Bei Aufnahmen bei denen der Himmel mit drauf ist, ist es klar.
Das war _ein_ Beispiel - es gibt derer aber ganz viele. D.h. es ist nicht etwa so, dass dies ein Spezialfall wäre, bei dem Av sich nicht gut eignet, sonder es ist die Regel.
In meinem Fall hatte ich aber keinen Himmel mit drauf, hier hätte ich im M-Modus ja auch mit der grünen Taste arbeiten können (bei mir auf korrekte Zeit eingestellt) und allgemein die Belichtung etwas nach unten korrigieren können.
Wichtig ist nur, dass man sich klar macht, dass die Automatik überhaupt keine Chance hat, einen "richtigen" Wert einzustellen.
Vielleicht werfen wir mal einen Blick darauf, wie die Av-Automatik funktioniert:
Der Benutzer gibt der Kamera im Av-Modus einen Blendenwert vor. Im "normalen" Betrieb, also ohne Blitzeinsatz, wählt die Kamera dann genau die Belichtungszeit, die bei gegebener Empfindlichkeit für ein korrekt belichtetes Foto notwendig ist (das klappt aus verschiedenen Gründen nicht immer, aber das ist hier ja nicht das Thema - meistens passt es ja).
Av ist also eine recht angenehme Automatik, weil man sich selbst nicht mehr kümmern muss, außer dass man die Belichtungszeit soweit im Auge behält, dass Bewegungsunschärfe und/oder Verwackler ausgeschlossen sind. Die Automatik nimmt dem Fotografen somit Arbeit ab, denn sie wählt zur vorgegebenen ISO/Blenden-Kombination genau die eine - "richtige" - Belichtungszeit. Und der Fotograf kann sich derweil aufs Motiv konzentrieren.

Da hat die Automatik also in der Tat einen Nutzen.
Bei der Verwendung des Blitzes sieht das aber plötzlich völlig anders aus. Denn dabei kann im Grunde für ein technisch korrekt belichtetes Foto _jede_beliebige_ Zeit verwendet werden, die nicht kürzer als 1/180 s ist und nicht so lang ist, dass man bereits ohne Blitz eine Überbelichtung erhalten würde. Denn innerhalb dieser Spanne wird die korrekte Belichtung ja alleine vom Blitz, d.h. von dessen abgegebener Lichtmenge bestimmt. Ob die Kamera jetzt besser 1/180 s oder doch 1/15 s einstellt, ist zunächst egal, denn die Leuchtdauer des Blitzes ist in jedem Fall deutlich kürzer als diese Zeiten. Im Unterschied zum ersten Beispiel gibt es hier keine "richtige" Zeit, die zur gewählten Blende passt und von der Automatik bestimmt werden kann.
Dennoch ist diese Belichtungszeit von großer Bedeutung, den deren Wahl hat einen Einfluss auf die Wirkung des Umgebungslichtes, also des Anteils dieses Restlichtes an der Belichtung im Vergleich zur vom Blitz abgegebenen Lichtmenge, die unabhängig von der Belichtungszeit nahezu konstant ist.
Je länger die Belichtungszeit ist, desto mehr wird das Umgebungslicht zur Belichtung beitragen. Die Frage, ob man also eher 1/180 s oder eher 1/15 s wählt, kann _nur_ der Fotograf entscheiden - die Kameraautomatik kann das nicht wissen.
Und auch die gelegentlich vertretene Ansicht, man brauche zur Lösung dieses Problems nur zwei zusätzliche Fälle zu unterscheiden, nämlich "Blitz ist Hauptlichtquelle" und "Blitz dient zur Aufhellung", die man der Automatik dann halt zusätzlich mitteilt (z.B. über die Wahl des "SlowSync"-Modus), so dass man damit in "Av" wieder die jeweils passende Zeit bekommt, so ist das ebenfalls ein großer Irrtum.
Für den Fall "Blitz ist Hauptlichtquelle" ist das noch unproblematisch, denn ohne nennenswertes Restlicht ist es wurscht, ob ich 1/60 s oder 1/180 s nehme. Aber für einen Parameter, auf den es nicht ankommt, brauche ich auch keine Automatik, den kann ich getrost unverändert lassen. Immerhin schadet die Automatik dabei nicht.
Nun schauen wir uns das Aufhellblitzen an. Wäre es beim Aufhellblitzen das Ziel, die Belichtungszeit derart zu wählen, wie dies auch ohne Blitzeinsatz gemacht würde, dann könnten wir Av in der Tat verwenden, so wie wir diese Automatik auch ohne Blitz verwenden. Allerdings greift diese Überlegung viel zu kurz, denn die "Belichtung wie ohne Blitz" ist keineswegs immer die optimale Einstellung. Denn bei einem Portrait gegen den hellen Himmel, bei dem dieser noch deutliche Zeichnung aufweisen soll, während ich das Gesicht des Portraitierten mit dem Blitz aufhelle, bedarf es wie erwähnt einer anderen Einstellung als stünde die zu portraitierende Person in einer Kirche, deren Heiligenfigürchen im Hintergrund noch gut ausgeleuchtet werden sollen.
Und selbst für ein und dieselbe Situation kann es aus fotografischen Erwägungen nötig sein, völlig verschiedene Einstellungen in einer _identischen_ Situation nutzen zu wollen.
Daher gleich mal ein weiteres Beispiel dazu: Ich sitze mit der besten Ehefrau von allen in einer Kneipe an der Theke. Wie sie mich so anlächelt, denke ich darüber nach, sie zu fotografieren.
1. Überlegung: Was für eine nette Umgebung. Im Hintergrund die alten Wiskeyflaschen im Regal; der Barkeeper, der die Gläser poliert, an der Wand lehnt jemand an der schönen alten Musikbox. Das soll auf meinem Foto alles im Hintergrund gut zu erkennen sein. Also wähle ich eine vergleichsweise lange Belichtungszeit und dreh die ISO hoch, so dass meine Belichtungswaage beispielsweise auf -1/3 LW steht ...
2. Überlegung: Was für eine hässliche Kneipe, im Hintergrund der schäbige Wirt mit dem dreckigen Geschirrtuch; da hinten der Besoffene, der an der gammeligen alten Musikbox lehnt. Ich will meine Liebste fotografieren, keine Milieustudie. Also geh ich auf 1/180 s und Basis-ISO, damit die Belichtungswaage auf -2 LW geht und der Hintergrund dezent in Dunkelheit versinkt...
Das Beispiel mag ein wenig konstruiert sein, doch ich denke es macht klar, worauf ich raus will. Die Lichtverhältnisse können völlig identisch sein, dennoch wählt der Fotograf in beiden Fällen ganz unterschiedliche Einstellungen und bekommt doch in beiden Fällen korrekt belichtete Fotos. Wie soll nun bitte eine "dumme" Kameraautomatik sich zwischen 1 und 2 entscheiden?
Deshalb verwendet man Av beim Blitzen üblicherweise auch nicht! Tut man es dennoch, wird die Kamera irgendeine Belichtungszeit einstellen - welche das ist, hängt ggf. vom Modell ab und schwankt manchmal sogar von einer Firmwareversion zur nächsten. Was der Fotograf in der gegebenen Lichtsituation und Motivgestaltung für angemessen hält, könnte eine Kameraautomatik erst in dem Moment ermitteln, wo die Kamera über ein neuronales Interface verfügt - da sprechen wir dann in 30 Jahren nochmal drüber.
Dass es durchaus Fälle gibt, wo die Kamera in Av genau das einstellt, was der Fotograf ebenfalls für angemessen hält, ist ebenso richtig wie unbeachtlich.
cv