Moinsen,
@ /bd/:
Du schreibst zwar viel und oft, sagst aber letztendlich inhaltlich absolut nichts Konkretes, an dem man irgendetwas festmachen könnte.
doch, doch! Vor allem in den Beiträgen 25 und 29 ist die wesentliche Argumentation zusammengefasst. Gerade im deutschen Rechtsraum ändert sich vergleichsweise wenig, da zahlreiche Regulierungen der DSGVO im Wesentlichen mit dem übereinstimmen, was im BDSG schon länger geregelt ist.
Ab dem 25. Mai 2018 wird es dann ja auch ein neues BDSG geben, in dem es dann wieder heißen wird: "Andere Rechtsvorschriften des Bundes über den Datenschutz gehen den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Regeln sie einen Sachverhalt, für den dieses Gesetz gilt, nicht oder nicht abschließend, finden die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung." (BDSG neu, § 1, Abs. 2) Im derzeit gültigen BDSG heißt der entsprechende Passus: "Soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind, gehen sie den Vorschriften dieses Gesetzes vor." (BDSG 2017, §1, Abs. 3)
Die Frage, die sich im Grunde stellt, ist die, wie sich das Kunsturhebergesetz (KUG) zum BDSG verhält. Die Rechtsprechung, wie sie vom Bundesarbeitsgericht und den Zivilgerichten geäußert wurden (Urteile müsste heraussuchen, wer Lust dazu hat), besagt, dass das KUG gemäß §1, Abs. 3 des BDSG von 2017 Vorrang hat, also eine Rechtsvorschrift des Bundes ist, die hier anzuwenden ist.
Es ist nun nicht automatisch zu bejahen, dass sich diese Auffassung auf § 1, Abs. 2 des neuen BDSG übertragen lässt, da dieser Absatz nunmehr im Zusammenhang mit der DSGVO zu betrachten ist. Diese legt in Art. 85 Abs. 2 fest, dass es nationale Regelungen in bestimmten Bereichen (u.a. zu journalistischen und künstlerischen Zwecken) geben kann. Insofern ist in diesen Bereichen eine Regelung wie in § 1, Abs. 2 des neuen BDSG potenziell anwendbar.
Das ist nun der Punkt, an dem die juristische Textexegese ansetzen muss: Unterscheidet sich der § 1, Abs. 2 des neuen BDSG so wesentlich von §1, Abs. 3 des BDSG von 2017? Nach meiner Wahrnehmung unterscheiden sie sich nur in §1, Abs. 3, Satz 2 des BDSG von 2017: "Regeln sie einen Sachverhalt, für den dieses Gesetz gilt, nicht oder nicht abschließend, finden die Vorschriften dieses Gesetzes Anwendung." Die Frage ist also, ob das KUG den Sachverhalt "abschließend" regelt. Das scheint mir in §23 KUG zu erfolgen.
Dieser Einschätzung schließt sich der hier in einem früheren Beitrag verlinkte Artikel einer Anwaltskanzlei nicht an. Eine für mich erkennbare Begründung dafür liefert er nicht, stattdessen aber wird behauptet: "Die bewährten Regelungen des KUG finden sich in § 22 KUG, § 23 KUG und § 24 KUG. § 22 KUG regelt, dass Verbreiten oder öffentlich zur Schau stellen von personenbezogenen Bildnissen nur mit Einwilligung der erkennbar Abgebildeten zulässig ist." Genau das aber steht in §23 KUG nicht, sondern vielmehr: "Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: … 2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; … 3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben;…"
Wenn nun also diese Kanzlei der Auffassung ist, dass sich durch die DSGVO und das neue BDSG eine neue Rechtslage ergeben haben, können sie das bei Vorliegen eines entsprechenden Falls vor Gericht einklagen. Solange es dann kein abschließendes Urteil gibt, kann man beklagen, dass die Rechtslage unsicher sei. Das ist sie in der Tat in Bezug auf jede rechtliche Regelung, solange es kein höchstrichterliches Urteil gibt. So funktioniert unser Rechtssystem.
Damit eine solche Klage Erfolg haben kann, muss sie aber eben entweder nachweisen, dass es einen qualitativen Unterschied zwischen den zitierten Passagen des Artikels 1 des alten bzw. neuen BDSG gibt, oder dass es in der DSGVO eine andere Passage gibt, die eine nationale Regelung verbietet. Für beides liefert der Artikel keine Anhaltspunkte.
Daher kann man davon ausgehen, dass wer sich bisher an die Regelungen des BDSG sowie des KUG hält (das ja "grundsätzlich" – was bei Juristen bedeutet: "nicht immer" – die Einwilligung des Abgebildeten verlangt, vgl. §23 KUG) auch mit der DSGVO und dem neuen BDSG nicht in Konflikt geraten wird. Bis zu einem höchstrichterlichen Urteil wird man aber keine Sicherheit haben.
Was übrigens die "privaten" Bilder angeht: Die DSGVO "findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten … c) durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten, …" (Art. 2, Abs. 2 DSGVO). Das galt in ähnlicher Weise (mit leicht abweichender Terminologie) auch schon bislang. In wie weit die Veröffentlichung in sozialen Medien oder auf werbefinanzierten und/oder möglicherweise außerhalb des europäischen Rechtsraums betriebenen Servern durch diesen Passus gedeckt ist, ist dann noch einmal eine ganz andere Frage – die sich bisher aber ebenfalls gestellt hat.
P.S.: Eine Anmerkung zu der Äußerung in einem Beitrag hier, die Österreicher hätten ihre Hausaufgaben gemacht: Würde ich nicht aus Prinzip nicht wetten, so würde ich darauf wetten, dass die österreichischen Regulierungen früher oder später vom EuGH kassiert werden, da sie (für mich offensichtlich) dem Gedanken und vor allem den in der DSGVO explizit formulierten Erwägungsgründen zuwider laufen.