Dein zweiter Versuch gefällt mir deutlich besser als der erste, was den Bildaufbau angeht und ganz formal. Die Frage ist aber vielleicht immer auch was man will. Erschließt sich die Bildidee hier, folgt dir der Betrachter? Mein (vielleicht auch falscher) Eindruck wäre, du dokumentierst hier umfassend eine Szene die du toll findest und packst alles rein was dazu gehören könnte. => Abstraktion
Ich würde dir ein paar Kleinigkeiten zum Üben von Komposition und Bildaussage raten:
Zerlege doch mal diese vielen Elemente in Teilthemen und arbeite sie isolierter ab. Geh erst im nächsten Schritt dann in die Totale. Ich frage mich bei deinem letzten Bild zB warum dein Motiv so "entrückt" ist und ob dies deiner Bildaussage zuträglich ist? Du willst vielleicht einfach noch zuviel auf einmal. Alleine die Spiegelungen im Bus wären hier ein Thema für mich beispielsweise. Es gäbe in deinem Bild fast unendlich viele spannende Momente und Subthemen zum Üben. Sogar die geschmähten Schilder in dem Licht wären spannend für mich. Ich verstehe dies jetzt auch nur als Übung. Mir ist natürlich klar, dass dies nicht in deiner Absicht lag mit dem Bild. Macht aber vielleicht genau daher Sinn sich dem mal vorsätzlich anders zu nähern. Einfach damit du in so einer Totalen wirklich wichtiges besser heraus arbeiten lernst und – für deine Bildaussage – unwichtiges eliminieren.
In deinem Bild bin ich als Betrachter etwas „lost in information“.
Die zweite Idee geht in Richtung Flächen und Raum „sehen lernen“. Du hast durch das Licht viele sehr präsente (oder zumindest fast gleichwertige) Elemente in deiner Komposition, neben dem illuminierten Haus, welches ja dein zentrales Thema scheint. Das Gebäude, die Bäume, alles was beleuchtet wird. Kompositorisch ist das durchaus machbar, setzt den gestalterischen Schwierigkeitsgrad aber enorm rauf. Du musst die ganzen Dinge dann so rüber bringen und ordnen, dass Rhythmus, Motive und Räume Sinn machen für den Betrachter. Ihn nicht überfordern und sie müssen auch noch „Spannung“ haben möglicherweise. Da ist weniger nicht nur oft mehr, es ist vor allem mit (!noch!) wenig Erfahrung deutlich einfacher zu kontrollieren für dich.
Es ist auch ein wenig wie in der Musik ... die Pause ist genauso bedeutend für das Ergebnis wie der Ton, um es mal bildhaft zu machen. ;-) Versuch daher auch mal die negativen Räume zu sehen und das was sich dort ergibt, indem du das was du zeigen willst einfach ausblendest gedanklich. Hilft enorm.
Du hast neben deinem Hauptmotiv zwei sehr dominante Flächen die erschlagen können, oder einfach etwas unbelebt massiv wirken. Himmel über dem Haus und vor allem die Straße. Die Straße ist aus der Perspektive gar nicht mal nicht unspannend, so bodennah. In der Nachtszene wird mir diese Fläche aber zu wichtig gegenüber der sonst eher ausgewogenen Auffassung.
Mach doch mal ganz viele Bilder aus verschiedenen Perspektiven und vergleiche die Wirkung. Mach dies aber maximal kontrolliert, sprich mit bewusster Entscheidung was du wie zeigen willst. Also nicht den vermutet optimalen Blickpunkt suchen und abdrücken, sondern viele möglichst unterschiedliche, die alle die Szene zeigen.
Zum Schluss mein güldener Tipp, der erst mal albern klingt aber wirklich sehr viel bringt. Wenn du unsicher bist wo es hakt in der Kompositorik, dreh dein Produkt mal auf den Kopf und betrachte es. ;-) Grund dafür – unser Auge idealisiert anhand von gewusstem. Erkanntes wird zum Symbol und das wird in einem Erwartungsraster abgelegt und schöngerechnet. Wenn du also den vertrauten Kontext aufhebst, eben in dem du es einfach kopfüber betrachtest, siehst du kompositorische Probleme oft viel leichter als in der „Normalsicht“ die dich auf falsche Fährten locken kann durch das vertraute und das was du „sehen willst“. Ich komme aus der Malerei und Zeichnung, da ist dies eine weit verbreitete Technik, um schnell die eigenen Fehler zu enttarnen. Hilft hier aber genauso ...
Ich hoffe das ist irgendwie hilfreich und entschuldige mich für die Länge. ;-)
Boris