Scotty‘s Castle
Der Weg dorthin
Nach einer weiteren Nacht auf der Furnace Creek Ranch zu einer ganz anderen Baustelle. Kannst du eigentlich wörtlich nehmen. Waren wir eben noch im Süden des Death Valley unterwegs, fahren wir jetzt nach Norden, um Scotty‘s Castle im Nordosten des Death Valley unsere Aufwartung zu machen. Obwohl Scotty‘s Castle ein wenig abseits liegt, wird es doch jährlich von etwa 100.000 Touristen besucht.
Nein, das ist nur bedingt richtig. 2015 brach wieder eines der seltenen, aber umso furioseren Unwetter über Death Valley herein, von denen ich schon geschrieben habe. Im Grapevine Valley kam es zu dramatischen Sturzfluten, die nicht nur die Zufahrtsstraße über Kilometer wegrissen, sondern auch einige Teile des Castles schwer beschädigten. Das Besucherzentrum beispielsweise wurde von einer Schlammlawine sogar innen ein Fuß hoch zugeschüttet.
Eine Wiedereröffnung ist frühestens 2020 wieder möglich, wahrscheinlicher ist der Herbst 2021. Es gibt aber einige Leute, die zweifeln, ob überhaupt die Mittel aufgebracht werden können, um das komplette Objekt wieder zu sanieren. Wir aber können liefern, wenigstens ein paar Bilder.
Die Fahrt zum auf 919 m Seehöhe gelegenen Schloss kostet bereits bei der Planung einige Überwindung, liegt Scotty‘s Castle doch weitab der üblichen Routen. Deshalb fällt dieses interessante Bauwerk bei den meisten Touristen leider durch den sprichwörtlichen Rost. Dazu kommt noch, dass die bereits besprochenen und fast 60km nach Norden reichenden Mesquite Flat Sand Dunes – bei unserer Hinfahrt linkerhand – manchmal wochenlang über die Zufahrtsstraße wandern. Dann ist kein Durchkommen. Wir brauchen also auch Glück. Und wir haben Glück.
Der blaue Himmel spiegelt sich im Schwarz unseres Dodge Charger. Ah ja, Charger: Wir mussten mehrfach den Wagen wechseln. Der Chevy Impala brauchte nach ein paar hundert Meilen bereits einen Ölwechsel, obwohl wir schon bei der Leihwagen-Bestellung auf die Länge unserer Reise hingewiesen und einen Wagen erbeten hatte, der nicht kurz vor dem nächsten Service stehen sollte. „Manchmal hast auch Pech.“ In unserem Fall „Glück“: Der Charger war unter all den Leihautos das, das uns die meiste Freude bereitete.
Wir benötigen für die 60 km von Furnace Creek aus eine Stunde; den größten Teil der Strecke wühlen wir uns durch Sand und Steine, die keine markanten Gesteinsformationen zur Orientierung oder optische Abwechslung bieten.
Nach einer Dreiviertelstunde Fahrt durch die Wüste plötzlich die Überraschung: grüne Bäume vor strahlend blauem Himmel.
Der letzte Teil der Fahrtstrecke allerdings entschädigt mit augenfälliger Opulenz, wie du hier andeutungsweise sehen kannst.
Kurz danach sind wir am Ziel. Der riesige Parkplatz liegt in der Sonne, die unser Auto bis zur Abfahrt beinahe auf Siedetemperatur bringen wird.
Schon die optische Präsenz von Scotty‘s Castle ist skurril. Spanisch-mexikanischer Stil mit maurischen Elementen in soliden Beton gegossen. Scotty‘s Castle wird dir aber noch viel skurriler erscheinen, sobald du seine Geschichte betrachtest. Die sucht wahrlich ihresgleichen.
Sieht aus wie gleich nach der Zugbrücke. Weit gefehlt, es ist nur ein dekorativer Nebeneingang, der so gut wie nie genutzt wird. Aber er zeigt ganz gut die Absicht des Erbauers.
Scotty's Castle - die Geschichte
Den Namen trägt das „Schloss“ nach
Walter E. Scott („Death Valley Scotty“), der es zwar nur verwaltete, aber gerne erzählte, es gehöre ihm. Scott war ein Abenteurer, aber auch zwielichtige Figur. Er reiste von 1890 bis 1902 mit
Buffalo Bill Cody‘s Wild West Show als Stuntreiter in der Weltgeschichte umher, bevor er seine eigene „Geschäftsidee“ verwirklichte: Er überredete reiche Geschäftsleute, Geld in seine Goldmine im Death Valley zu investieren, von der er behauptete, sie sei Millionen wert. In Wahrheit gab es „seine“ Goldmine überhaupt nicht.
Einer dieser Investoren war
Albert Johnson, ein millionenschwerer Versicherungsmagnat aus Chicago. Zwischen Walter Scott und ihm entstand eine lebenslange Freundschaft, wie sie seltsamer nicht sein hätte können: auf der einen Seite der hochgeachtete, religiöse Johnson – auf der anderen der raubeinige Betrüger Scott, der wohl sehr viel Charme in diese Freundschaft eingebracht haben muss.
Johnson investierte tausende Dollar in die imaginäre Mine, ohne dass diese irgendeinen Ertrag abwarf. Darauf beschloss er, sich die Goldgrube persönlich anzusehen. Trotz seiner durch Asthma angegriffenen Gesundheit reiste er 1904 ins Death Valley, wo ihm Scott ausgiebig das ganze Tal zeigte, selbstverständlich ohne Mine. Johnson muss Scotts offensichtlichen Betrug erkannt haben – und blieb trotzdem lebenslang sein Freund. Das trockene Klima tat ihm gut, sodass ihn sein Asthma nicht mehr so stark quälte. Überdies liebte er die Geschichten und Witze, mit denen Walter Scott ihn unterhielt.
