Die Leute hier sind Fotografen, sie sehen Bilder anders als Normalsterbliche. Genauso wie Musiker Musik anders hören oder Schriftsteller Texte anders lesen.
Der Umstand, den Hintergrund zum Bild erklären zu müssen, ist ein eindeutiges Zeichen dafür, daß das Bild eben nicht das für Außenstehende zeigt, was es eigentlich zeigen sollte. Und weil es das nicht zeigt, wird die Aufmerksamkeit des Betrachters auf andere Dinge gelenkt, die ihm wichtig erscheinen ... bei Fotografen eben handwerkliche Aspekte.
Du gestattest sicher, daß ich dir ENERGISCH widerspreche. Deine Sicht scheint mir doch etwas einseitig, denn noch findet Kommunikation zwischen ZWEI Seiten - einem Sender und einem Empfänger - statt. Wenn der Empfänger taub is, dann funzt das nunmal genausowenig, wie mit einem stummen Sender. Isso, glaub mir

Deiner Behauptung, Fotografen sähen "Bilder anders als Normalsterbliche", widerspreche ich ebenfalls und nicht weniger energisch. Wenn du wirklich sehen lernen willst, dann geh Spaßes halber mal in einen Aktkurs und lern zeichnen. Wenn du das ein oder zwei Semester durchgehalten hast, dann weißt du auch, wovon ich rede - vorher nicht, sorry.
Ich sage das nicht ohne Grund, denn die Erfahrung, die ich hier gemacht habe, ist, daß viele, allzuviele hier fast so blind sind wie'n Maulwurf. Wenns um die eigenen Bilder geht, halte ich das noch am ehesten für entschuldbar, denn da ist man - infolge des eigenen Engagements - betriebsblind, sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Das geht wohl jedem so.
Schlimm wirds aber, wenn - wie (nur als Beispiel) im SmallTalk-Rätsel "Wo ist das?" geschehen - man mehreren Berufsfotografen ein Foto mit einem Typen zeigt, der deutlich erkennbar auf einem Schiff in einer Schleuseneinfahrt sitzt und die versammelte Fotografenmeute trotz allem meint, der Typ säße auf dem Balkon vor seinem Gartenhaus. Und das, obwohl man sie mehrfach auf die Mole, die Poller, das Wasser und den Rettungsring hingewiesen hatte.
So einfach ist das also nicht, mit dem Sehen und Erkennen. Einverstanden?
Schorschis Bild zeigt genau das, was zu seiner Geschichte passt! Nicht mehr und nicht weniger! Aber um das zu verstehen, muß man vielleicht schon einmal in einer zumindest ähnlichen Situation gewesen sein. Es geht hier übrigens NICHT darum, mit der moralischen Betroffenheitskeule in der Gegend rum zu fuchteln. Es geht nur darum, ob man Erfahrung in solchen Dingen hat oder nicht.
Woher ich das alles weiß? Ich spreche aus Erfahrung.
Ich habe solche Situationen zwischen Leben und Tod schon zweimal durchlebt: einmal als Angehöriger, als ich meine Mutter (nur) sieben Wochen lang auf ihrem letzten Gang begleitet habe. Das zweite Mal war ich selbst betroffen. Und von daher weiß ich auch, wie sehr man sich einerseits danach sehnt, sich anderen mitteilen zu können, sich jedoch andererseits und gleichzeitig nicht überwinden kann, mehr als unbedingt nötig zu sagen - weil man viel zu viel zu verarbeiten hat. Schorschis Bild hat all diese Erinnerungen in mir wieder wach werden lassen - mehr möcht ich dazu nicht sagen.
Schorschi hat mit dem Bild den Nagel auf den Kopf getroffen. Nur ihr habts halt nicht verstanden, weil ihr ständig mit Handwerk beschäftigt seid, wo es um Kopfwerk geht. So seh ich das!
Genau darum gings doch die ganze Zeit, haste das denn nich gemerkt?Es geht hier in der Galerie eben nicht um nur Bilder zeigen und "gefällt" oder "gefällt nicht" drunter zu setzen.
Hier geht es primär darum, sich mit Bildern auseinanderzusetzen und ihre Stärken und Schwächen zu analysieren, und zwar unter Berücksichtigung der Intention des Fotografen.
