Ich hole diesen Thread mal aus der Versenkung, denn offenbar hat sich inzwischen einiges getan.
Ich fasse mal zusammen, was ich recherchieren konnte:
Bereits im Januar 2020 war Innenminister Seehofer ein Stück weit zurückgerudert und hatte angekündigt, dass auch künftig Passbilder von Fotografen angefertigt werden dürfen. Sein Ministerium hatte dann einen Gesetzentwurf erarbeitet, der die Sache etwas klarer macht – aber immer noch wichtige Fragen offen lässt. Der überarbeitete Gesetzesentwurf wurde im Juli 2020 vom Bundeskabinett gebilligt und kann jetzt vom Bundestag beraten und veranschiedet werden. Wann das passiert (und ob es dabei noch zu Änderungen kommt) ist offen.
Hier gibt es eine Zusammenfassung:
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/...-der-sicherheit-im-pass-und-ausweiswesen.html
Hier der komplette Gesetzestext (38-seitiges PDF):
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/...okumentenwesen.pdf?__blob=publicationFile&v=4
Das Gesetz ist recht umfangreich und enthält eine ganze Reihe von Neuerungen für die künftige Ausgestaltung von Pässen und Ausweisen.
Das Wesentliche zum Thema Bilder in Reisepässen steht in Artikel 12:
Das Lichtbild ist nach Wahl der antragstellenden Person
1. durch einen Dienstleister elektronisch zu fertigen und im Anschluss von diesem durch ein sicheres Verfahren an die Passbehörde zu übermitteln oder
2. durch die Passbehörde elektronisch zu fertigen, sofern die Behörde über Geräte zur Lichtbildaufnahme verfügt.
Eine Veränderung des Lichtbilds ist nur nach Maßgabe dieses Gesetzes oder nach Maßgabe von Vorschriften, die aufgrund dieses Gesetzes erlassen wurden, zulässig. [...]
Bestehen Zweifel über die Identität der im Lichtbild abgebildeten Person oder besteht ein Verdacht auf eine unzulässige Bearbeitung des Lichtbilds, kann die Passbehörde anordnen, dass das Lichtbild in Gegenwart eines Mitarbeiters in einer Passbehörde zu fertigen ist. [...]
In Artikel 13 wiederholt sich der Text sinngemäß, nur diesmal für Personalausweise.
Was mir aufgefallen ist: Wenn keine "Veränderung" des Lichtbildes erlaubt ist, betrifft das nicht nur Morphing und Verzerrungen. Theoretisch darf man dann nicht mal mehr Pickel ausstempeln (wobei das in dem kleinen Format vielleicht verkraftbar ist).
Details, wie die Übermittlung und Überprüfung praktisch umgesetzt werden soll, stehen im Gesetzestext nicht drin. Stattdessen wird in Artikel 1 das Innenministerium ermächtigt, entsprechende Rechtsverordnungen zu erlassen:
Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, Regelungen zu treffen
1. über das Verfahren und die technischen Anforderungen für die Aufnahme, die elektronische Erfassung, die Echtheitsbewertung und die Qualitätssicherung des Lichtbilds,
2. zur sicheren Übermittlung des Lichtbilds an die Passbehörde sowie zu einer Registrierung und Zertifizierung von Dienstleistern, welche Lichtbilder für die Passproduktion an die Passbehörde übermitteln, [...]
Auch in den einleitenden Kommentaren wird bereits darauf hingewiesen, dass für die Übermittler der Fotos (also die Fotografen) ein zusätzlicher finanzieller Aufwand anfallen könnte, z. B. eine Zertifizierung und/oder Anmeldung bei einem Übertragungssystem. Außerdem werden zwei Möglichkeiten genannt, wie die sichere Übertragung ablaufen könnte: entweder per De-Mail oder mit Hilfe einer (noch einzurichtenden) Cloud. Für Hobbyfotografen, die ihr eigenes Passbild hochladen wollen, wird da vermutlich kein Platz mehr sein.
Der Knackpunkt ist doch: Wie verhindert man, dass der Fotograf das Bild vor der Übertragung doch noch manipuliert?
Eine technische Lösung hierfür wird wohl nicht angestrebt. Stattdessen baut man auf das Prinzip von Vertrauen und Kontrolle. In der Zusammenfassung heißt es:
Mit der gesicherten elektronischen Übermittlung, wozu auch ein vorheriger Registrierungsprozess für den Fotografen gehören kann, ist es möglich, den Ursprung eines etwaigen manipulierten Lichtbilds auch noch zu einem späteren Zeitpunkt nachzuverfolgen, wenn die Manipulation aufgedeckt wird.
Also man kann nicht verhindern, dass einzelne Fotografen die Bilder rechtswidrig manipulieren. Aber man kann hinterher feststellen, wer es war, und sie zur Rechenschaft ziehen. (Vielleicht müssen Fotografen dann ihren Rechtsschutz aufstocken.)
Ferner gibt es in den Kommentaren eine Kostenschätzung für die Lichtbild-Automaten-Vollausstattung der über 6000 Ausweisbehörden, nämlich eine Summe von 171 Millionen Euro. Aber voraussichtlich wird ohnehin nur ein Teil der Behörden eigene Passbild-Aufnahmetechnik bekommen (dort, wo es sich lohnt – sicher nicht in kleinen Gemeinden, wo nur alle zwei Wochen jemand einen Ausweis beantragt).
Bleibt die Frage, wann das Ganze dann in Kraft treten soll. Das ist offenbar ein Stück weit offen und hängt von der technischen Umsetzbarkeit ab. Ganz am Ende des Gesetzesentwurfs heißt es:
Die Artikel 12 bis 14 (Neuregelung zur Aufnahme des Lichtbilds) bedürfen einer technischen und organisatorischen Umsetzungsfrist bis Mai 2025.
Mindestens bis dahin dürfen wir also noch unsere Selphy-Drucke abliefern.