Hallo,
dass Kunst von "Können" stammt ist eine Sache, die andere allerdings, was Kunst nun ist. Ich denke diese Diskussion ist so alt wie die Menschheit, und wird auch hier nicht gelöst werden.
Was Feudel kritisiert - teilweise zurecht -, ist, dass häufig Interpretationen und Beurteilungen stattfinden, wo es nichts zu interpretieren oder bewerten gibt. Ich mag natürlich zustimmen... so mancher hat sicherlich schon ein Foto geschossen, weil er das Motiv einfach interessant oder schön fand, ohne jegliche Hintergedanken. Und dann kommen alle "Besserwisser", und fangen an, das Bild sprachlich zu sezieren, und ordnen dem Künstler Eigenschaften und Gedankengänge zu, die er nie gehabt hat. Manchmal positive, manchmal negative. Es finden sich plötzlich etliche Experten, die kritisieren, ohne selbst jemals etwas zustande gebracht zu haben. Das Problematischste aber hierbei: Subjektivität wird mit Objektivität gleichgesetzt. Die Kritiker versuchen, ihre persönliche Sichtweise und ihren Geschmack, als Allgemeingut zu verbreiten. Ein Foto ist dann "schlecht" (oder "gut"), je nachdem auf welchen Kritiker es trifft und wieviele andere Leute dessen Meinung nachblöken. So wird Mode und Stil gemacht, und hiervon leben viele viele Menschen auf parasitäre Art, die selbst gestalterisch keinen Finger krumm machen.
Die andere Seite hat einen viel schwereren Argumentationsstandpunkt. Kritiker versuchen zu belegen, dass niemand etwas "einfach nur so" macht. Ein Künstler, der ein Kunstwerk schafft, denkt sich immer etwas dabei, auch wenn es ihm nicht bewusst ist. Selbst das einfache Empfinden "weil's halt schön ist" beinhaltet so viel soziokulturelle Prägung, dass niemand einfach etwas schön findet, weil es eben schön ist. Hier spielt das Geschlecht, das Alter, die soziale Entwicklung, Bevölkerungsgruppe, der bisherige Lebensweg, und.. und.. und.. eine Rolle. Sicherlich sind Geschmäcker verschieden, aber es gibt eben einen Zeitgeist, den man als Durchschnitt einer Bevölkerungsgruppe betrachten kann, der auf ähnliches ästhetisches Empfinden baut. Und das ist wichtig, wenn es darum geht, zu beurteilen, ob etwas "gut" oder "schlecht" ist, und ob eine bestimmte Aussage dahintersteht, die diesen Zeitgeist trifft. Individuell mag diese Beurteilung sehr verschieden sein, aber auf eine breite Bevölkerungsgruppe bezogen lassen sich durchaus qualitative Beurteilungen treffen, und diese lassen sich auch sachlich belegen.
Meine ganz persönliche Meinung zu diesem Thema: Ich könnte zig tausende Situationen nennen, wo ich NICHT mit der Bewertung eines Kunstwerks (Bild, Film, Musik, etc.) einverstanden bin. Das ist logisch, und nichts verwerfliches. Trotzdem bin ich überzeugt, dass man bei der Auseinandersetzung mit einem Foto durchaus Elemente herauslesen kann, die zu diesem Kunstwerk geführt haben, manchmal sogar unbewusst durch den Fotografen. Andererseits finde ich, dass unser Hobby schon so stark durch die technisch-optische Seite dominiert wird, (man schaue sich mal an, die meisten Postings stehen in den technischen Foren über Geräte, Optik und Zubehör), dass die künstlerisch-gestalterische Seite oft nur eine sekundäre Rolle spielt. Obwohl gerade die Schönheit unsereres ausdrucksstarken Hobbies eigentlich an erster Stelle stehen sollte.
Gruss,
Yalnin