(...) Ich dacht mit 400 kann ich schon viel machen, bin aber doch enttäuscht. Nicht von der Abbildung, sondern das ich nicht nah genug an die Tiere ran komme. (...)
Bevor wir über Objektive reden, erst einmal in aller Klarheit: Neulinge überschätzen in grotesker Weise die "Tragweite" von Telebrennweiten: Vor dem ersten Ausprobieren glauben sie, dass man mit diesen weißen Telekanonen einfach mal eben das Vöglein auf der anderen Straßenseite oder das Reh mitten auf dem Acker so schön formatfüllend fotografieren kann, wie man das auf den vielen Tierbildern immer sieht.
Falsch!
Du hast jetzt 400mm Brennweite vermutlich an einer Kleinbild-DSLR. Damit steht Dir dieselbe Vergrößerung zur Verfügung, mit der zu Analogzeiten die Mehrzahl der Naturfotografen auskommen musste - und auch konnte. Warum? Weil ihre Bilder nicht nach der Methode
"da weit hinten ist das Tier - knips, ich hab's!" entstanden, sondern als Ergebnis mühsamer und zeitraubender Annäherung an das Motiv, z.B. durch Anschleichen oder Ansitz am Futterplatz. Dazu brauchten sie jahrelange Erfahrung und gute biologische Kenntnisse.
Heutzutage ist die Technik viel weiter und 600mm an APS-C ergeben immerhin einen kleinbildäquivalenten Bildwinkel von 960mm. Hinzu kommt, dass die scharfen Objektive und Sensoren gewaltige Ausschnittvergrößerungen gestatten und dann immer noch ordentliche Qualität liefern. Also hast Du mit Deiner Ausrüstung schon jetzt einen großen Vorteil gegenüber der Analogzeit, weil Du heftig croppen kannst und somit vergleichsweise mindestens doppelt so viel Brennweite verfügbar hast wie sie.
Und trotzdem bist Du zu weit von den Tieren weg... Nur mal so als Selbststest: Wenn Du von Deinen gelungenen Bildern einen 50%-Crop machst - das entspräche vom Bildwinkel her ungefähr einer Verdopplung der Brennweite - wäre dann das Motiv so groß, wie Du es Dir wünschst? Oder immer noch winzig klein? Ich vermute letzteres.
Denn auch heute noch, trotz moderner Superteleobjektive und Kameras, müssen die Naturfotografen meistens viel näher an das Motiv herangelangen, als es bei Zufallsbegegnungen gelingt. An einen Singvogel musst Du allermindestens auf acht bis zehn Meter, an einen Greifvogel auf zwanzig Meter, an ein Reh auf fünzig Meter herankommen, damit Du ein brauchbares Bild erhältst.
Also erste Empfehlung: Lernen und Üben: Wo die Tiere sind, wie sie sich verhalten, wie man sie entdeckt, wie man sich tarnt, wie man schnell reagiert.
Und erst als zweite Empfehlung: Kauf' Dir einen engeren Bildwinkel!
Ich würde erst einmal eine schnelle APS-C-Kamera anschaffen, z.B. eine Canon 70D, 7D oder 7DmII. Dann sieht das Tier schon mal größer aus! Natürlich kannst Du auch ein neues Objektiv anschaffen, aber nun wird's wieder bitter: Meine erste Empfehlung wäre das exzellente Canon 100-400 II, aber das ist nicht länger, sondern nur schärfer und schneller als Dein schönes 70-200mII plus Konverter. Und die 150-600mm-Zooms sind für sich genommen zwar eine feine Sache, aber sie sind auch groß und schwer und daher auf der Pirsch nur etwas für Enthusiasten. Zudem sind 200mm mehr gar nicht so gewaltig, wie man denken sollte. Dasselbe gilt für lichtstarke Festbrennweiten wie 2,8/300 + TK oder 4/500: klar, fantastische Linsen, aber auch gewaltige Klötze, deren Beherrschung viel Übung verlangt.
Daher mein Fazit: Versuche es erst einmal mit einer APS-C-Kamera und entweder Deinem vorhandenen Objektiv oder einem der 150-600mm-Zooms - das Tamron ist inzwischen extrem preiswert. Das kostet nicht zu viel und bringt Dich schon weiter. Aber dann kommst Du um Lernen und Üben nicht herum, da hilft Dir keine Technik. Und wenn Du - wie viele andere auch - dabei feststellst, dass Du diesen Einsatz nicht bringen willst, hast Du wenigstens kein Vermögen herausgehauen.
Letzter Hinweis: Wenn man leicht und unbeschwert zu mäßigen Kosten mit gewaltigen Brennweiten unterwegs sein will, sind hochwertige Bridgekameras wie z.B. die Nikon Coolpix P900 eine großartige Sache: Mit deren superengen Bildwinkeln kommt auch der Anfänger recht schnell zu Erfolgserlebnissen und ansehnlichen Bildern. Das Profiequipment läuft einem ja nicht weg, das kann man immer noch beschaffen, wenn die Tiere nicht mehr immer so weit weg sind.
Nur meine Meinung.
