franky68
Themenersteller
Vor zwei Monaten bin ich auf eine D300s umgestiegen, nun stand eine Veranstaltung an, bei der ich mit dem Stativ Nachtfotos machen wollte. Meinem alten Billigstativ habe ich nicht so weit getraut, ihm meine neue Kamera anzuvertrauen, also stand auch der Neukauf eines Statives an. Da ich ein Stativ erfahrungsgemäss nur 4-5 mal im Jahr nutze und mein Budget noch von der D300s und den ebenfalls erworbenen Studioblitzen arg angespannt war, hatte ich mir ein Limit von 200 Euro gesetzt.
Bei der Recherche ist mir neben der Tatsache, dass es grade in diesem Bereich oft Nachfragen aber wenige Erfahrungen gibt neben den üblichen Verdächtigen Manfrotto 190 und 055 auch das Giottos MTL 9351B aufgefallen. Leider liest man über die Stative von Giottos relativ wenig. Da ich mich letztlich für dieses entschieden habe, möchte ich einen kurzen Bericht darüber schreiben. Vielleicht hilft er ja anderen bei der Entscheidung für ein Stativ in dieser Preisklasse.
Über die Suche bei einem online Preisvergleich bin ich bei einem englischen Versender gelandet, der das MTL 9351B als Set mit Dreiwegeneiger MH 5011 für 134 Euro anbietet. Zu dem Zeitpunkt, als ich bestellt habe, gab es noch eine Tasche AA 1252D gratis als Zugabe. Insgesamt also wirklich ein Schnäppchen.
Kurz zum Grund, warum ich mir grade dieses Stativ ausgesucht habe. Mein Budget war auf unter 200 Euro beschränkt. In dieser Preisklasse herrscht ja vor allem Manfrotto und Cullmann vor.
Die Cullmann Stative, die ich mir vor Ort angesehen habe, machten allesamt keinen wirklich guten Eindruck. Also habe ich sie direkt von meiner Liste gestrichen.
Blieb noch Manfrotto. Das 190XProb war von den Packmassen her durchaus angenehm, wirkte aber relativ wackelig und war mir etwas zu niedrig. Das grössere 055XProb hatte eine wunderbare Höhe und wirkte auch recht stabil, allerdings war es mir zu schwer.
Das Giottos MTL 9351B lag in Grösse und Stabilität zwischen diesen beiden. Schien mir also ein idealer Kompromiss. Ausserdem war es weitaus günstiger als das Manfrotto. Vor Ort konnte ich mir einige Giottos ansehen, allerdings nicht das gewünschte.
Verarbeitung und Stabilität wirkten auf mich generell in Ordnung. Zwar kein Vergleich zu den Boliden für 300 Euro und Aufwärts aber für die Budget-Klasse durchaus wertig.
Da ich es beim Händler vor Ort nur hätte bestellen können, habe ich diesen Part gleich selbst übernommen und mir oben genanntes Set kommen lassen.
Zum Lieferumfang gehörten neben dem Stativ, dem Kopf und der Transporttasche noch Werkzeug (Imbusschlüssel und Ringschlüssel), ein Reduzierstück für die Schraube sowie ein Stutzen, der statt der regulären Mittelsäule eingesetzt werden kann. Alles zusammen passt ein eine kleine Tasche, die (bei Bedarf) direkt am Stativ befestigt werden kann. Ausserdem gab es noch zwei A4 Seiten mit einer kurzen Bedienungsanleitung in Deutsch, Englisch und Französisch. Der Kopf verfügt über ein eingebautes Schnellwechselsystem, welches nicht abgenommen und ausgetauscht werden kann.
Das Stativ
Das Stativ selbst ist aus Aluminium. Die Beine haben drei Segmente (also zwei Auszüge), die mit Schnellverschlüssen gesichert sind. Hält man das Stativ in der linken Hand und öffnet die Verschlüsse mit Rechts, liegen die Verschlussnippel am Handballen/Daumen. Bei meinen Billigstativen war dies andersrum, nach einer kurzen Umgewöhnung finde ich dies aber recht gut. Die Verschlüsse selbst lassen sich einstellen und ich finde sie angenehmer zu bedienen, als bspw. die des Manfrotto 190.
Sind die Verschlüsse geöffnet, rutschen die Segemente nicht selbstätig heraus, sondern man muss sie mit der Hand leicht herausziehen.
Die Beine federn naturgemäss leicht. Zum einen kommt das durch die Übergänge an den Segmenten, zum anderen ist das Aluminium nicht völlig starr. Bei vollem Auszug kann ich die Beine mit moderater Kraft in der Mitte um ca. 1cm bewegen (jeweils 0,5 hoch/runter). Im Vergleich zu anderen Stativen dieser Preisklasse (zumindest bei denen, die ich mir ansehen konnte) hält sich dies aber in Grenzen.
