Wenn man ehrlich ist und sich die Klassiker der Fotografiegeschichte ansieht, auch die prämierten Fotos, World Press & Co, dann stellt man fest, dass die Fotos, die mit schmaler Schärfentiefe arbeiten, sehr selten sind. Das ist eigentlich ein Kunstgriff in der Gebrauchsfotografie, um unliebsame Hintergründe wegzubügeln. Den Schmodder auf Hintergrundpappe. Auf Messen setze ich das gerne ein, damit man das Gerümpel hinterm Messestand nicht sieht. Lüftungsschächte, Feuerlöscher... Das 'Bokeh' ist da vollkommen gleichgültig, Hauptsache, man erkennt nichts mehr. Den Hype um das Bokeh habe ich noch nie verstanden. Meist ist es ein triviales Bild, eine dumme Blühte, die auch nicht spannender wird, wenn die Umgebung wenig Unruhe in der Unschärfe hat. Wieso ist eigentlich eine gleichmäßige Matsche 'besser' als ein paar nette Kringel? Ich hab sogar eine Weile gebraucht, bis ich 'gelernt' hatte, was denn überhaupt ein 'gutes' Bokeh ist.
Das Spiel mit der Schärfeebene ist im Film ein wichtiges erzählerisches Stilmittel, weil sie dort der Konzentration auf ein Element dient. Das funktioniert aber nur wegen der zeitlichen Dimension, weil die Schärfe wechselt. Beim Foto muss man die Geschichte ja in einem Bild erzählen. Die werden meistens nicht spannender, wenn man das Element Raum wegfreistellt. Wenn ich mir Kinderbilder von mir ansehe, oder Jugendbilder meiner Eltern, dann ist das interessante die Umgebung, in der sich die Personen befinden. Kinder sahen damals so aus wie heute. Aber die Einrichtung, das Auto aus den 70ern, 60ern, das macht die Fotos interessant. Darum kann ich das Hochzeitspaar gut verstehen, wenn es den Hintergrund abgebildet haben möchte. Seht auch Portraits der Alten Meister an, Rembrandt & Co. Damals wurden mit Absicht die Insignien von Wohlstand und Macht mitgemalt. Genauso soll die tolle Umgebung der Hochzeit heute mit auf das Bild. Das ist auch gut so, denn die Urenkel werden sich daran freuen. Sie werden sehen, was den Urgroßeltern damals wichtig war.
Ich kann nur jedem raten, der Familienfotos macht, also eine Reportage seines Lebensumfeldes und der wichtigen Menschen für ihn, die blöde Freistellerei zu lassen. Die Handyfotos, falls sie überleben, werden sonst die wichtigeren sein.