Er fuhr nach einem Monat bei guter Gesundheit und bester Laune zurück nach Chicago – und schickte weiterhin Geld. Er besuchte ab damals das Death Valley regelmäßig, wobei ihn meist seine Frau begleitete. Ein Jahrzehnt später kaufte er fast 5 km² Land am Grapevine Canyon, welches über eine der seltenen Wasserquellen des Gebietes verfügte. Das Landstück lag etwa 900 m über dem Meeresspiegel und eignete sich für den Asthmatiker als erholsamer Aufenthaltsort. Johnsons Frau initiierte in den 1920ern den Bau des „Schlosses“. Über 2,5 Mio. USD investierte Johnson insgesamt in die „Death Valley Ranch“, wie die Anlage zunächst hieß.
Üppige Anlage, …
… erst bei genauem Hinsehen sieht man: alles Beton, recht grob verarbeitet. Aber wahrscheinlich steht es genau deshalb heute noch.
Innen allerdings teilweise prachtvoll, auch hier maurischem Stil nachempfunden.
Viele Berühmtheiten der damaligen Zeit besuchten das groß angelegte Schloss. Walter Scott führte sie herum, erzählte Geschichten und die „Death Valley Ranch“ wurde so langsam zu „Scotty‘s Castle“. Albert Johnson, den Besitzer, störte das nicht; Er meinte nur „He repays me in laughs.“ („Er zahlt es mir zurück, indem er mich zum Lachen bringt.“) Wie tief die Freundschaft zwischen Johnson und Scott gewesen sein muss, kann man auch daran erkennen, dass es im ganzen Wohntrakt kein einziges Gemälde von Johnson und seiner Frau Bessie gibt, wohl aber mehrere, die Johnson und Scott gemeinsam zeigen. Auch trägt das Besteck von Scotty‘s Castle die Gravur „J und S“ („Johnson und Scott“).
Hinter und neben all dem glühend heißen Stein findet sich reichlich grüne Vegetation. Schließlich gehört auch eine ergiebige Wasserquelle zum Anwesen, die übrigens auch mittels Generator unter Verwendung einer der wenigen original Pelton Turbinen den Strom erzeugt.
Der Börsencrash 1929 traf Albert Johnson schwer, seine Versicherungsgesellschaft ging 1933 bankrott. Er konnte den Bau des Schlosses daher nicht mehr beenden. Albert Johnson starb 1948. Da die Johnsons keine Kinder hatten, vererbten sie das Schloss der religiösen Gospel Foundation und erteilten Walter Scott ein lebenslanges Wohnrecht. Nach seinem Tod – er starb 1954 und überlebte also seinen Freund und Gönner um 6 Jahre – wurde Walter Scott in einem Hügel oberhalb „seines“ Castles begraben. Ein Weg führt heute noch zu seiner Grabstätte.
Seit 1970 steht Scotty‘s Castle im Eigentum des National Park Service. 850.000 USD wurden dafür bezahlt, also nur ein Bruchteil der seinerzeitigen Baukosten.
Niedergang und Wiederauferstehung
Wie ich schon eingangs erwähnte, toben im Death Valley Unwetter. Selten aber wenn, dann heftig. Auch Scotty‘s Castle war davon schon mehrfach betroffen. Ganz dick kam es 2015, als ein Gewittersturm massive Schäden hervorrief. Wasser und Schlamm in nahezu alles Bauten; in manchen sogar kniehoch. Die Schlossanlage musste gesperrt werden. 2019 wieder ein krasses Unwetter, das auch noch einige Kilometer der Zufahrtsstraße wegriss. Die zaghaft begonnenen Renovierungsarbeiten mussten auch eingestellt werden. Als 2019 dann noch einige Außengebäude ausbrannten, schien das Schicksal besiegelt.
Bei uns würden in einem solchen Fall wahrscheinlich öffentliche Mittel einen Wiederaufbau unterstützen. Nicht so in den Vereinigten Staaten. Dort erodieren auch andere Baudenkmäler mangels Mittel. Beispiel gefällig? 1961 vermachte Helen Hooper Brown ihren gesamten und beträchtlich großen Landbesitz im Big Sur dem Staat mit der Auflage, in dem Gebiet einen State Park zu errichten und nach Julia Pfeiffer Burns zu benennen. Bedingung im Schenkungsvertrag: Im traumhaft gelegenen Haus der Browns sollte ein öffentlich zugängliches Museum errichtet werden. Das Haus war damals bereits großzügig mit Sammlerstücken ausgestattet. Würde das Museum nicht binnen fünf Jahren ermöglicht, sollte das Haus abgerissen werden. 1966 kamen die Bagger und schoben das Haus in darunter liegende Meer. Helen Hooper Brown starb erst 1977, sie konnte das alles noch miterleben, wiewohl sie damals nicht mehr dort wohnte.
Es hieß jahrelang, man werde Scotty's Castle mangels Mittel kaum wiedereröffnen können. Aber irgendwie, mittels der bis dahin eingenommenen Eintrittsgelder und einiger privater Spender, konnten große Teile dieser Sehenswürdigkeit 2024 wieder zugänglich gemacht werden. Die Arbeiten sollten 2026 abgeschlossen sein. Wenn Ihr im Death Valley seid, nehmt euch die Zeit für einen Besuch!
Seit kurzem ist Scotty's Castle auch virtuell zugänglich
Solltest Ihr niemals persönlich ins Death Valley kommen können, so gibt es derzeit auch eine
Virtual Reality Tour of Scotty’s Castle, die einen ganz guten Überblick und viele Einblicke ermöglicht.