Ja, das mit der Wahrheit/Wirklichkeit in der Fotografie ist so eine Sache.
Auch wenn man versucht alles möglichst neutral zu dokumentieren so funktioniert es im Endeffekt doch nicht. Fotografien können immer nur ein Subjektiver Eindruck des Erlebten sein. Allein schon durch die Wahl des Ausschnitts, Moments, Fokus, Belichtung, Film (bzw. Look im digitalen) wird der "neutrale" Blick mit einer subjektiven Note versehen.
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Selbstverständlich ist das mein persönlicher Seheindruck und ich kann mich lediglich bemühen, dabei möglichst objektiv zu sein. Und selbstvertändlich - so wie Du sagst - ist ein Foto immer nur eine subjektive Sicht auf ein Ereignis resp. Motiv. Aber genauso wie jemand die Texte eines Autors gerne liest, sieht er sich vielleicht auch gerne die Fotos eines Fotografen an, der eben seine spezielle Sichtweise auf die Dinge hat. Ich finde es genügt, wenn die Fotos ehrlich sind und zumindest die Wirklichkeit nicht verzerren. Ein bisschen färben ist eine subjektive Sicht, aber verzerren wäre unehrlich (wenn es einen dokumentarischen Anspruch überhaupt gibt).
Ob die Fotos digital oder auf Fotopapier ausbelichtet in einem Museum lagern halte ich für nicht so bedeutend. Der Unterschied von einem Negativ zum ausgearbeiteten Foto besteht darin, dass das vergrößerte Foto dann noch etwas bearbeitet ist. Das Negativ ist also nicht das Endergebnis, also erst das Papierbild. Beim digitalen Bild kann ich aber sowieso die Bilddatei bearbeiten und die kann man dann ja ausdrucken und bei korrekter Farbabstimmung wird das Ergebnis jedes Mal exakt gleich sein.
Wie es alllerdings dann mit dem Wert des einzelnen Ausdrucks ausschaut - was wohl das primäre Problem dabei ist - so wäre möglicherweise ein Exemplar, das vom Fotografen handsigniert ist, dann ein wertvolleres Original, alles andere nur Kopien, die zwar genauso ausschauen, aber eben nicht den selben Sammlerwert haben.
Bislang war es eigentlich zumeist immer so, dass das besonders bemerkenswert und wertvoll war, was schwierig zu realisieren war oder was schlicht nur von Wenigen fotografiert wurde. Beispielsweise die großartigen Fotos von Cartier-Bresson sind wohl primär deswegen so großartig, weil es eine Zeit zeigt, in der Fotos von Alltagsszenen eher sehr rar sind. Wenn es vielleicht 100 Ftoografen gegeben hatte, die einigermaßen bedeutender waren und Ähnliches gemacht haben, war halt er einer der besten davon und deswegen werden seine Fotos immer gezeigt.
Fotos in der Qualität jener von Cartier-Bresson entstehen heute sicherlich Dutzende täglich eben mit einem iPhone oder auch mit sehr einfachen Kameras. Cartier-Bresson hatte ja auch zu einer Zeit mit der Leica fotografiert, als diese einfach die kleinste handliche Kamera war und er hat dafür die wegen des kleineren Aufnahmeformats eher schlechte Qualität gegenüber den anfangs noch üblichen Mittelformatkameras in Kauf genommen.
Cartier-Bresson würde heute vermutlich mit einer kleinen Kompaktkamera fotografieren und sicher nicht mit einer klobigen Leica M.
Sportaufnahmen waren früher extrem schwierig. Zumindest vorerst für Sportarten, die sich innerhalb definierbarer Bereiche abspielen wie Autorennen, Weitsprung oder Ballspiele kann ich mir vorstellen, dass man da viele Kameras aufstellt, die über Motiverkennung bestimmte Spieler - und vor allem den Ball - im Blickfeld halten und einfach pausenlos Aufnahmen machen. Die Redaktionen werden das dann so bekommen wie heute die Fernsehsender die Videoaufnahmen.
Sportfotografie wird sich also sicherlich in fünf Jahren schon weitestgehend erledigt haben, was die großen Veranstaltungen anlangt und wird damit für den Profi zunehmend weniger interessant werden.