Leider ergibt sich hieraus allerdings ein Problem: Die Füsse haben einen einfachen Gummiüberzug. Dieser hat bei glatten Böden (Parkett, Linoleum, Fliesen etc.) keine besonders hohe Bodenhaftung. Daraus ergibt sich, dass durch das Verrutschen der Füsse diese Elastizität eine Neigung des Statives verursacht. Natürlich nur, wenn Druck von Oben/Seite kommt. Bei rauhen Böden (Gras, Asphalt, Pflaster etc.) geschieht dies nicht und das Stativ steht stabil.
Die Beine lassen sich in drei Winkeln einstellen um weiter auf den Boden zu kommen, bzw. einen stabileren Stand zu erhalten.
Die Masse des Statives (jeweils mit Kopf):
Unausgefahren, Beine max. Abgespreizt: 54cm
Voll ausgefahren ohne Mittelsäule: 147cm
Voll ausgefahren mit Mittelsäule: 179cm
Mindesthöhe mit umgeklappter MS: 29cm
Packmass: 72cm
Gewicht (mit Kopf) 2,3 kg
Zur Mittelsäule schreibe ich später nochmal etwas. Hier nur soviel: Sie lässt sich umlegen um z.B. Reproaufnahmen zu machen oder tiefer auf den Boden zu kommen. Theoretisch wäre auch weniger als 29cm möglich, nur lässt sich der hier verwendete Kopf dann nicht mehr horizontal ausrichten - die funktioniert also nur bei Hochkantaufnahmen.
Das Stativ verfügt über einige ganz angenehme Details:
- In der Schulter ist eine zusätzliche Öse. Diese kann dazu verwendet werden, die Zubehörtasche zu befestigen oder einen Tragegurt anzubringen. Die Optik wirkt etwas "angeklatscht" und passt nicht recht zum Stativ aber ich freue mich trotzdem drüber. Zur Not kann man sie entfernen.
- Alle drei Beine haben einen Schaumstoffüberzug, der knapp die Hälfte des Segmentes bedeckt. Andere Stative haben dies oft nur bei zwei Beinen.
- Die Mittelsäule ist schwenkbar (später mehr). Durch diese Vorrichtung lässt sich allerdings eine (mitgelieferte) kurze Mittelsäule einsetzen und es ist möglich, die Kamera direkt auf dieser anzubringen und in allen drei Achsen einzustellen. Zur Not geht es also auch ohne Kopf - auch wenn dies nur ein Behelf ist.
- Eine an der Schulter angebrachte Libelle ist ja schon fast obligatorisch.
Insgesamt macht das Stativ einen wertigen und stabilen Eindruck. Für das Geld und das Gewicht bin ich mit der Stabilität sehr zufrieden. Lediglich für die Füsse hätte ich mir eine andere Lösung gewünscht, die rutschfester ist ggf. mit eingebauten Spikes. Aber man kann eben nicht alles haben.
Die Mittelsäule
Ich hatte es ja vorhin schon angesprochen: Das MTL 9351B verfügt über eine sogenannte flexible Mittelsäule. Das heisst dass es möglich ist, die Mittelsäule fast herauszuziehen um diese mittels eines in der Stativschulter eingebauten Scharniers zu kippen.
Dadurch lässt sie sich um beinahe jeden Winkel kippen. Dies ist z.B. hilfreich um Reproaufnahmen zu machen (vom Tisch etc.) und um die Kamera noch tiefer zu fixieren, als dies mittels der Beinauszüge möglich wäre.
Das ganze funktioniert sogar recht gut. Auch meine relativ schwere D300s wird sicher gehalten. Das diese Konstruktion etwas wackliger ist, als das Stativ ohne genutzte Mittelsäule liegt in der Natur der Sache, dennoch habe ich nicht die Angst, das mir das Gebilde umkippt und meine Kamera auf dem Boden landet. Zudem hat die Mittelsäule am unteren Ende einen Haken, den man herausziehen kann um hier ein Gegengewicht anzubringen.
Unangenehm an der Mittelsäule bzw. der Lösung, sie zu kippen ist, dass sie nicht gegen Herausziehen gesichert ist. Schiebt man sie hoch, um mehr Höhe zu gewinnen oder sie zu kippen, kann es passieren, dass man sie versehentlich komplett aus der Führung zieht und plötzlich mitsamt Kamera in der Hand hält. Dies ist bei Manfrotto wesentlich besser gelöst - dafür gehen nur 90 Grad, das Giottos kann beinahe jeden Winkel.
