Re: Freistellung Vergleich zwischen verschiedenen Formaten
Mich treibt die Freistellung um – wie wahrscheinlich so viele ...
Freistellung durch selektive Schärfe
kann ein wirkungsvolles Gestaltungsmittel sein ... und ist es manchmal auch, sofern es gezielt und in Kombination mit einem ausgewählten Hintergrund eingesetzt wird. Doch in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle ist "Freistellung" ein verzweifelter (und meist vergeblicher) Versuch unfähiger Fotografen, um irgendwie einen unerwünschten oder ablenkenden Hintergrund loszuwerden. Man wird ihn aber nicht los – er wird bloß etwas unschärfer.
Wer fotografieren kann, den treibt viel öfter die Frage um, wie man
mehr Schärfentiefe bekommen kann, ohne auf ein Stativ zurückgreifen zu müssen. Geringe Schärfentiefe ist weniger Absicht als oftmals nur der Nebeneffekt des Zwanges, trotz schlechten Lichtes auf eine verwacklungssichere Verschlußzeit zu kommen. Ein guter Fotograf komponiert seine Aufnahmen ganzheitlich; Vordergrund und Hintergrund gehören zusammen und bilden gemeinsam das Bild. Ungeübte Fotografen hingegen konzentrieren sich allein auf ihr Hauptmotiv und ignorieren den Hintergrund, der dann meist stört und deswegen doch bitte irgendwie "verschwinden" möchte.
Nimm nur einmal irgend einen Bildband irgend eines beliebigen, wenigstens halbwegs bekannten Fotografen zur Hand und achte einmal darauf, wie groß der Prozentsatz der Bilder ist, deren Wirkung auf selektiver Schärfe beruht. Der wird für gewöhnlich winzig sein! Mal sehen ... ich habe hier zum Beispiel ein Buch mit Portraits von Inge Morath. Portraits sind ja gemäß allgemeiner Forums-Weisheit eines der Genres, wo "Freistellung" ganz furchtbar wichtig sei. Der Band enthält 104 Bilder mehr oder weniger bekannter Persönlichkeiten, die meisten von ihnen Künstler ... Maler, Dichter, Musiker, Schauspieler etc. Davon sind 50 Aufnahmen durchgängig scharf, 40 weisen eine nur maßvolle Hintergrundunschärfe auf, wie man sie mühelos auch mit kleineren Aufnahmeformaten erzielen könnte, und lediglich 14 Bilder haben einen betont unscharfen Hintergrund.
Bei anderen Genres als ausgerechnet Portrait ist der Prozentsatz von Bildern mit sehr unscharfem Hintergrund in der Regel noch geringer.
... aber wo finde ich den praktischen Vergleich?
Nichts einfacher als das: Mach dir deinen Vergleich doch einfach selber! Nimm deine vorhandene Kamera – egal, welche – und mache ein paar Testaufnahmen eines für dich typischen Motives mit verschiedenen Blendeneinstellungen. Eine Blende Differenz ergibt einen Unterschied in der Schärfentiefe bzw. der Hintergrundunschärfe, die etwa dem Unterschied zwischen Kleinbildformat und APS-C-Format bei äquivalenten Brennweiten und gleicher Blende entspricht.
Der Vergleich verschiedener Formate bei gleicher Brennweite und unterschiedlicher Entfernung (zur Wahrung eines konstanten Abbildungsmaßstabes des Hauptmotives) ist sinnlos, weil du dann verschiedene Bilder bekommst. Aber im Spezialfall kleiner Bildwinkel läuft das ungefähr auf den gleichen Unterschied hinaus wie der Vergleich bei äquivalenten Brennweiten und gleicher Entfernung. Bei mittleren und großen Bildwinkeln gilt das jedoch nicht.
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