Radfahrerin
Themenersteller
Mahlzeit, Deutschland!
Für dieses Buch sind fast 200 Fotografen und Fotografinnen vom Fotoverband Freelens losgezogen, um Einblicke in ein Stück deutscher Alltagskultur zu geben. Das Thema ist scheinbar einfach, es geht um Esskultur. Herausgekommen ist ein knapp 450 Seiten dickes Buch, das ich total faszinierend finde. Beeindruckend ist für mich die enorme Vielfalt, die bei der Beschäftigung mit dem Thema herausgekommen ist, und entsprechend fällt es schwer, Worte zu finden, die auf dieses riesiges Kaleidoskop an Eindrücken passen. Einfacher ist es für mich, selber ein paar Spots auf die enorme Breite der Motive zu werfen, die hier unter der Überschrift „Mahlzeit“ vereint sind.
Da sind knallharte Reportagen aus der Arbeits- und Produktionswelt: Wer dem Schlachter beim Ausnehmen des noch dampfenden Schweins zuguckt, bekommt eine andere Beziehung zur plastikverschweißten Frühstückwurst. Ebenfalls am Rand der Ekelschwelle: Zwei vermummte Männer greifen einem geschlachteten Stör in den Bauch und ziehen eimerweise Kavier heraus. Dagegen beinahe zärtlich: Ein alter Imker bläst mit einer unförmigen Pfeife Rauch auf sein Bienenvolk, mit dem „Smoken“ hält er die Tiere ruhig, wenn er den Honig ernten will. Anonym und kühl im Neonlicht: Die Lebensmittelkontrolle im Luftfrachtumschlagplatz des Frankfurter Flughafens, wo sich argentinisches Rindersteak und Ananas aus Ghana begegnen. Faszinierend schöne Reportagen über den Beruf des Fischers, der mit dem Auslegen der Fangnetze beginnt und mit dem Räuchern des Fanges noch lange nicht zuende ist. Manche Bilder bringen die Situation so nahe, dass sie geradezu körperlich spürbar ist, so lässt ein Foto von der Abfüllanlage einer Bierbrauerei den klirrenden Krach der umlaufenden Flaschen geradezu in meinen Ohren klingeln. Die Fotografen nehmen den Leser mit auf Ausflüge in die Landwirtschaft, zeigen die endlose Weite riesiger Spargelfelder ebenso wie Impressionen vom neuesten Trend des „Urban Gardening“, wo junge Stadtgärtner ihre Radieschen in Plastikkisten ziehen.
Das Thema erschöpft sich aber bei weitem nicht mit dem Bereich der Essensproduktion. Die Vermarktung über die anonymen Wege der Lebensmittelindustrie findet sich ebenso im Bild wie der altvertraute Weg vom Produzenten zum Wochenmarkt. Romantische Fotos von handgefertigten Leckereien sorgen beim Blättern für Appetit. Zu sehen gibt es auch interessante Experimente wie einen Selbstbedienungsladen, in dem kein Personal an der Kasse sitzt: Der Betreiber vertraut darauf, dass der Kunde selbst korrekt abrechnet.
Schließlich geht es um das Essen selbst. Die natürlichste Ernährung der Welt darf nicht fehlen: eine Mutter beim Stillen ihres Babies. Gegessen wird auch auf Zeltplätzen, in Kneipen, Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen, und jeder dieser Orte hat seine ganz bestimmte Stimmung und Ausstrahlung. Zu sehen gibt es Speisen, die sofort für reflektorischen Speichelfluss bei mir gesorgt haben, aber auch Dinge auf dem Teller, die ich mir freiwillig nie einverleiben würde.
Fazit: Was ich bis jetzt erzählt habe, ist nur ein kleiner Eindruck. Die Vielfalt ist noch viel größer und in solchen Aufzählungen kaum wieder zu geben. Als ein Reportageband über deutsche Alltagskultur ist das Buch „Mahlzeit, Deutschland!“faszinierend – ganz klar ein Buch, das ich zwanzig Jahre aufbewahren werde, um dann kopfschüttelnd über unsere derzeitigen Gewohnheiten darin zu blättern.
Was aber bringt das Buch einer ambitionierten Fotografin? Wer sich nur für Bilder interessiert, die im landläufigen Sinne „schön“ sind, wird an dem Band keine Freude haben. Anregend aber ist das Buch für alle, die sich für Reportagefotografie interessieren und immer wieder auf der Suche nach Ideen sind, wie sich Themen fotografisch umsetzen lassen. Was das angeht, werde ich das Buch bestimmt noch oft zur Hand nehmen, denn diese Eindrücke muss man erstmal sacken lassen und ich bin sicher, immer wieder neue Herangehensweisen darin zu entdecken. Nicht alle, aber sehr viele der aufgenommenen Fotografien begeistern mich durch ihren kompromisslosen Bildschnitt und die Überwindung voyeuristischer Distanz. Sie nehmen mich mitten hinein ins Geschehen. Davon kann ich noch viel lernen.