Das Schwenken des Kopfes geschieht über zwei Schrauben (eine für die Höhe und einen für den Winkel). Gelöst kann man die Säule bewegen und angezogen halten sie fest genug, um auch meine Kamera zu halten ohne nachzugeben/-sacken. Eine dritte (kleinere) Schraube ermöglicht eine zusätzliche Arretierung. Diese dient zur Öffnung beim Einsatz der mitgelieferten kurzen Mittelsäule ist so ein Notbetrieb auch ohne aufgesetzten Kopf möglich.
Die obere Platte der Mittelsäule hat eine Schraube zur Aufnahme des Kopfes. Diese kann herausgenommen werden und umgedreht eingesetzt. Dadurch kann man wahlweise einen 1/2 oder 3/4 Zoll Kopf verwenden.
Der Kopf lässt sich zusätzlich mittels dreier Imbusschrauben gegen unbeabsichtigtes Herausdrehen sichern.
Weiterhin besitzt die Führung der Mittelsäule eine zusätzliche Fixierung, die wenn sie gelöst ist erlaubt, die ganze Mechanik für das Kippen zu drehen ohne die MS selbst zu lösen.
Leider ist die Mittelsäule etwas schwergängig und läuft nicht besonders leicht gut in der Führung. Hieraus ergibt sich beim Herausziehen ein leichtes Ruckeln.
Insgesamt gefällt mir auch die Mittelsäule mitsamt der Befestigung sehr gut. Im Laden hatte ich das Gefühl, dass die MS wenn sie nicht benutzt wird, weniger wackelt, als dies bei der Manfrotto XProb-Serie der Fall ist.
Negativ fällt mir nur auf:
- Mittelsäule läuft etwas schwer
- Sie kann (ohne Sicherung) ganz herausgezogen werden
Der Kopf
Der Kopf MH 5011 ist im ggs. zum Stativ selbst aus Kunststoff. Dennoch macht er einen recht stabilen Eindruck und wirkt durchaus haltbarer als die Köpfe von Billigstativen. Der Vorteil an diesem Material ist natürlich, dass der Kopf auf diese Weise leichter ist, als wäre er aus Metall gefertigt.
Es handelt sich um einen Dreiwegeneiger. Folglich hat er zwei Hebel - einen um die Kamera hoch und runter zu schwenken, sowie einen um sie ins Hochvformat zu kippen. Möchte man die Kamera drehen, gilt es zuvor eine Flügelschraube zu lösen. Um die Kamera einzurichten muss ich also einen Hebel und die Schraube betätigen, dies ist zwar umständlicher als bei einem Kugelkopf, dafür lässt sich aber jede Achse separat einstellen.
Das Handling der Hebel empfinde ich als recht angenehm und der Bereich zwischen stramm und beweglich lässt sich gut dosieren. Die Griffe dürften etwas dicker und dadurch griffiger sein, dies würde aber zu Lasten des Packmasses gehen, insofern sind sie ein guter Kompromiss.
Es ist möglich einen der Hebel herauszuschrauben und an das Ende des anderen anzusetzen. Auf diese Weise hat man einen langen Hebel und kann das Stativ ausserdem besser verstauen. Giottos bewirbt dies als Handlingvorteil für z.B. Video. Das Problem dabei ist: Wenn ein Heben herausgeschraubt ist, ist dessen Achse vollständig freigegeben und die Kamera kann hier bewegt werden. Sinnvoll ist dieses Feature also nur bedingt.
Es gibt ebenfalls weder Winkelmarkierungen auf den Achsen, noch einen irgendwie gearteten 90 Grad Anschlag/Raster oder irgendwas. Eine Justage ist also nur über die im Kopf integrierten Wasserwaagen möglich. Diese sind allerdings sehr klein und daher schwierig ablesbar. Grade in der Dämmerung sind sie vollständig nutzlos und man sollte den künstlichen Horizont der Kamera bzw. eine Blitzschuhlibelle verwenden.
Eine Ausrichtung der Kamera (getestet mit D300s und Nikon 70-300 VR) geht relativ weich vonstatten. Bei Billigstativen war ich hier gewohnt, dass dies bei dem Gewicht nur ruckelnd bewerkstelligt werden kann und die Kamera gleich um mehrere Grad überspringt. Dies ist beim MH 5011 wesentlich angenehmer und ich kann den Ausschnitt sehr gut wählen. Beim Anziehen der Schrauben wird der Ausschnitt allerdings nochmal leicht verstellt. Ich schätze, dass die Abweichung bei dem 300mm Objektiv vielleicht ein halbes Grad beträgt - nicht viel aber spürbar.
Der Kopf hat die Schnellspannvorrichtung bereits eingebaut und sie ist nicht austauschbar. Es handelt sich hier um ein eigenes System von Giottos bei dem die Platte unter der Kamera mittels eines Bügels fest an den Kopf geklemmt wird.
