Ich schätze, wir haben beide einen Standpunkt, mit dem man überleben kann, aber der Teufel liegt im Detail...
Sehe ich auch so.
Mag sein, ich kann in den Menschen nicht hineinsehen. Ich gebe aber zu bedenken, dass Kunst auch stören und empören können muss. Wie gesagt, immer in gewissen Grenzen, die ich aber nicht festlegen kann.
Dazu braucht es nicht den Begriff Kunst, es reicht in unnahmlicher Weise das, was desöfteren mit "Mißstände aufdeckendem Bildjournalismus" gemeint istn und ist keine "Kunstform per se". Wenn es bedeutet, das die Kunst darin besteht alte Omis auf der Straße zu erschrecken, frage ich mich, was da alles "gelitten" hat. Dann hinaus auf die Straßen und die Mißstände in den Armutsvierteln dieser Welt aufzeigen, zeigen wie es in den Slums zugeht. Aber alte Omis erschrecken?
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Das könnte natürlich ein Darstellungsproblem sein. In so einer Doku soll natürlich der Action-Teil hervorgekehrt werden und nicht die eventuell manchmal auftretende nachfolgende Diskussion, das Bild wieder zu löschen. Wenn die Nachahmer sich eine solche Doku ansehen, und meinen, das dort gesehene entspräche genau dem, wie es ohne Anwesenheit eines TV-Kamera-Teams im Action-Doku-Mode auch ablaufen würde, ist das vielleicht eine etwas zu einfache Auffassung von der Authentizität der Medien... Ich hoffe, da sind die meisten hier ein bisschen reifer.
Das hoffe ich auch.. allein der Glauben fehlt und das ist auch im Video das Problem. Es geht um den Fotografen und seine Person um nicht mehr. Eben nicht ein Wort, ob es nun alles mit Einwilligung passiert oder nicht. Allein die Anfangsdiskussionen, wenn man es nochmal bedächtig ließt, gehen eher um der Rechte in Amerika soetwas tun zu dürfen... Ich zitiere das nun mal nicht auch noch aus den diversen Posts.
Mir ist da wohl nicht so klar, was Not in dem Fall ist. Ich kann da wirklich nicht folgen. Hier werden verschiedene Verhaltensweisen als Gewalt bezeichnet (und natürlich gibt es neben physischer Gewalt nocht andere Arten), aber als Reaktion physische Gewalt akzeptiert.
.. Ich empfinde es schon als eine Art Gewalt gegen mich, wenn jemand meint gegen mein Wollen Fotos von mir zu machen, die ich nicht
authorisiert habe, wenn ich bildwichtig geworden bin.. alles klar.
Und so sah es bereits die Gerichtsbarkeit selbst in Sachen des Prügelprinzen,
der nach allgemeiner Auffassung sogar eine Person öffentlichen Interesses darstellt und der etwas sehr kurz gegriffenen Verständniswelt eines Diskutanten "also kann ich ja draufhalten", der Prügelprinz eben erfolgreich dem Recht am eigenen Bild auf zweierlei Weisen Geltung verschafft hat.
Letzteres darf meiner Ansicht nach aber, vollkommen egal, was passiert, immer nur die allerletzte Eskalationsstufe sein und nur dann, wenn zuvor ebenso physische Gewalt vom Fotografen ausgegangen ist (oder abgewehrt werden muss).
Nunmal auf den Teppich zurück.. Die Frage ob und wann was nun Gewalt darstellt, ist letztlich immer dann eindeutig, wenn jemand zu erkennen gibt das er nicht will, was mit ihm geschieht. Sei es die Mutter auf dem Spielplatz, die ihre Kinder nicht von Fremden fotografiert wissen möchte und sich vor dem Fotografen aufbaut, sei es der Rocker der nicht will, das er abgelichtet wird, sei es der Bankdirektor der ortsansäßigen Sparkasse, der nackt am Strand herumsteht oder oder oder.
Jeder wird klarmachen, das er das nicht will... wann es zu Gewalt kommen kann, ist eine Frage des persönlichen Benehmens in der Situation. Weigert sich der Fotograf, der andere besteht drauf haben wir das Problem. Es schreit niemand danach und alle werden ihres Weges ziehen, wenn dieses Persönlichkeitsrecht gewart bleibt, "nein ich will das nicht" sagen zu können und dieses nicht erst, wie hier vielfach gefordert, erst mit der Advocard in der Hand gegen Streetfotograf "Unbekannt" durchgesetzt werden muss.
Wenn er einen Passanten festhält und gegen die Wand drückt, um ihn gegen seinen Willen abzulichten z.B. - Aber das ist wieder ein absurdes Beispiel, das weit von realistischen Szenarien entfernt ist. Aber alles geringere darf keine physische Gewalt als Reaktion zur Folge haben.
