Au ja, die alte Grundsatzdiskussion! Ich dachte, die wäre mit dem Tod des Piktorialismus in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts obsolet geworden.
Ein Bromöldruck ist der Prozess-Overkill derjenigen, die der bloßen Fotografie nicht die Kraft zutrauen, Kunst zu produzieren. Die glauben, der Künstler müsse von Hand eingreifen, zusätzliche Schritte müssten die "mechanische Abbildung" aufwerten, ihr Seele geben. Die Gruppe f64 bezog dagegen 1932 sehr eindrucksvoll Position. Ihr Credo, pure Fotografie könne Kunst hervorbringen, favorisierte unmanipulierte Bilder in absolut handelsüblicher Fototechnik (wenn auch virtuos eingesetzt). Ihnen ging es um die Ästhetik der Fotografie, das typisch fotografische. Das Äquivalent zum damaligen Schwarzweiß-Barytabzug vom Großformatnegativ ist heute der Tintenstrahl-Ausdruck von der handelsüblichen Digitalkamera.
In diesem Sinne hat jede Zeit ihre eigene fotografische Charakteristik: Z.B. die fünfziger Jahre mit ihren typischen Agfacolor-Farbtönen, die achtziger Jahre mit ihren satten Fujichrome-Farbtönen, die ersten Hervorbringsel des digitalen Zeitalters mit ihren unnatürlichen Hauttönen und ihren Artefakten - und eben ihrer noch geringen Auflösung. Ein 4-MP-Bild wird in späteren Zeiten unweigerlich die Assoziation "frühe 00er Jahre" hervorrufen. Und das ist gut so.
Die Frage ist, was wird im Rückblick unsere heutige Zeit ausmachen?
Micha