Der Grund, warum 50 mm als Standard für das Kleinbildformat gilt, hat mit dem angeblichen "natürlichen Sehwinkel" des menschliches Auges gar nichts zu tun. Dem Winkel über das gesamte Sehfeld des menschlichen Auges kommt ein Vollbild-Fischauge am nächsten, und dem Winkel des Bereiches des schärfsten Sehens ein mittleres bis langes Tele. Man könnte sich also irgend etwas dazwischen aussuchen.
"Normal" ist eine Brennweite dann, wenn das Verhältnis der Größe des Aufnahmeformates zur Brennweite etwa gleich ist wie das Verhältnis von der Größe eines Abzuges zum Betrachtungsabstand. Und da man einen mittelgroßen Print aus einem Abstand betrachtet, der in etwa der Bilddiagonale entspricht, ist auch die Normalbrennweite gleich der Formatdiagonale. Und warum hat die Leica dann eine Standardbrennweite von 51,6 mm statt 43,3 mm? Das hat mehrere Gründe: Das Kleinbildformat galt seinerzeit als extrem winzig, und es war wünschenswert, seine Fläche voll auszunutzen und die Motive groß ins Bild zu setzen. Das wird durch einen etwas engeren Bildwinkel unterstützt. Zweitens waren damals für Fotoalben kleine Abzüge üblich, z. B. im Format 6 × 9 cm oder 7 × 10 cm. So kleine Prints betrachtet man tendenziell aus einem größeren Abstand, als es ihrer Bilddiagonale entspräche. Und drittens war damals ein Objektiv mit kleinerem Bildwinkel einfacher zu konstruieren und daher preisgünstiger in guter Qualität herzustellen.
Was die Abstufung der Brennweiten von Wechselobjektiven angeht: Dieses Thema kommt hier immer wieder aufs neue hoch. Bei den Überlegungen aber einen Umweg über die Größen der Eintrittspupillen zu gehen, ist meines Wissens neu ... und unsinnig. Denn beim Brennweitenwechsel geht's nicht um Blenden, sondern um Bildwinkel und Perspektive. Je größer der Bildwinkel, desto näher muß man an ein gegebenes Motiv heran, und desto stärker verschieben sich dadurch die Verhältnisse von Motiventfernung zu Hintergrundentfernung. Meistens kreisen die Diskussionen über kurz oder lang um den passenden Abstufungsfaktor ... 2fach, 1,4fach (Wurzel aus zwei), 1,6fach (Goldener Schnitt) usw.
Aber ein fester Faktor ist unsinnig. Denn im Weitwinkelbereich muß man für eine spürbare Perspektivenänderung nur einen kleinen Schritt machen und im Telebereich eine kleine Wanderung. Und der Unterschied ist nicht proportional zur Brennweite bzw. zur Motiventfernung, sondern stark überproportional. Wird die Brennweite im Weitwinkelbereich zum Beispiel verdoppelt (und die Entfernung zum Hauptmotiv entsprechend angepaßt), so ergibt sich eine vollkommen andere Bildwirkung. Wird aber die Brennweite eines ohnehin schon langbrennweitigen Objektives verdoppelt (und erneut die Entfernung zum Hauptmotiv entsprechend angepaßt), so bemerkt man hinsichtlich der Bildwirkung praktisch keinen Unterschied zwischen den zwei Tele-Aufnahmen.
Deshalb werden Weitwinkelobjektive enger, Teleobjektive weiter gestuft. Ein fest vorgegebener Faktor, um von einer Brennweite zur nächsten zu gelangen, wäre unsinnig.