Dies funktioniert recht gut und es reicht, die Kamera auf den Kopf aufzusetzen um diesen einrasten zu lassen. Um die Kamera zu lösen, muss ich den Bügel zurücklegen. Dieser ist zusätzlich über einen zweiten Bügel gegen versehentliches Öffnen gesichert. Auch dies finde ich recht gut und relativ vertrauensvoll gelöst.
Die Wechselplatte besitzt zusätzlich einen zweiten Videopin, der sich natürlich bei Benutzung einer DLSR wegdrücken lässt und auch ausbaubar sein müsste. Ausserdem ist die Platte oben gummiert um den Boden der Kamera zu schonen und ausserdem gegen verdrehen zu sichern. Dies funktioniert nur bedingt - bei zwei Einsätzen war er am Ende der Tour leicht verdreht.
Ist die Kamera in das Stativ eingerastet, hat die Wechselplatte in der Aufnahme allerdings leichtes Spiel und die Kamera kann ein wenig gedreht werden, ein Kippeln ist hingegen nicht möglich.
Insgesamt ist der Kopf also sicher nicht optimal aber in Anbetracht des Preises (Einzelkauf ca. 50-60 Euro) sicherlich durchaus OK. "Richtige" Köpfe kosten ja oft ein vielfaches des Statives...
Vorläufiges Fazit
Beim Fazit tue ich mich etwas schwer. Zum einen fehlt mir der Vergleich: Ich hatte bisher nur wirkliche Billigstative in der 20 Euro Klasse und darüber habe ich mir nur Stative im Laden kurz angesehen. Letzteres ist natürlich etwas ganz anderes, als wirklich mit dem Stativ auf die Piste zu gehen. Auch habe ich es bisher nur einmal genutzt, war da aber 5 Stunden mit dem Stativ unterwegs.
Ich habe mir zusätzlich noch den Giottos Tragegurt bestellt, der Oben an die dafür vorgesehene Öse angebracht wird und unten um ein, bzw. alle drei Füsse geschlungen wird. Der Transport war sehr angenehm - sowohl Gewicht als auch Transportmass waren durchaus überschaubar und auch nach mehreren Stunden ist mir der Arm nicht abgefallen. Das einzige Problem ist, dass das Stativ leicht Kopflastig ist und dadurch der Gurt verrutsch ist.
Der Auf- und Abbau war OK. Dadurch, dass die Beine nicht von selbst heraus rutschen und die Schaniere etwas schwergängig sind, dauert es etwas länger als ich mir wünschen würde. Es ging aber immer noch hinreichend schnell und allemal schneller als bei den Billigstativen der anderen Fotografen mit denen ich unterwegs war.
Das Einrichten ging sehr problemlos. Die leichte Abweichung beim Feststellen ist mir in der Praxis (Nachtfotografie, Architektur) nicht besonders aufgefallen. Lediglich der Wechsel zwischen Hoch- und Querformat war etwas problematisch, da ich vom Stativ keine Hilfe bekommen habe, festzustellen, wann ich auf 0 bzw. 90 Grad bin. Hier habe ich die Gitterlinien der Kamera bzw. den virtuellen Horizont genutzt.
Mit der Stabilität hatte ich keine Probleme. Allerdings habe ich vornehmlich im Bereich 25-50mm fotografiert, meist sogar ohne Spiegelvorauslösung. Unschärfen durch das Stativ sind mir nicht aufgefallen. Die Belichtungszeiten lagen je nach Situation zwischen 1/2 bis 30 Sekunden.
Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit dem Stativ. Für mich ist es ein idealer Kompromiss zwischen Transportabilität und Stabilität. Die Höhe ist zudem ausreichend, dass ich mich auch ohne ausgezogene Mittelsäule nur leicht bücken muss um durch den Sucher zu blicken. Das 9361B bzw. Manfrotto 055 wären zwar Höher gewesen, dafür aber auch gleich wieder wesentlich weniger transportabel.
Im Gegensatz zu meinen alten Stativen habe ich auch keine Bauchschmerzen dabei, die Kamera auf dem Stativ stehen zu lassen und ggf. sogar an diesem angesetzt zu transportieren.
Auch wenn es einige Schwachstellen hat, darf man nicht vergessen, dass es sich preislich um ein absolutes Einsteigerstativ handelt. Alles was ich in ähnliches Preislagen gesehen hatte, wirkte auf mich wesentlich weniger tauglich.
Es macht sicher Sinn, mehr Geld für ein Stativ auszugeben, wenn man es wirklich nutzen möchte. Stabilität und Komfort sind ganz klar noch steigerungsfähig. Sucht man allerdings ein qualitativ akzeptables Stativ für nur gelegentliche Nutzung, dann lohnt es sich ganz sicher, sich die Giottos Stative einmal anzusehen.
