Ein Weißabgleich ist damit dann eigentlich gar nicht mehr nötig, denn durch das Kalibrieren sind die Farben nun ja bereits so, wie sie sein sollen, z.B. wird das Rot, dass auf der Karte z.B. bei 650nm Wellenlänge liegt nun auch im Bild als 650nm erkannt.
Sobald das Bild irgendwie von dem Licht abweicht, bei dem man den ColorChecker fotografiert hat (das gilt besonders für Profile, die man etwas universeller einsetzt und nicht nur in einer einzigen Situation), braucht man dann wieder den Weißabgleich.
Das Entscheidende am Profil des ColorChecker ist nicht der Weißabgleich, sondern die Bewertung der Farben relativ zueinander. Also z. B. das Rot auf der ColorChecker-Tafel wird nicht als exakte Wellenlänge gespeichert (das würde gar nicht gehen, weil es ja auch Mischfarben gibt), sondern als Abweichung von den Neutralgraufeldern.
Die größten Vorteile hat ein individuelles Kameraprofil im Zusammenhang mit "schwierigen" Lichtquellen, z. B. Energiesparlampen. Unter Tageslicht ist der Nutzen des ColorChecker geringer, weil hier meist schon die Voreinstellungen des RAW-Konverters gut passen.
Was nun aber, wenn ich doch gerade den Farbstich will? Warum quäle ich mich um 4Uhr morgens aus dem Bett oder laufe um 20Uhr abends draußen rum anstatt endlich zu Abend zu essen, nur um das warme, rotstichige Licht zu erwischen, wenn ich den gewünschten roten Farbstich dann hinterher in der Farbkalibrierung entferne.
Wie gesagt: Den Weißabgleich kannst Du auch abweichend vom Grau des ColorChecker einstellen; die Verwendung eines selbst erstellten Profils ist vom Prinzip her ja nicht anders, als würde man die mitgelieferten Profile des RAW-Konverters benutzen.
Aber Du hast natürlich recht, dass der Nutzen der individuellen Kameraprofilierung mittels ColorChecker dabei auch nicht sehr groß ist. Die Kameraprofilierung hat ihre Stärke, wenn es um Reproduktion und Katalogfotografie geht und/oder wenn man mit miesen Lichtquellen arbeiten muss. Für die allgemeine und kreative Fotografie lohnt der Aufwand nicht.
Im Fall des Sonnenaufgangs geht es letztlich darum, den subjektiven Eindruck, den der Mensch davon hat, in ein Bild umzusetzen. Dazu muss man wissen, dass das menschliche Auge diue Farbtempeaturen unterhalb oder oberhalb einer gewissen Grenze nicht mehr kompensiert. (Dasselbe gilt übrigens für die Helligkeit.) Diese Grenzen sind sogar bei jedem Menschen etwas anders. Mit Messtechnik kommt man da nicht weiter.