Re: Bildfeldwölbung – gewollt oder Objektivfehler?
Ich habe mir für das Canon EF 1:2,8/20 mm USM u. a. zwei Tests durchgelesen.
1.
http://www.photozone.de/canon_eos_ff/775-canon20f28ff?start=1 auf photozone.de
und 2.
http://kenrockwell.com/canon/lenses/20mm.htm bei Ken Rockwell
Beide beurteilen das Objektiv unterschiedlich. Photoszone.de bemängelt z. B. die Bildfeldwölbung und wertet es deswegen sogar ab. Ken Rockwell dagegen ist begeistert, bezeichnet die Bildfeldwölbung sogar als "Intelligente Bildfeldwölbung" ("Intelligent Field Curvature") und stellt diese Eigenschaft bei Weitwinkelobjektiven, realen Objekten und gekonntem Umgang als sehr positiv dar. Hebt sie heraus.
Wo liegt die Wahrheit, bzw. ist die Bildfeldwölbung bei Weitwinkelobjektiven eher gewollt, oder eher ein technischer Fehler?
O je – Ken Rockwell. Seine Web-Seite ist perfekt gestaltet, und wenn man wissen will, wie schwer ein Objektiv ist oder wie viele Linsen und was für ein Filtergewinde es hat oder wie viele Varianten es davon gab, dann schaut man bei Ken Rockwell nach, denn dort findet man solche Details oftmals am schnellsten. Doch seine Ansichten und Urteile über Kameras und Objektive sind ... merkwürdig. Den Mann darf man nicht allzu ernst nehmen.
Insbesondere seine Behauptung, Canon versehe sein 20er "absichtlich" mit "intelligenter" Bildfeldwölbung , ist nichts als hanebüchener Unfug. Richtig ist allerdings, daß sich Bildfeldwölbung in vielen (nicht allen) Fällen für die Bildgestaltung sinnvoll nutzen läßt, wenn sich der Fotograf über die Orientierung und das Ausmaß der Wölbung im klaren ist. In anderen Fällen kann sie aber auch störend sein.
Die Abwertung des EF 20 mm USM bei photozone.de ist allerdings ebenso unsinnig wie Rockwells Lobhudelei. Aus denen sprechen die Objektivtester, die nichts anderes im Kopf haben als Testtafeln – also quasi Brett vorm Kopf nicht nur im sprichwörtlichen Sinne. Wer so ein Objektiv aber einfach benutzt statt es zu testen, der wird die Bildfeldwölbung kaum bemerken. Im übrigen ist ein wenig Bildfeldwölbung völlig normal für ein Weitwinkelobjektiv. Für lichtstarke Standardobjektive ebenso. Annähernd plane Bildfelder findet man eher in Teleobjektiven, und völlig ebene nur in Repro- und Makroobjektiven. Wollte man die Bildfeldwölbung beim Weitwinkel gänzlich auskorrigieren, so müßte es doppelt oder dreimal so groß und doppelt so teuer sein. Und vermutlich würd man sich dann auch noch stärkere Vignettierung einfangen, zu deren Korrektur das Objektiv dann
noch größer und schwerer werden müßte. (Nebenbemerkung: Wer sich dies klar macht, der versteht auch, warum das neue Zeiss "Otus" 1:1,4/55 mm so riesengroß ist.)
Die Inkaufnahme eines gewissen Maßes von Bildfeldwölbung ermöglicht dem Objektivkonstrukteur also Vorteile an anderer Stelle – jede Objektivkonstruktion ist ein Bündel aus unzähligen Kompromissen, und Bildfeldwölbung ist einer davon. Sie wird durchaus korrigiert, aber eben nicht vollständig eliminiert, sondern "nur" reduziert, soweit im Spannungsfeld widerstreitender Anforderungen sinnvoll möglich.
Ob nun aber die Bildfeldwölbung speziell beim Canon EF 1:2,8/20 mm USM konkav (Schärfe am Rande näher als in der Mitte) oder konvex (Schärfe am Rande ferner als in der Mitte) gewölbt ist, das weiß ich leider auch nicht. Doch wenn man das Objektiv in der Hand hat, ist das ja nicht weiter schwierig herauszufinden. Man sollte dabei aber wissen, daß Bildfeldwölbung sich mit der Entfernung ändert – für gewöhnlich ist sie schwächer im Fernbereich und wird stärker im Nahbereich. Ob sie sogar umschlagen kann (etwa von konkav im Fern- zu konvex im Nahbereich, oder umgekehrt), weiß ich nicht, halte es aber grundsätzlich für möglich, zumindest bei Objektiven mit Innen- oder Rückteilfokussierung sowie bei Zooms (bei Festbrennweiten mit reiner Auszugsfokussierung wohl eher nicht).
Jedenfalls sollte man sich allein wegen der Bildfeldwölbung nicht vom Kauf eines EF 1:2,8/20 mm USM abhalten lassen. Die möglichen Alternativen haben auch keine ebenen Bildfelder.