Ich würde mir es vermutlich wieder kaufen - diesmal vielleicht allerdings das grössere Modell MTL 9361B mit dem grösseren Kopf MH 5001.
Viele Grüsse
Frank
Bei der Recherche ist mir neben der Tatsache, dass es grade in diesem Bereich oft Nachfragen aber wenige Erfahrungen gibt neben den üblichen Verdächtigen Manfrotto 190 und 055 auch das Giottos MTL 9351B aufgefallen. Leider liest man über die Stative von Giottos relativ wenig. Da ich mich letztlich für dieses entschieden habe, möchte ich einen kurzen Bericht darüber schreiben. Vielleicht hilft er ja anderen bei der Entscheidung für ein Stativ in dieser Preisklasse.
Über die Suche bei einem online Preisvergleich bin ich bei einem englischen Versender gelandet, der das MTL 9351B als Set mit Dreiwegeneiger MH 5011 für 134 Euro anbietet. Zu dem Zeitpunkt, als ich bestellt habe, gab es noch eine Tasche AA 1252D gratis als Zugabe. Insgesamt also wirklich ein Schnäppchen.
Kurz zum Grund, warum ich mir grade dieses Stativ ausgesucht habe. Mein Budget war auf unter 200 Euro beschränkt. In dieser Preisklasse herrscht ja vor allem Manfrotto und Cullmann vor.
Die Cullmann Stative, die ich mir vor Ort angesehen habe, machten allesamt keinen wirklich guten Eindruck. Also habe ich sie direkt von meiner Liste gestrichen.
Blieb noch Manfrotto. Das 190XProb war von den Packmassen her durchaus angenehm, wirkte aber relativ wackelig und war mir etwas zu niedrig. Das grössere 055XProb hatte eine wunderbare Höhe und wirkte auch recht stabil, allerdings war es mir zu schwer.
Das Giottos MTL 9351B lag in Grösse und Stabilität zwischen diesen beiden. Schien mir also ein idealer Kompromiss. Ausserdem war es weitaus günstiger als das Manfrotto. Vor Ort konnte ich mir einige Giottos ansehen, allerdings nicht das gewünschte.
Verarbeitung und Stabilität wirkten auf mich generell in Ordnung. Zwar kein Vergleich zu den Boliden für 300 Euro und Aufwärts aber für die Budget-Klasse durchaus wertig.
Da ich es beim Händler vor Ort nur hätte bestellen können, habe ich diesen Part gleich selbst übernommen und mir oben genanntes Set kommen lassen.
Zum Lieferumfang gehörten neben dem Stativ, dem Kopf und der Transporttasche noch Werkzeug (Imbusschlüssel und Ringschlüssel), ein Reduzierstück für die Schraube sowie ein Stutzen, der statt der regulären Mittelsäule eingesetzt werden kann. Alles zusammen passt ein eine kleine Tasche, die (bei Bedarf) direkt am Stativ befestigt werden kann. Ausserdem gab es noch zwei A4 Seiten mit einer kurzen Bedienungsanleitung in Deutsch, Englisch und Französisch. Der Kopf verfügt über ein eingebautes Schnellwechselsystem, welches nicht abgenommen und ausgetauscht werden kann.
Das Stativ
Das Stativ selbst ist aus Aluminium. Die Beine haben drei Segmente (also zwei Auszüge), die mit Schnellverschlüssen gesichert sind. Hält man das Stativ in der linken Hand und öffnet die Verschlüsse mit Rechts, liegen die Verschlussnippel am Handballen/Daumen. Bei meinen Billigstativen war dies andersrum, nach einer kurzen Umgewöhnung finde ich dies aber recht gut. Die Verschlüsse selbst lassen sich einstellen und ich finde sie angenehmer zu bedienen, als bspw. die des Manfrotto 190.
Sind die Verschlüsse geöffnet, rutschen die Segemente nicht selbstätig heraus, sondern man muss sie mit der Hand leicht herausziehen.
Die Beine federn naturgemäss leicht. Zum einen kommt das durch die Übergänge an den Segmenten, zum anderen ist das Aluminium nicht völlig starr. Bei vollem Auszug kann ich die Beine mit moderater Kraft in der Mitte um ca. 1cm bewegen (jeweils 0,5 hoch/runter). Im Vergleich zu anderen Stativen dieser Preisklasse (zumindest bei denen, die ich mir ansehen konnte) hält sich dies aber in Grenzen.
