In Antwort auf Albundy's:
"Ob man die Bilder beim Bewerten einfach nach gefällt und gefällt nicht unterteilen kann, ist zwar jedem selbst überlassen. Ob dies allerdings einem fairen Wettbewerb angemessen ist, bleibt für mich fraglich."
Zuweilen ist das keine Frage der Fairness, sondern eine der Interesse an einer präziseren Bildanalyse bzw. bei Manchen sogar Schlicht an der Fähigkeit dazu, weil sie Fotos noch nie anders betrachtet und beurteilt haben als nach Daumen hoch oder Daumen runter.
Ohne das Thema jetzt hier vertiefen zu wollen, muss ich dazu doch noch was los werden.
Nach Jahrzehnten als Naturwissenschafter (Mediziner) darf ich behaupten, differenzierte und wissenschaftlich fundierte Sachanalysen sind als Entscheidungsgrundlagen mein täglich Brot.
Zugleich fände ich ein Leben ohne Kunst (insbesondere Musik aber auch die bildenden Künste) öde und traurig. Kultur ist ein Wesensbestandteil des Menschen.
Unbestreitbar waren seit der Antike ("Goldener Schnitt") über die Gothik ("Heilige Zahlen" der Kathedralenbaumeister) bis in die Moderne ( "Sierpinski-Dreieck") und Gegenwart ("Mandelbrot-Fraktal", "Fibonacci-Sequenz") mathematische und somit theoretische Überlegungen Grundlage zahlreicher künstlerischer Bemühungen (übrigens auch in der Musik von Bach bis Anton von Webern).
Abgesehen von jenen Fällen, wo das evident statische Grundlage des Kunstwerkes darstellt (Architektur), liegt aber die Meisterschaft nicht im konstruktivistischen Aufbau eines z.B. Bildes oder Musikstückes, sondern in der unbewussten Internalisierung dieser Theorie durch den Schöpfer.
Das Finale des ersten Akts von Mozarts „Don Giovanni“, Strawinskis „Sacre du Printemps“ oder John Coltranes „Love Supreme“ kann man zwar „dekonstruieren“ indem man Tempi, enharmonische Sprünge, Phrasierung etc. aufdröselt, doch das wird dem Werk nicht gerecht.
Nichts öderes auf Erden als die Einführungsvorträge bei Vernissagen, wo Kritiker den Fremdwörterduden von hinten nach vorne aufsagen, um dem Werk Bedeutung zu geben.
Pardon, ich ****** auf das Gelabere.
Künstlerischer Ausdruck in jedweder Form muss menschlich berühren, das kann ein abstraktes Aquarell ebenso wie ein Solo von Miles Davis oder eine Fotodokumentation – oder eben nicht, dann helfen alle „heiligen Zahlen“ zusammen in der Konstruktion nicht.
Leonard Bernstein hat einmal gemeint, es bedarf nicht nur eines guten Musikers um gute Musik zu spielen, sondern ganz besonders auch um sie zu hören! Intuitiv kann man in Alban Bergs seriellen Orchesterwerken den Landler raushören, weshalb sie Amerikaner oder Japaner bis heute nicht richtig spielen können.
Für mich ist Fotografie ein Hobby (obwohl ich als Student vor langer Zeit bei Reuters nebenbei mit Fotoreportagen gutes Geld verdient habe). Ich habe mir nie eingebildet, herausragende Bilder abzuliefern, ich mach es aus Freude, und manchmal kommt was ganz Nettes dabei raus.
Aber sowenig wie ich Strawinskis Frühlingsopfer oder Coltranes Love Supreme zerlegen muss um sie genial zu finden, werde ich in einem Bild Adam Ansels den Goldenen Schnitt oder die Fibonacci-Sequenz suchen, damit es mir gefällt – geschweige denn in einem hier zur Schau gestellten, von denen ich immer wieder welche genial finde (dierk, Pippi, u.v.a.).
Das war der lange Sinn der kurzen Rede: entweder es gefällt oder es gefällt nicht – und manchmal bleibt mir vor Staunen der Mund offen, wie bei Jimi Hendrix‘ oder Eric Gales Improvisationen, oder bei Robert Mertens fotografischen Stadtportraits.
So was will ich nicht kaputtanalysieren.