Sagst Du... Gewalt erzeugt Gegengewalt. Ob diese nun physisch oder psychisch in einem Eingriff in die Persönlichkeitsrecht und vielleicht in der Ohnmacht besteht, dem Fotografen hinterher zu laufen um seiner Personalien habhaft zu werden, können wir beide nicht beurteilen, es handelt sich in gleichem Maße um Gewalt. In beiden Fällen wollen Menschen nicht, das ihnen das eine oder andere ohne ihr Wollen angetan wird.
Wir reden hier ja über Streetfotografie und da ist es wohl unwahrscheinlich, dass man keine Möglichkeit in Reichweite hat, notfalls die Polizei zu rufen, um Anzeige zu erstatten. Das ist ärgerlicher Aufwand und ein Fotograf, der es so weit kommen lässt, hat eindeutig Grenzen überschritten, da sind wir sicher einig. Aber eine härtere Reaktion steht niemandem und unter keinen Umständen zu.
Da sind wir beieinander.. aber die Art der Reaktion hat sich ein uneinsichtiger Fotograf dann eben selbst zuzuschreiben.
Kunst ist oft ein Ärgernis... Das ist eine ihrer Aufgaben.
Seh ich nicht so.. Kunst soll die Menschen erfreuen, aber nicht auf Kosten
Anderer, die an dieser "Kunst" nicht beteiligt sein wollen. Aber wir wollen nicht über ein Kunstverständnis ringen, sondern eher den Umgang miteinander in den Mittelpunkt stellen. Kunst soll ein jeder sehen wie er mag, solange sie nicht darin besteht, Grenzen des Mitteinander nur einseitig für sich zu überschreiten, um seine Vorstellung dieser Welt und dessen was er zu sehen glaubt, zum Inhalt seiner "Profilneurose" zu machen.
Ist zwar nicht Streetfotografie, aber wir hatten vor einem Jahr oder etwas länger hier eine recht erregte Debatte über jemanden, der in einem Altersheim eine Serie von Bildern von Demenzerkrankten und Alzheimer Patienten gefertigt hatte und dazu lediglich die Einwilligung der Pflegeheimleitung (war zufällig wohl seine Lebensgefährtin) auf Nachfrage in die Runde werfen konnte. Es entbrannte eine Riesendiskussion, weil er, ganz Gutmensch, einen Bildband für die Patienten und deren Angehörige zu Weihnachten herstellen wollte.
(Für diejenigen die da nichts so bewandert sind.. es sind zumeist Personen, die ihre eigensten Belange oft nicht mehr selbst wahrnehmen können. Gesetzlich bestimmte Betreuer in Form von Familienangehörigen oder Betreuern von Amts wegen, regeln die Geschäfte und Belange dieser Menschen.)
Es wurden also diese Fotos gemacht, ohne irgendeinen Betreuer überhaupt um eine Erlaubnis zu fragen. Die Menschen konnten das noch nichteinmal mehr selbst entscheiden. Dies ging dann soweit, das eben genau solche Aspekte wie "Sie hat doch in die Kamera geguckt", sich sogar noch das Haar zurechtgebürstet etc.. als Legitimation für den fortgesetzten Rechtsverstoß in die Runde geworfen wurde.
Hier geht es in extremem Maße um Leute, die sich selbst nicht davor schützen können, was mit Ihnen durch Dritte passiert.
Warum führe ich ein derartiges Beispiel an?
Weil es leider nach meiner Erfahrung ein Beispiel dafür ist, warum man immer und immer wieder diese moralische Instanz für das eigene Handeln aufgezeigt bekommen muss. Wie dieses Beispiel zeigen mag, sind das die zu erwartenden Auswüchse, denen bereits am Anfang begegnet werden muss.
Dies bedeutet keinesfalls, das jeder der auf der Straße fotografiert, nun seine Kamera im Rucksack lassen sollte weil er dies oder das ja nicht wissen kann.
Aber er sollte zumindest in Betracht ziehen, ob sich jemand in eben diesen Persönlichkeitsrechten so stark beeinträchtigt fühlt das er auf Löschung besteht. Diese moralische Instanz ist es, an die der Streetfotograf sich in Abwegung seiner eigenen und der Interessen der/des Anderen immer erinnern sollte um so jeder Eskalation und jeder Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen. Durch seine Initialhandlung, eine ungefragtes Bild zu erzeugen, dringt er immer in den Persönlichkeitsbereich eines Menschen vor, ob nun auf der Straße oder sonstwo. Und nur da, wo beide einverstanden sind, ist ein gutes, mangelfreies Bild zu erwarten.
LG
Hinnerker