Leider ergibt sich hieraus allerdings ein Problem: Die Füsse haben einen einfachen Gummiüberzug. Dieser hat bei glatten Böden (Parkett, Linoleum, Fliesen etc.) keine besonders hohe Bodenhaftung. Daraus ergibt sich, dass durch das Verrutschen der Füsse diese Elastizität eine Neigung des Statives verursacht. Natürlich nur, wenn Druck von Oben/Seite kommt. Bei rauhen Böden (Gras, Asphalt, Pflaster etc.) geschieht dies nicht und das Stativ steht stabil.
Die Beine lassen sich in drei Winkeln einstellen um weiter auf den Boden zu kommen, bzw. einen stabileren Stand zu erhalten.
Die Masse des Statives (jeweils mit Kopf):
Unausgefahren, Beine max. Abgespreizt: 54cm
Voll ausgefahren ohne Mittelsäule: 147cm
Voll ausgefahren mit Mittelsäule: 179cm
Mindesthöhe mit umgeklappter MS: 29cm
Packmass: 72cm
Gewicht (mit Kopf) 2,3 kg
Zur Mittelsäule schreibe ich später nochmal etwas. Hier nur soviel: Sie lässt sich umlegen um z.B. Reproaufnahmen zu machen oder tiefer auf den Boden zu kommen. Theoretisch wäre auch weniger als 29cm möglich, nur lässt sich der hier verwendete Kopf dann nicht mehr horizontal ausrichten - die funktioniert also nur bei Hochkantaufnahmen.
Das Stativ verfügt über einige ganz angenehme Details:
- In der Schulter ist eine zusätzliche Öse. Diese kann dazu verwendet werden, die Zubehörtasche zu befestigen oder einen Tragegurt anzubringen. Die Optik wirkt etwas "angeklatscht" und passt nicht recht zum Stativ aber ich freue mich trotzdem drüber. Zur Not kann man sie entfernen.
- Alle drei Beine haben einen Schaumstoffüberzug, der knapp die Hälfte des Segmentes bedeckt. Andere Stative haben dies oft nur bei zwei Beinen.
- Die Mittelsäule ist schwenkbar (später mehr). Durch diese Vorrichtung lässt sich allerdings eine (mitgelieferte) kurze Mittelsäule einsetzen und es ist möglich, die Kamera direkt auf dieser anzubringen und in allen drei Achsen einzustellen. Zur Not geht es also auch ohne Kopf - auch wenn dies nur ein Behelf ist.
- Eine an der Schulter angebrachte Libelle ist ja schon fast obligatorisch.
Insgesamt macht das Stativ einen wertigen und stabilen Eindruck. Für das Geld und das Gewicht bin ich mit der Stabilität sehr zufrieden. Lediglich für die Füsse hätte ich mir eine andere Lösung gewünscht, die rutschfester ist ggf. mit eingebauten Spikes. Aber man kann eben nicht alles haben.
Die Mittelsäule
Ich hatte es ja vorhin schon angesprochen: Das MTL 9351B verfügt über eine sogenannte flexible Mittelsäule. Das heisst dass es möglich ist, die Mittelsäule fast herauszuziehen um diese mittels eines in der Stativschulter eingebauten Scharniers zu kippen.
Dadurch lässt sie sich um beinahe jeden Winkel kippen. Dies ist z.B. hilfreich um Reproaufnahmen zu machen (vom Tisch etc.) und um die Kamera noch tiefer zu fixieren, als dies mittels der Beinauszüge möglich wäre.
Das ganze funktioniert sogar recht gut. Auch meine relativ schwere D300s wird sicher gehalten. Das diese Konstruktion etwas wackliger ist, als das Stativ ohne genutzte Mittelsäule liegt in der Natur der Sache, dennoch habe ich nicht die Angst, das mir das Gebilde umkippt und meine Kamera auf dem Boden landet. Zudem hat die Mittelsäule am unteren Ende einen Haken, den man herausziehen kann um hier ein Gegengewicht anzubringen.
Unangenehm an der Mittelsäule bzw. der Lösung, sie zu kippen ist, dass sie nicht gegen Herausziehen gesichert ist. Schiebt man sie hoch, um mehr Höhe zu gewinnen oder sie zu kippen, kann es passieren, dass man sie versehentlich komplett aus der Führung zieht und plötzlich mitsamt Kamera in der Hand hält. Dies ist bei Manfrotto wesentlich besser gelöst - dafür gehen nur 90 Grad, das Giottos kann beinahe jeden Winkel.
Das Schwenken des Kopfes geschieht über zwei Schrauben (eine für die Höhe und einen für den Winkel). Gelöst kann man die Säule bewegen und angezogen halten sie fest genug, um auch meine Kamera zu halten ohne nachzugeben/-sacken. Eine dritte (kleinere) Schraube ermöglicht eine zusätzliche Arretierung. Diese dient zur Öffnung beim Einsatz der mitgelieferten kurzen Mittelsäule ist so ein Notbetrieb auch ohne aufgesetzten Kopf möglich.
