Moin!
Also gut, dann auch noch von mir meinen Senf dazu. Als erstes hier:
Schärfentiefe und Tiefenschärfe sind übrigens gleichbedeutend. Man bevorzugt eher Schärfentiefe, weil es die Tiefe der Schärfe ist und nicht die Schärfe der Tiefe. Ob etwas Hintergrundschärfe oder Freistellung ist hat aber nur etwas mit dem Motiv zu tun.
Diese angebliche Synonymität zwischen Schärfentiefe und Tiefenschärfe wird mir auch immer vorgehalten. Und wenn man das Phänomen als solches meint, würde ich zustimmen, z.B. in Begriffen wie "Spiel mit der Schärfentiefe/Tiefenschärfe" oder so. Wenn man man dann aber in die (physikalische) Beschreibung dieses Phänomens einsteigt, dann würde ich da durchaus unterscheiden. Schärfentiefe ist dann die Tiefe vor und hinter der Fokusebene, in der etwas als scharf empfunden wird. Und Tiefenschärfe wäre das Gegenteil von Tiefen
unschärfe. Um diese immer wiederkehrende Diskussion zu vermeiden, benutze ich möglichst nur noch "Tiefenunschärfe".
Noch ein zweiter Punkt vorweg:
Der Schärfentiefebereich ist eine Toleranzgrenze, die _NUR_ von einem üblichen Betrachtungsabstand ausgeht. [...]
Das würde ich weniger eng eingrenzen. Natürlich gibt es auch eine sinnvoll beschreibbare Schärfentiefe/Tiefenunschärfe auf einem Passbild oder z.B. meinem Avatar-Bild (ich habe das Foto übrigens auch als Poster an der Wand!). Man muss dafür dann eben andere zulässige Zerstreuungskreise annehmen. Und da muss man sich davon lösen, der zulässige Z-Kreis sei immer 1/1500 der Bilddiagonale, nein, er ist 1/1500 der
Betrachtungsentfernung! Nur bei "normaler Betrachtung" aus einem Abstand gleich der Bilddiagonale ist er auch 1/1500 der Diagonale.
Richtig und wichtig ist hier der Begriff Toleranzgrenze! Schärfentiefe/Tiefenunschärfe ergeben sich ausschließlich bei
Betrachtung eines fertigen Fotos durch die begrenzte Auflösung des menschlichen Auges. Alles was kleiner als eine bestimmte Grenze ist, erkennt der Mensch als
scharf. Eine Bilddatei/ein Negativ hat keine Schärfentiefe, sondern nur einen "Schärfeverlauf". Wieviel am Ende als scharf oder unscharf empfunden wird, hängt von der Betrachtung ab.
Und jetzt zu "
Luminous Landscapes". Er nennt seine Abhandlung "Testing the Theory", aber genau das tut er nicht. Die einfache Theorie der Schärfentiefe gilt unter bestimmten Voraussetzungen. Wenn die nicht eingehalten werden, verlässt man die Theorie und die Ergebnisse brauchen gar nicht zu stimmen. Wenn man aber die Theorie erweitert und die falschen Voraussetzungen berücksichtigt, ergibt diese "angepasste" Theorie exakt das Ergebnis, das er auch gefunden hat. Und insofern widerlegt er die Theorie nicht, sondern er bestätigt sie, ohne es zu merken.
Und das bedeutet im Fall des
unscharfen Fernsehturms: In den ersten 6 Vergleichsfotos hat er mit Brennweiten zwischen 400mm und 17mm zeigen wollen, dass die Schärfentiefe nur vom Abbildungsmaßstab abhängt. Das ist theoretisch zwar annähernd richtig, aber auf den Bildern gar nicht zu erkennen. Der "Gremlin" bleibt scharf, der relativ nahe Stoffhund wird langsam unschärfer (aber das ist ein Effekt der immer kürzer werdenden Entfernung zur Kamera), der entfernte Hintergrund wird schnell schärfer. So weit alles richtig und genau entsprechend der Theorie.
Für die Fälle mit 17mm und 100mm Brennweite habe ich den Schärfeverlauf im ersten Anhang berechnet. In beiden Fällen f/4 angenommen und Abstände von 0,85m @ 17mm bzw. 5m @ 100mm. Die Abbildungsmaßstäbe sind in beiden Fällen gleich (1:49), die Schärfentiefe näherungsweise auch (etwa 0,6m), aber der Schärfeverlauf unterscheidet sich erheblich. Der tatsächliche Zerstreuungskreis im weit entfernten Hintergrund ist bei 17mm 3x so groß wie der zulässige Z-Kreis, bei 100mm 18x so groß (in den Tabellen: relativer Z-Kreis @∞).
Mit dem 7. Bild schafft er aber andere Voraussetzungen und vergrößert das 17mm-Bild so stark, dass der Fernsehturm im Hintergrund etwa so groß erscheint wie auf dem 100mm-Bild, also etwa um den Faktor 6. Damit wird für dieses vergrößerte Foto der zulässige Z-Kreis um den Faktor 6 kleiner. Diesen Fall habe ich im 2. Anhang berechnet und man sieht, dass der Hintergrund in beiden Fällen gleich unscharf wird. Man sieht aber auch, dass die Schärfentiefe im vergrößerten Bild jetzt nur noch knapp 10cm beträgt.
Und genau da macht Luminous Landscape den Denkfehler. Im ersten Fall ist die Schärfentiefe gleich, die Tiefenunschärfe aber nicht, im 2. Fall genau andersrum. Aber es sind 2 verschiedene Vergleiche. Damit ist nun keineswegs die Theorie widerlegt, ganz im Gegenteil, sie ist bestätigt, weil sie auch das von ihm beobachtete Phänomen korrekt wiedergeben kann.
Ich weiß, das hat mit schrägen Randstrahlen bei lichtstarken Objektiven nur sehr entfernt zu tun.
Gruß, Matthias