schwarze, in dem er jeden Tag ein Bild einer Person aus Hamburg eingestellt hat. (Er hat sich sogar die Releases eingeholt) In seiner Gesamtheit würde ich das als Kunstprojekt betrachten, egal, wie "kunstvoll" die Aufnahmen an sich sind, weil ein übergeordneter Bezugsrahmen geschaffen und vermittelt wird. Freilich kann auch ein einzelnes Bild mehr vermitteln als nur verschieden grau- und farbwertige Pixel oder Tintentröpfchen.
Folglich ist auch die Veröffentlichung in einem persönlichen Blog eines Fotografen oder in seiner Galerie nicht von vorne herein verboten. Es kommt auf den Einzelfall an und auch auf die Umstände der Veröffentlichung.