Die obere Platte der Mittelsäule hat eine Schraube zur Aufnahme des Kopfes. Diese kann herausgenommen werden und umgedreht eingesetzt. Dadurch kann man wahlweise einen 1/2 oder 3/4 Zoll Kopf verwenden.
Der Kopf lässt sich zusätzlich mittels dreier Imbusschrauben gegen unbeabsichtigtes Herausdrehen sichern.
Weiterhin besitzt die Führung der Mittelsäule eine zusätzliche Fixierung, die wenn sie gelöst ist erlaubt, die ganze Mechanik für das Kippen zu drehen ohne die MS selbst zu lösen.
Leider ist die Mittelsäule etwas schwergängig und läuft nicht besonders leicht gut in der Führung. Hieraus ergibt sich beim Herausziehen ein leichtes Ruckeln.
Insgesamt gefällt mir auch die Mittelsäule mitsamt der Befestigung sehr gut. Im Laden hatte ich das Gefühl, dass die MS wenn sie nicht benutzt wird, weniger wackelt, als dies bei der Manfrotto XProb-Serie der Fall ist.
Negativ fällt mir nur auf:
- Mittelsäule läuft etwas schwer
- Sie kann (ohne Sicherung) ganz herausgezogen werden
Der Kopf
Der Kopf MH 5011 ist im ggs. zum Stativ selbst aus Kunststoff. Dennoch macht er einen recht stabilen Eindruck und wirkt durchaus haltbarer als die Köpfe von Billigstativen. Der Vorteil an diesem Material ist natürlich, dass der Kopf auf diese Weise leichter ist, als wäre er aus Metall gefertigt.
Es handelt sich um einen Dreiwegeneiger. Folglich hat er zwei Hebel - einen um die Kamera hoch und runter zu schwenken, sowie einen um sie ins Hochvformat zu kippen. Möchte man die Kamera drehen, gilt es zuvor eine Flügelschraube zu lösen. Um die Kamera einzurichten muss ich also einen Hebel und die Schraube betätigen, dies ist zwar umständlicher als bei einem Kugelkopf, dafür lässt sich aber jede Achse separat einstellen.
Das Handling der Hebel empfinde ich als recht angenehm und der Bereich zwischen stramm und beweglich lässt sich gut dosieren. Die Griffe dürften etwas dicker und dadurch griffiger sein, dies würde aber zu Lasten des Packmasses gehen, insofern sind sie ein guter Kompromiss.
Es ist möglich einen der Hebel herauszuschrauben und an das Ende des anderen anzusetzen. Auf diese Weise hat man einen langen Hebel und kann das Stativ ausserdem besser verstauen. Giottos bewirbt dies als Handlingvorteil für z.B. Video. Das Problem dabei ist: Wenn ein Heben herausgeschraubt ist, ist dessen Achse vollständig freigegeben und die Kamera kann hier bewegt werden. Sinnvoll ist dieses Feature also nur bedingt.
Es gibt ebenfalls weder Winkelmarkierungen auf den Achsen, noch einen irgendwie gearteten 90 Grad Anschlag/Raster oder irgendwas. Eine Justage ist also nur über die im Kopf integrierten Wasserwaagen möglich. Diese sind allerdings sehr klein und daher schwierig ablesbar. Grade in der Dämmerung sind sie vollständig nutzlos und man sollte den künstlichen Horizont der Kamera bzw. eine Blitzschuhlibelle verwenden.
Eine Ausrichtung der Kamera (getestet mit D300s und Nikon 70-300 VR) geht relativ weich vonstatten. Bei Billigstativen war ich hier gewohnt, dass dies bei dem Gewicht nur ruckelnd bewerkstelligt werden kann und die Kamera gleich um mehrere Grad überspringt. Dies ist beim MH 5011 wesentlich angenehmer und ich kann den Ausschnitt sehr gut wählen. Beim Anziehen der Schrauben wird der Ausschnitt allerdings nochmal leicht verstellt. Ich schätze, dass die Abweichung bei dem 300mm Objektiv vielleicht ein halbes Grad beträgt - nicht viel aber spürbar.
Der Kopf hat die Schnellspannvorrichtung bereits eingebaut und sie ist nicht austauschbar. Es handelt sich hier um ein eigenes System von Giottos bei dem die Platte unter der Kamera mittels eines Bügels fest an den Kopf geklemmt wird.
Dies funktioniert recht gut und es reicht, die Kamera auf den Kopf aufzusetzen um diesen einrasten zu lassen. Um die Kamera zu lösen, muss ich den Bügel zurücklegen. Dieser ist zusätzlich über einen zweiten Bügel gegen versehentliches Öffnen gesichert. Auch dies finde ich recht gut und relativ vertrauensvoll gelöst.
