Bei mir ist der Hauptzweck des Polfilters durchaus nicht das Entspiegeln von Glas- oder Wasseroberflächen, sondern das Verringern des Dynamikumfanges bei sehr hellen Himmeln. Dadurch sind die Himmel blau statt glasklar und die Wolken sehen eindrucksvoller aus. Ein Polfilter ist da durch Bildverarbeitung bei weitem nicht!!! ersetzbar, denn wenn der Himmel stark überbelichtet ist, kann eine Bildverarbeitung nichts mehr heraus holen, es sei denn, man tauscht den ganzen Himmel aus. Eine gewisse Alternative zum Polfilter bezüglich Himmel sind HDR und Verlaufsfilter, aber das ist mehr Aufwand und es gehört beim HDR schon Geschick dazu, es so natürlich aussehen zu lassen.
Ein Polfilter funktioniert aber nur, wenn man etwa um 90 Grad zur Sonne steht, d.h. wenn die Sonne von der Seite kommt. Bei Sonne von hinten oder vorn wirkt der Polfilter nicht.
Manchmal hilft der Polfilter etwas bei trüber Luft, d.h. diese wirkt klarer.
Wenn im Sucher der Himmel blauer wird, dann auch auf dem Bild. Bei einer Spiegelreflexkamera ist das so. Wenn nicht, dann ist beim Fotografieren nach dem Einstellen des Polfilters in eine andere Richtung im Vergleich zur Sonne geschwenkt worden oder das gewählte Aufnahmeprofil bei jpg, z.B. Landschaft, Portrait, Kunstlicht ..., hat bei der kamerainternen Bildverarbeitung die Wirkung des Polfilters teilweise aufgehoben. Ich fotografiere immer in RAW oder RAW plus jpg - das jpg für die schnelle Ansicht und das RAW-Bild für die Bildbearbeitung.
Es gibt aber noch eine weitere Möglichkeit. Das menschliche Auge hat einen wesentlich größeren Dynamikumfang als eine DSLR, d.h. was das menschliche Auge noch als hellblau oder andere helle Farbe innerhalb eines sehr kontrastreichen Bildes erkennt, ist für eine DSLR schon überstrahlt bzw. weiß. Bei dunklen Farben ist das analog. Was das Auge noch als dunkelfarbig erkennt, ist für die Kamera schon längst schwarz. Um diese extremen Helligkeitsunterschiede innerhalb eines Bildes für eine DSLR bewältigbar zu machen, werden Polfilter, Verlaufsfilter und HDR eingesetzt. HDR geht immer, aber man sollte für hohe Auflösung immer ein Stativ benutzen. Ein Verlaufsfilter funktioniert nur gut bei annähernd linearen Horizont, also z.B. waagerecht oder schräng, aber weniger gut mit größeren Strukturen im Bild (Häuser, Bäume, Berge), die sowohl unter- als auch oberhalb des Horizontes liegen, weil dann der Helligkeits- bzw. Abdunklungsübergang mitten durch diese Motive geht. Eine normale Bildverarbeitung kann nicht funktionieren, denn aus überstrahlten Bildbereichen kann man keine Information mehr herausholen und aus sehr dunklen Bildbereichen verstärkt man auch das Rauschen. Man kann zwar mit Bildverarbeitung auch Verlaufsfilter überlegen, aber das funktioniert nur eingeschränkt und bei hohem Dynamikumfang gar nicht.
Ein gewisses Problem bereiten Polfilter bei sehr kurzen Brennweiten (UWW, Fisheye). Angenommen, man fotografiert genau im rechten Winkel zur Sonne, also die Sonne von der Seite. In der Mitte des Bildes wirkt der Polfilter sehr stark, aber je weiter außermittig, desto mehr weicht das von den 90 Grad ab und desto heller wird der Himmel. Bei einem Fisheye mit einem Aufnahmewinkel von z.B. 180 Grad ist das extrem, denn in Bildmitte ist die Sonne von der Seite und am linken bzw. rechten Bildrand genau von vorn bzw. hinten. Auch Verlaufsfilter können bei sehr kurzen Brennweiten Probleme bereiten, da innerhalb des Himmel der Dynamikumfang sehr groß sein kann, wenn ein Teil des Himmels schon recht sonnennah ist. Hier hilft nur noch HDR oder verwandte Techniken, also eine Belichtungsreihe.
Aber HDR hat auch so seine Tücken:
- wesentlich mehr Speicherplatz erforderlich
- Stativ sinnvoll
- etwas höherer Aufwand und Feingefühl bei Bildrekonstruktion mit HDR-Programm erforderlich, sonst sieht es unnatürlich aus (künstlerisch überfremdet)
- geht nicht bei bewegten Motiven, da dann die Bilder einer Belichtungsreihe nicht identisch.
Ergo:
Es gibt bei hohem Dynamikumfang keine Universaltechnologie. Je nach konkreten Umständen sind Pol- oder Verlaufsfilter oder HDR/DRI/Exposure Blending besser, wobei es natürlich Überschneidungsgebiete gibt, wo mehrere Techniken gehen.