Ich denke, das ist so kompliziert zu beurteilen, weil die Leute sehr unterschiedliche Motive haben, sich mit Technik zu befassen. Das oft genannte (aber nie erreichte) Ideal wäre ja, daß sich die Technik dem Zweck unterordnet. Aber dazu müßte man erst mal wissen, was der Zweck ist.
Normale Leute schauen sich Bilder inhaltlich an, nicht technisch. Technik fällt ihnen erst auf, wenn sie wirklich grottenschlecht ist; solange sie einigermaßen funktioniert, spielt sie keine Rolle und wird nicht beachtet. Wenn ein Bild so schlecht ist, daß dies auch normalen Betrachtern auffällt, handelt es sich in 99,9 % der Fälle um einen Fehler des Fotografen - und dagegen hätte auch das beste Equipment nicht geholfen.
Wenn also die Arbeit des Fotografen zu wünschen übrig läßt, macht die bessere Ausrüstung das Ergebnis auch nicht besser. Erst wenn der Fotograf Großartiges leistet, könnte eine bessere Kamera oder ein besseres Objektiv das Ergebnis noch um ein Quentchen schöner machen.
Ich denke, wir langjährigen Hobbyfotografen wissen das längst. Und trotzdem üben neue Kameras und Objektive eine fast magische Anziehungskraft auf uns aus. Und bei manchen wird dann sogar die Technik zur Hauptsache.
Kürzlich hörte ich im Radio eine Sendung zum Phänomen "DSDS", wo eine Psychologin erläuterte, wie es zu dieser Vielzahl von absolut talentfreien Teilnehmern kommen kann, die sich beim Casting vor Fernsehpublikum zum Affen machen. Immerhin gibt es die Sendung seit Jahren, und es sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, daß ein Lob von der Oma kein Indiz dafür ist, gut singen zu können.
Eine realistische Selbsteinschätzung haben laut Psychologin eigentlich nur jene Menschen, die an Depression leiden. Normale Menschen neigen dazu, ihre eigenen Fähigkeiten zu überschätzen.
Vermutlich ist es unter uns Hobbyfotografen genau dasselbe. Tief im Inneren glauben wir, daß wir (zumindest gelegentlich) ganz großartige Fotos machen, die jedes Quentchen mehr technische Qualität auf dem Weg zur Perfektion gebrauchen können. Viele spekulieren vielleicht auch damit, ihre Fotos gewinnbringend verkaufen zu können; da will man sich gegenüber den Bildagenturen natürlich nicht disqualifizieren, indem man eine zu niedrig auflösende Amateurkamera und ein nicht offenblendtaugliches Objektiv mit starker CA-Neigung verwendet.
Talent hat man oder auch nicht. Wissen muß man sich aneignen. Erfahrung kommt mit der Zeit von selber, aber man braucht Geduld. Im Gegensatz zu all diesen Eigenschaften ist die Beurteilung der rein technischen Aspekte relativ einfach und schnell zu realisieren. Das ist vielleicht einer der Gründe, warum Leute sich lieber mit der Schärfe ihrer Objektive befassen als mit der Frage, was man überhaupt fotografiert und für welches Publikum.