Die Wechselplatte besitzt zusätzlich einen zweiten Videopin, der sich natürlich bei Benutzung einer DLSR wegdrücken lässt und auch ausbaubar sein müsste. Ausserdem ist die Platte oben gummiert um den Boden der Kamera zu schonen und ausserdem gegen verdrehen zu sichern. Dies funktioniert nur bedingt - bei zwei Einsätzen war er am Ende der Tour leicht verdreht.
Ist die Kamera in das Stativ eingerastet, hat die Wechselplatte in der Aufnahme allerdings leichtes Spiel und die Kamera kann ein wenig gedreht werden, ein Kippeln ist hingegen nicht möglich.
Insgesamt ist der Kopf also sicher nicht optimal aber in Anbetracht des Preises (Einzelkauf ca. 50-60 Euro) sicherlich durchaus OK. "Richtige" Köpfe kosten ja oft ein vielfaches des Statives...
Vorläufiges Fazit
Beim Fazit tue ich mich etwas schwer. Zum einen fehlt mir der Vergleich: Ich hatte bisher nur wirkliche Billigstative in der 20 Euro Klasse und darüber habe ich mir nur Stative im Laden kurz angesehen. Letzteres ist natürlich etwas ganz anderes, als wirklich mit dem Stativ auf die Piste zu gehen. Auch habe ich es bisher nur einmal genutzt, war da aber 5 Stunden mit dem Stativ unterwegs.
Ich habe mir zusätzlich noch den Giottos Tragegurt bestellt, der Oben an die dafür vorgesehene Öse angebracht wird und unten um ein, bzw. alle drei Füsse geschlungen wird. Der Transport war sehr angenehm - sowohl Gewicht als auch Transportmass waren durchaus überschaubar und auch nach mehreren Stunden ist mir der Arm nicht abgefallen. Das einzige Problem ist, dass das Stativ leicht Kopflastig ist und dadurch der Gurt verrutsch ist.
Der Auf- und Abbau war OK. Dadurch, dass die Beine nicht von selbst heraus rutschen und die Schaniere etwas schwergängig sind, dauert es etwas länger als ich mir wünschen würde. Es ging aber immer noch hinreichend schnell und allemal schneller als bei den Billigstativen der anderen Fotografen mit denen ich unterwegs war.
Das Einrichten ging sehr problemlos. Die leichte Abweichung beim Feststellen ist mir in der Praxis (Nachtfotografie, Architektur) nicht besonders aufgefallen. Lediglich der Wechsel zwischen Hoch- und Querformat war etwas problematisch, da ich vom Stativ keine Hilfe bekommen habe, festzustellen, wann ich auf 0 bzw. 90 Grad bin. Hier habe ich die Gitterlinien der Kamera bzw. den virtuellen Horizont genutzt.
Mit der Stabilität hatte ich keine Probleme. Allerdings habe ich vornehmlich im Bereich 25-50mm fotografiert, meist sogar ohne Spiegelvorauslösung. Unschärfen durch das Stativ sind mir nicht aufgefallen. Die Belichtungszeiten lagen je nach Situation zwischen 1/2 bis 30 Sekunden.
Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit dem Stativ. Für mich ist es ein idealer Kompromiss zwischen Transportabilität und Stabilität. Die Höhe ist zudem ausreichend, dass ich mich auch ohne ausgezogene Mittelsäule nur leicht bücken muss um durch den Sucher zu blicken. Das 9361B bzw. Manfrotto 055 wären zwar Höher gewesen, dafür aber auch gleich wieder wesentlich weniger transportabel.
Im Gegensatz zu meinen alten Stativen habe ich auch keine Bauchschmerzen dabei, die Kamera auf dem Stativ stehen zu lassen und ggf. sogar an diesem angesetzt zu transportieren.
Auch wenn es einige Schwachstellen hat, darf man nicht vergessen, dass es sich preislich um ein absolutes Einsteigerstativ handelt. Alles was ich in ähnliches Preislagen gesehen hatte, wirkte auf mich wesentlich weniger tauglich.
Es macht sicher Sinn, mehr Geld für ein Stativ auszugeben, wenn man es wirklich nutzen möchte. Stabilität und Komfort sind ganz klar noch steigerungsfähig. Sucht man allerdings ein qualitativ akzeptables Stativ für nur gelegentliche Nutzung, dann lohnt es sich ganz sicher, sich die Giottos Stative einmal anzusehen.
Ich würde mir es vermutlich wieder kaufen - diesmal vielleicht allerdings das grössere Modell MTL 9361B mit dem grösseren Kopf MH 5001.
Viele Grüsse
Frank