Ja, wenn Du mit den technischen Daten nur Brennweite und Lichtstärke meinst. Was allerdings noch einen zusätzlichen Hinweis geben kann, sind Größe und Gewicht: Der Hersteller kann mehr Aufwand zur Optimierung von Objektiv-Eigenschaften treiben und entsprechend mehr Linsen verbauen, aber das macht sich dann eben bemerkbar.Ist nun ein anderes Objektiv mit selber Lichtstärke und Brennweite womöglich besser, ohne dass ich das an den technischen Daten ablesen kann?
Bestes Beispiel sind die ganzen 50-mm-Objektive mit Lichtstärke 1,4. Die Standardmodelle von Canon und Nikon wiegen jeweils knapp 300 Gramm und sind um die 5 cm lang, hingegen das Sigma ART kommt auf gut 800 Gramm und 10 cm Länge. Das Zeiss Milvus ist sogar nochmal etwas größer/schwerer, und das bei völlig identischen Grunddaten.
Natürlich sind die aufwendiger gemachten Objektive "besser" in Sachen Optik. Aber was hier gut oder schlecht ist, darüber kann man im Einzelfall streiten. Es gibt auch Optimierungen, die für ein fotografisches Gebiet sehr gut und für ein anderes nachteilig sind. Etwa Objektive, die sich aufgrund ihres schönen Bokehs und ihrer hohen Schärfe in Bildmitte besonders gut für Porträts eignen, sind selten gut geeignet für die Repro-Fotografie, wo eher gleichmäßige Schärfe bis in die Ecken gefordert ist.
Meine eigene Erfahrung aus Anfängertagen ist, dass man sich schnell in irgendwelchen Testberichten verliert und meint, man müsse immer das Objektiv mit der "höheren Punktzahl" oder "besseren Gesamtnote" kaufen. Dabei übersieht man, wie wenig allgemeingültig solche Wertungen sind - und wie wenig wichtig fürs Gesamtergebnis die Objektivqualität insgesamt ist.
Ich kann mich an Zeiten erinnern (lange vor der Digitalfotografie), als wirklich miese Objektive auf dem Markt waren. Mit denen sah man als kritischer Betrachter selbst auf 10/15-Abzügen eine verminderte Schärfe - und an Poster etc. war gar nicht erst zu denken.
Heute findet man sowas nicht mehr (es sei denn, man adaptiert uralte Objektive). Selbst die als "schlecht" verschrieenen Objektive liefern heute eine mehr als ordentliche Qualität. Tatsächlich gibt es nur ganz bestimmte Anwendungsbereiche, wo eine mögliche Mehr-Qualität überhaupt sichtbar wird.
Natürlich gibt es auch messbare und klare Qualitätsunterschiede, etwa die Schärfe von der Mitte bis in die Ecken. Aber die betreffen nur ganz bestimmte Anwendungen und Aufnahmebedingungen.
Daneben gibt es Gebiete, die höchst subjektiv zu bewerten sind, z. B. das Bokeh. Ob nun die Lichterpunkte im unscharfen Bereich kreisrund und gleichmäßig hell sein müssen, oder ob sie auch sechseckig oder gar kringelförmig sein dürfen, darüber kann man seitenlang diskutieren. Dass 99 % der normalen Betrachter solche Unterschiede nicht mal bemerken (also weder positiv noch negativ), wird dabei schnell vergessen.
Und jetzt bin ich ganz böse: Ein nicht so kleiner Teil der Objektiv-Qualitätsdiskussion geht sogar in den esoterischen Bereich, also in die "gefühlte Qualität". Wenn man 800 Euro für ein Objektiv ausgegeben hat, obwohl man für 300 Euro eines mit denselben Grunddaten hätte haben können, muss man das vor sich selbst (und vor Anderen, z. B. der Partnerin) irgendwie rechtfertigen. Das heißt aber noch lange nicht, dass irgendjemand anders diese gefühlten Vorteile im fertigen Bild sehen kann. Man kennt das Phänomen auch aus anderen Bereichen, wo Technik und Kunst aufeinandertreffen (z. B. im Tonstudio, wo über Mikrofone, PreAmps etc. diskutiert wird).
Sehr oft wird die Bedeutung der Objektiv-Qualität überschätzt und die Bedeutung der übrigen Aufnahmebedingungen unterschätzt. Es ist halt auf den ersten Blick so bequem, alle Defizite durch teure Objektiv-Käufe zu kompensieren. Funktionieren tut das in Wirklichkeit fast nie - aber das merkt man erst, nachdem man jede Menge Geld falsch angelegt hat.
Wenn Anfänger von mir einen Rat haben wollen, ist es dieser: Ignoriert die ganzen Objektiv-Qualitätsdiskussionen und kauft erst mal nur Objektive, die rein von den Daten her Euren Anforderungen entsprechen!
Also wenn Ihr für die Reise ein Zoom von 24 bis 200 mm (KB-Brennweite) haben wollt, dann kauft ein solches - und hört nicht auf irgendwelche Leute, die Euch einreden wollen, ein kürzeres Zoom liefere "bessere Qualität". Oder wenn Ihr ein 1,4/50 haben wollt, dann nehmt ein preiswertes Exemplar und schaut nicht auf die schweren und teuren Luxus-Modelle. Für das gesparte Geld könnte Ihr gleich noch ein weiteres Objektiv oder ein Stativ kaufen - und das bringt Euch wirklich zusätzliche Möglichkeiten.
Wenn man erst mal in der Sache "drin" ist, können sich konkretere Anforderungen ans Equipment ergeben oder der Wunsch, nach Optimierung aller anderen Parameter jetzt noch das i-Tüpfelchen in Sachen Qualität zu bekommen. Wenn man weiß, was man braucht, kann man immer noch vergleichen und ggfs. was Teureres nachkaufen (und das ist dann sehr wahrscheinlich nicht dasselbe, was man ohne eigene Erfahrung und nur auf Rat von Testern gekauft hätte).