Ich befasse mich nun schon eine Weile mit ICC-Farbmanagement und sehe auch immer mehr die Schwächen.
Der Softproof, so wie er in vielen heutigen Programmen gemacht wird, ist leider ein unvollkommenes Verfahren. Auch am üblichen Druckerfarbmanagement kann man Kritik üben.
Das Grundproblem ist natürlich der sehr unterschiedliche Kontrastumfang von Monitoren und Papier. Gerade die Helligkeitswiedergabe ist häufig ein Anlass zu Kritik; es wird bemängelt, die Drucke seien viel zu dunkel. Dem wird dann meist entgegnet, die Monitore seien zu hell eingestellt. Aber so einfach ist es nicht. Die Kategorien "hell" und "dunkel" reichen zur Beurteilung nicht aus.
Eine Schwierigkeit, die ich glaube, erkannt zu haben, liegt in der uneinheitlichen Helligkeitswahrnehmung menschlicher Augen. Oberflächlich betrachtet finden wir z. B. ein Wohnzimmer mit typischer Abend-Beleuchtung "ausreichend hell", weil wir uns immer noch gut orientieren können. Was die Unterscheidbarkeit dunkler Farbtöne angeht, haben wir da aber schon erhebliche Einschränkungen - je nach Alter und Zustand der Augen sogar von Mensch zu Mensch unterschiedlich.
Es gibt Papierfotos, die sehen unter normal hellem Tageslicht einwandfrei aus, aber unter knappem Kunstlich plötzlich unterbelichtet. Das betrifft insbesondere Fotos mit relativ vielen dunklen Bereichen. Bei gutem Licht sehen wir all die vorhandenen Schattierungen, aber bei schlechtem Licht sind diese so gut wie abgesoffen. So entsteht insgesamt der Eindruck eines unterbelichteten Fotos.
Umgekehrt können Fotos, die tatsächlich unterbelichtet sind (was man z. B. am Histogramm gut erkennt), unter hellem Tageslicht immer noch okay aussehen. Da gibt es durchaus einen gewissen Empfindungsspielraum.
Nun hat das Farbmanagement ja den Anspruch, Farben und Helligkeit möglichst "menschengerecht" von einem Medium ins Andere zu übertragen. Während man das mit den Farben relativ stur messtechnisch machen kann, ist es mit der Helligkeitsveteilung schwieriger.
Aus der Kalibrierung von Fernsehern und Beamern kennt man die Idee, den Gammawert je nach Umgebungshelligkeit unterschiedlich einzustellen. Im Prinzip müsste man das auch bei Papierbildern machen. Allerdings weiß man nie, unter welchem Licht sie später angeschaut werden - so dass es auf einen Kompromiss hinausläuft.
Die heutigen Farbmanagementsysteme haben ihren Ursprung in den Druckereien und Grafikstudios. Da war es schon lange üblich, Druckergebnisse unter genormten Lichtverhältnissen zu beurteilen - und die Normen entsprachen eher einem gedämpften Tageslicht als irgendeiner künstlichen Beleuchtung.
Man setzt also die Helligkeitsverteilung von Bilddateien so um, dass sie unter gedämpftem Tageslicht gut aussieht und dem Original am Monitor nahe kommt (so gut das halt geht). Wie das Papierbild dann in dunklerer Umgebung wirkt, interessiert nicht. Dadurch kriegt man Papierbilder, die unter ausreichend hellem Tageslicht recht gut aussehen, aber unter knapper Zimmerbeleuchtung zu dunkel wirken können. Erschwerend kommt hinzu, dass der Effekt bei älteren und sehschwachen Menschen schon früher einsetzt als bei jungen Leuten.
Auch der Softproof folgt dieser Logik. Um den Kontrastumfang des Papiers zu simulieren, wird sowohl der Schwarzwert angehoben als auch der Weißwert abgesenkt. Als Vergleichswert dient dabei ein gut ausgeleuchtetes Papierbild unter Normlicht bzw. in einem Normlicht-Kasten.
Mit dem Betrachten der Bilder unter schlechterem Licht hat das aber wenig zu tun. Unter schlechtem Licht empfinden wir z. B. das Papier-Schwarz durchaus als Tiefschwarz, und wir erkennen auch längst nicht mehr jede feine Zeichnung in den dunklen Bildbereichen.
Erschwerend kommt oft noch eine mangelhafte Abstimmung zwischen Monitorhelligkeit und Umgebungshelligkeit hinzu. Wenn die Umgebung relativ dunkel ist, öffnen sich unsere Pupillen, und wir empfinden das Monitorbild nochmal heller. Das kontrastsimulierte Papierschwarz kommt uns dann wie ein Mittelgrau vor und hat mit dem, was wir auf dem schwach beleuchteten Papierbild sehen, keinerlei Ähnlichkeit mehr.
Das Softproof-Problem hat also zwei Ursachen:
Eine ist die fehlende Abstimmung der Monitorhelligkeit auf die Umgebung. Das Problem lässt sich beheben. Im Idealfall bekommt man eine sehr gue Übereinstimmung von Softproof und normbeleuchtetem Papierbild hin.
Die andere Ursache ist die wenig praxisgerechte Abstimmung von Druckerfarbmanagement und Softproof auf relativ helle Normbeleuchtung; dies liegt in der Umsetzung des Farbmanagements begründet und kann vom Anwender nicht direkt beeinflusst werden. Das Problem ist dabei gar nicht in erster Linie der "zu helle" Softproof, sondern eher der "zu dunkle" Ausdruck. Der Softproof soll ja eigentlich nur eine Kontrolle sein und nur im Ausnahmefall die Grundlage zusätzlicher Bearbeitungsschritte.
Ich fände es praxisgerechter, wenn das Drucker-Farbmanagement standardmäßig mehr auf das Betrachten der Fotos in dunklerer Umgebung eingestellt wäre. Das hätte für das Betrachten der Fotos in heller Umgebung viel weniger Nachteile als man jetzt Probleme in dunkler Umgebung bekommt.
Außerdem würde ich es für sinnvoller halten, die Kontratanpassung im Softproof stärker auf die dunklen Tonwerte zu konzentrieren, also den Schwarzwert nicht so weit hochzuschrauben und dafür lieber den Weißwert weiter abzusenken.