Meine laut nachgedachte Frage war nur, ob man für die letzten 20 Prozent optischer Leistung das Mehrfache ausgeben sollte/könnte/müßte oder nicht.
Ja, man kann. Nein, man muß nicht. Tatsächlich schafft es eine ganz eigene Befriedigung, wenn es gelingt, mit eher mittelmäßig beleumundeten Objektiven großartige Bilder hinzukriegen. Und insbesondere die Bedeutung der schieren Schärfeleistung wird gern überschätzt.
Aber ...
Generell macht es ja gerade den Reiz alter Objektive aus, daß sie nicht perfekt korrigiert sind und ihre eigentümlichen „Fehler“ mitbringen (die natürlich für die eigene Fotografie passen müssen, klar) …
... "passen müssen" ist der Knackpunkt. Es gibt Fehler, die charmant sind, und es gibt Fehler, die stören. Tatsächlich sind die meisten Fehler mal so, mal so, je nach Bildinhalt und gestalterischer Absicht. Deshalb tut man sich unterm Strich und auf die Dauer mit möglichst fehlerfreien ... äh, oder zumindest fehlerarmen Objektiven leichter. Zwar werden (nahezu) fehlerfreie Objektive oftmals als "klinisch" oder "seelenlos" verunglimpft. Aber das halte ich für Unsinn, denn tatsächlich hat die (weitgehende) Abwesenheit von Fehlern auch ihren eigenen, ganz besonderen Charme ...
Gerade bei Objektiven der Reihe RMC Tokina SL bin ich ein gebranntes Kind. Einst besaß ich das SL 1:2,8/24 mm (für Minolta SR) ... und habe mir einige ansonsten sehr gelungene Aufnahmen damit verdorben. Denn es war dezentriert, was mir aber erst bei einigen besonders kritischen Aufnahmen aufgefallen ist; bis dahin war ich eigentlich sehr zufrieden mit dem Ding. Mein Vater besaß damals ein RMC Tokina SL 1:2,8/28 mm, und das habe ich auch nie gemocht.
Vor Jahren habe ich aufgegeben, an Whisky-Tastings teilzunehmen. Denn irgendwann merkte ich, daß es völlig sinnlos ist, von einem Whisky ein Schlückchen zu kosten – womöglich auch noch in ungewohnter Umgebung – und ihn daraufhin beurteilen zu wollen. Will ich wissen, ob ein Whisky schmeckt, so muß ich eine Flasche davon kaufen, nach Hause tragen und austrinken. Natürlich nicht an einem Abend ... und auch nicht innerhalb einer Woche. So etwas dauert mindestens ein Vierteljahr, eher ein halbes. Habe ich
dann das Verlangen, eine weitere Flasche zu kaufen, so war er gut. Sonst nicht ... und daß ich keine weitere Flasche mag, kommt oft genug auch bei Whiskys vor, die mir beim allerersten Dram eigentlich sehr gut geschmeckt hatten.
Mit Objektiven ist es ebenso. Willst du wissen, was es dir taugt, dann teste es nicht – und lies schon gar nicht anderer Leute Testberichte! Benutze es ein halbes Jahr, dann weißt du Bescheid. Und ob ein Objektiv dabei am Ende besteht oder durchfällt, kann man unmöglich vorhersagen ... schon gar nicht anhand des Anschaffungspreises.