Dazu kommen dann alle Nebenbei-Fotografen - ich meine damit nicht einmal die ernsthafteren Amateure -, die selbst durch Teilnahme am Internet schön langsam nicht nur einen Blick für gute sondern auch für interessante Fotos entwickeln. Diese werden sie dann gleich anbieten können. Sofern es das nicht schon gibt, wird es sicherlich bald fürs iPhone eine App geben mit der man ein Foto an eine Auswahl von Bildagenturen oder Zeitungen schicken kann, wenn man gerade was Spannendes fotografiert hat.
Wie Du sagst, wird sich sicherlich das Berufsbild des Fotografen in Medien in die Richtung des Bilder auswählenden Fotoredakteurs wandeln. Der Fotograf als solcher wird eigentlich nicht mehr stark gebraucht werden.
Das von Dir genannte Problem für die Magnum-Fotografen kenne ich auch von einigen Fotografen, die früher große Bildreportagen für Stern & Co. gemacht hatten. Das gibt es praktisch nicht mehr und das Geld dafür schon lange nicht. Früher wurde ein Fotograf ein halbes Jahr nach Afrika geschickt, damit er bei seiner Rückkehr eine Auswahl von 12 Bildern in einer Reportage verarbeiten kann. Dieses Geld ist längst nicht mehr vorhanden oder will zumindest niemand mehr zahlen.
Die Situation früher war auch so, dass wenn man Fotos in Indien machen wollte, man dafür einen Fotografen aus Europa oder USA hinschicken musste, weil es dort niemanden gab, der anständige Fotos abliefern hätte können. Heute beauftragt man einfach einen Fotograf in Indien damit.
Für Fotografen wird also bald nur noch das bleiben, wo Otto Normalknipser nicht hinkommt. Also beispielsweise Homestorys von Prominenten oder Portraits von Leuten, die nicht oft in der Öffentlichkeit zu sehen sind. Sehr viel wird es jedenfalls nicht mehr sein. Vielleicht noch einige wirklich außergewöhnliche Reportagen. Ansonsten halt alles, was nicht für viele sehr interessant ist, also beispielsweise Fotos von Ereignissen in der Region für die Bezirkszeitung, was auch zunehmend von Amateuren nebebei gemacht wird. Oder zumeist jedenfalls nicht mehr von Fotografen sondern gleich von den Schreibern, die eine Kamera dabei haben.
Von einer großen Tageszeitung in Deutschland weiß ich, dass die schon seit den ersten Digital-Videocamcordern einige Schreiber zu weniger wichtigen Terminen damit hingeschickt hatten. Die hatten die Kamera einfach in die Richtung gehalten und die Fotos wurden dann als Standbilder aus dem Video herausgenommen. Das ist inzwischen schon 15 Jahre her. Heute geht es schon mit jeder Kamera mit der Serienbildfunktion.
Technisch ist Fotografieren heute kaum mehr ein Problem. Die letzte Schwierigkeit waren immer noch Situationen mit wenig Licht, weil Blitzaufnahmen dann doch etwas schwieriger sind. Mit den empfindlichen Kameras heute geht es in exzellenter Qualität auch ohne Blitz. Jeder der zumindest weiß, was er im Bild haben will kann das heute in sehr guter Qualität machen. Um mehr geht es zumindest für Presse-Verwendung sowieso nicht. Das muss ja nicht künstlerisch wertvoll sein. Die meisten der berühmten Pressefotografen haben garnicht so tolle Fotos gemacht nach klassischen Kriterien. Die hatten einfach nur die richtige Geschichte fotografiert. Mehr braucht man nicht. Früher musste man halt auch dort sein. Heute ist überall wo mehr als zwei Leute dabei sind zumindest einer, der eine Kamera dabei hat und wenn es nur ein iPhone ist.
Für Berufsfotografen wird es vielleicht schon bald so sein wie schon längst für Schuster: Die meisten kleben dann nur noch neue Absätze mit einem Stand im Einkaufs-Center und einige wenige machen Massschuhe und werden damit erfolgreich. Im Mittelbereich wird sich evtl. schon bald nicht mehr viel abspielen.
Das wären also meine - zu sehr umfangreichen - Gedanken dazu in der Hauptsache. Du hast sicherlich recht, dass künftig primär der Bilder auswählende und Bilder findende Bildredakteur besonders interessant sein wird. Aber mit Fotografieren hat das dann halt nichts zu tun.