Freelens (Hg.): Mahlzeit, Deutschland
dpunkt-Verlag 2013, 448 Seiten, Festeinband
ISBN: 978-3-86490-012-9
39,90 Euro
Für dieses Buch sind fast 200 Fotografen und Fotografinnen vom Fotoverband Freelens losgezogen, um Einblicke in ein Stück deutscher Alltagskultur zu geben. Das Thema ist scheinbar einfach, es geht um Esskultur. Herausgekommen ist ein knapp 450 Seiten dickes Buch, das ich total faszinierend finde. Beeindruckend ist für mich die enorme Vielfalt, die bei der Beschäftigung mit dem Thema herausgekommen ist, und entsprechend fällt es schwer, Worte zu finden, die auf dieses riesiges Kaleidoskop an Eindrücken passen. Einfacher ist es für mich, selber ein paar Spots auf die enorme Breite der Motive zu werfen, die hier unter der Überschrift „Mahlzeit“ vereint sind.
Da sind knallharte Reportagen aus der Arbeits- und Produktionswelt: Wer dem Schlachter beim Ausnehmen des noch dampfenden Schweins zuguckt, bekommt eine andere Beziehung zur plastikverschweißten Frühstückwurst. Ebenfalls am Rand der Ekelschwelle: Zwei vermummte Männer greifen einem geschlachteten Stör in den Bauch und ziehen eimerweise Kavier heraus. Dagegen beinahe zärtlich: Ein alter Imker bläst mit einer unförmigen Pfeife Rauch auf sein Bienenvolk, mit dem „Smoken“ hält er die Tiere ruhig, wenn er den Honig ernten will. Anonym und kühl im Neonlicht: Die Lebensmittelkontrolle im Luftfrachtumschlagplatz des Frankfurter Flughafens, wo sich argentinisches Rindersteak und Ananas aus Ghana begegnen. Faszinierend schöne Reportagen über den Beruf des Fischers, der mit dem Auslegen der Fangnetze beginnt und mit dem Räuchern des Fanges noch lange nicht zuende ist. Manche Bilder bringen die Situation so nahe, dass sie geradezu körperlich spürbar ist, so lässt ein Foto von der Abfüllanlage einer Bierbrauerei den klirrenden Krach der umlaufenden Flaschen geradezu in meinen Ohren klingeln. Die Fotografen nehmen den Leser mit auf Ausflüge in die Landwirtschaft, zeigen die endlose Weite riesiger Spargelfelder ebenso wie Impressionen vom neuesten Trend des „Urban Gardening“, wo junge Stadtgärtner ihre Radieschen in Plastikkisten ziehen.
Das Thema erschöpft sich aber bei weitem nicht mit dem Bereich der Essensproduktion. Die Vermarktung über die anonymen Wege der Lebensmittelindustrie findet sich ebenso im Bild wie der altvertraute Weg vom Produzenten zum Wochenmarkt. Romantische Fotos von handgefertigten Leckereien sorgen beim Blättern für Appetit. Zu sehen gibt es auch interessante Experimente wie einen Selbstbedienungsladen, in dem kein Personal an der Kasse sitzt: Der Betreiber vertraut darauf, dass der Kunde selbst korrekt abrechnet.
Schließlich geht es um das Essen selbst. Die natürlichste Ernährung der Welt darf nicht fehlen: eine Mutter beim Stillen ihres Babies. Gegessen wird auch auf Zeltplätzen, in Kneipen, Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen, und jeder dieser Orte hat seine ganz bestimmte Stimmung und Ausstrahlung. Zu sehen gibt es Speisen, die sofort für reflektorischen Speichelfluss bei mir gesorgt haben, aber auch Dinge auf dem Teller, die ich mir freiwillig nie einverleiben würde.
Fazit: Was ich bis jetzt erzählt habe, ist nur ein kleiner Eindruck. Die Vielfalt ist noch viel größer und in solchen Aufzählungen kaum wieder zu geben. Als ein Reportageband über deutsche Alltagskultur ist das Buch „Mahlzeit, Deutschland!“faszinierend – ganz klar ein Buch, das ich zwanzig Jahre aufbewahren werde, um dann kopfschüttelnd über unsere derzeitigen Gewohnheiten darin zu blättern.
Was aber bringt das Buch einer ambitionierten Fotografin? Wer sich nur für Bilder interessiert, die im landläufigen Sinne „schön“ sind, wird an dem Band keine Freude haben. Anregend aber ist das Buch für alle, die sich für Reportagefotografie interessieren und immer wieder auf der Suche nach Ideen sind, wie sich Themen fotografisch umsetzen lassen. Was das angeht, werde ich das Buch bestimmt noch oft zur Hand nehmen, denn diese Eindrücke muss man erstmal sacken lassen und ich bin sicher, immer wieder neue Herangehensweisen darin zu entdecken. Nicht alle, aber sehr viele der aufgenommenen Fotografien begeistern mich durch ihren kompromisslosen Bildschnitt und die Überwindung voyeuristischer Distanz. Sie nehmen mich mitten hinein ins Geschehen. Davon kann ich noch viel lernen.
Freelens (Hg.): Mahlzeit, Deutschland
dpunkt-Verlag 2013, 448 Seiten, Festeinband
ISBN: 978-3-86490-012-9
39,90 Euro