Nachfolgend meine Gedanken aus den letzten knapp 10 Jahren Vogelfotografie in Deutschland.
Mein Stil ist vorwiegend ein Mix aus Pirsch und situationsbedingt wo nötig zeitweise leichter Tarnung (Netz / Tarnponcho). Also meist eher mobil und nur bei Spezialprojekten wo nötig längere Zeit stationär aus dem Tarnzelt (bspw. Kornweihen).
Mein "Equipment-Werdegang": Begonnen mit der D300 und später D500 am Nikon 200-500, dann noch unter Nutzung der D500 der Umstieg auf ein 500 f/4G (meine erste Supertele-FB und subjektiver Wow-Moment damals). Das 500 f/4G habe ich dann noch eine Weile per FTZ an der Z6 betrieben.
Dann habe ich es mitsamt der D500 verkauft und mir ein 600 f/4 FL zugelegt, welches ich dann mit FTZ zunächst noch an der Z6 und etwas über ein Jahr lang an der Z9 genutzt habe und damit sehr zufrieden war. Mittlerweile bin ich mit Z800PF und Z400TC ganz auf Z umgestiegen und das 600FL kann weg.
1.
So eine lichtstarke Supertele-Festbrennweite ist im direkten Vergleich zu den üblichen Zooms bis 500/600mm eine andere Welt in puncto AF-Geschwindigkeit, Schärfe und genereller Bildanmutung (Bokeh, Darstellung in den Übergangsbereichen wo man Strukturen noch grob erkennt).
Wobei ich AF-Geschwindigkeit und die Bildanmutung als praktisch deutlich wichtiger einstufe als die bessere Schärfe. Klar kann man im typischen Ansitzumfeld bei den dann üblichen Distanzen zum Motiv auch mit f/8 oder f/11 unscharfe Hintergründe erzeugen.
Es soll aber auch Leute geben, die das Genre gerne etwas weniger eng ausleben und nicht dauernd im 0815 Stil an Futterstellen die Vögel in der gleichen Entfernung auf dem gleichen Ast sitzend vor dem gleichen HG ablichten.
Ich will die Vögel oft auch gerne kleiner im Bild eingebettet in ihren Lebensraum zeigen und setze mehr auf Stimmungen als auf maximal groß. Dafür ist die Art und Weise wie eine lichtstarke Supertele-FB diese nur "halb verschwommenen" Teile abbildet oft förderlich.
Hinzu kommt einfach der für mich größte Vorteil in der Dämmerung und Nacht (bei mir geht es dann hauptsächlich um Eulen). Wenn du hier auch deine Beweggründe drin wieder findest wirst du den Schritt nicht bereuen.
2.
Thema Ersatzteile / Ersatzteilversorgung: Natürlich würde man sich den Service gerne ersparen, aber vielleicht wird es einfach mal nötig. Und dann gilt die simple Regel je neuer das Objektiv ist, desto eher wird es noch mit Ersatzteilen versorgt. Klarer Vorteil FL!
Bei meinem 600FL musste mal das "Rear Fixed Tube" getauscht werden, weil es mir mit der Z6 dran mitsamt Stativ in der Steinkauzwiese umgekippt ist (Hanglage und ich Dackel hatte den Neiger nicht richtig festgezogen während ich durchs Fernglas in ne andere Richtung geglotzt habe).
Die paar hundert Euro sind ohne Zweifel ärgerlich und niemand will sowas erleben. Wenn ein AF-Motor, die VR-Einheit, oder das Frontelement getauscht werden muss ist das sicher genauso nervig. Es ist aber auch kein Weltuntergang. Man muss die Kosten mal ins Verhältnis zum Wert des Objektivs setzen.
Zumal man ja nachdem der Service damit fertig ist auch wieder ein tip top funktionierendes scharf abbildendes Objektiv zur Verfügung hat.
3.
Dass die Handhabung im Feld mit dem 600FL sehr viel besser als beim kopflastigen & wesentlich schwereren G ist steht außer Frage.
Ich hatte ja kein 600G, sondern das 500G davor, aber ich fand das 600FL sogar irgendwie angenehmer im Handling als das 500G. Das liegt auch nicht nur am Gewicht, sondern am Schwerpunkt der bei den neueren Objektiven näher am Körper liegt. Kann man sich ja denken was das für den Vergleich zum 600G heißt ...
Ich habe das 600FL die meiste Zeit freihändig genutzt und viel Spaß dabei gehabt und tolle Bilder gekriegt (Beispiele im Anhang).
Bei der Wirksamkeit des VR liegen Welten zwischen den FL und den Vorgängern. Sowohl beim 500FL als auch beim 600FL kann man locker auch mal mit 1/20s scharfe Bilder aus Serien kriegen. Der Punkt ist gerade bei dämmerungsaktiven Arten extrem wichtig.
Auch hier also klarer Vorteil für das FL. Das G ist echt nur für Leute, die wirklich schon vorher genau wissen sie machen immer nur Ansitzfotografie mit Stativ aus Tarnzelt / Hütte / Auto und wollen niemals damit länger freihändig pirschend unterwegs sein. (Da entgeht einem aber einiges.)
4.
Robuster gebaut und besser gegen Regen und Staub geschützt sind solche Festbrennweiten natürlich auch im Vergleich zu Zooms mit ausfahrendem Tubus.
Hinzu kommen mehr individualisierbare Bedienelemente am Tubus, z.B. für das blitzschnelle Abrufen einer gespeicherten Fokusdistanz per Knopf.
Ich hoffe das hilft ein wenig zur Einschätzung. Ich würde kurzum sagen: Kauf dir das 600FL.