Ja, ich kriege immer 1 Euro, wenn ich jemanden zu sRGB bekehre.
Ich habe übrigens mal für geraume Zeit (waren bestimmt zwei Wochen) ProPhotoRGB benutzt, ohne es überhaupt zu merken. (War ein Versehen, da ich den Farbraum nach Neuinstallation meines RAW-Konverters nicht auf sRGB umgestellt hatte.) Womit bewiesen wäre, dass automatisches Hintergrund-Farbmanagement im Prinzip funktioniert, solange man die Software sorgfältig aussucht.
Software ist vielleicht der Knackpunkt - und da gibt es auch noch Unterschiede zwischen Win- und Mac-Welt. Die ganzen Profi-Bildbearbeitungsprogramme können eh Farbmanagement. Viele der praktischen Shareware- und Freeware-Tools, die es vor allem für Windows gibt, können es hingegen noch nicht (oder nicht richtig). Man denke nur an IrfanView, dessen sogenanntes Farbmanagement beim Speichern totalen Unsinn macht, oder ein extrem nützliches Programm wie ShiftN, das leider Profile ignoriert und beim Speichern verwirft. Man kann es problemlos für Bilder in beliebigen Farbräumen verwenden, muss dann aber hinterher das Profil wieder manuell zuweisen. Mit sRGB spare ich mir das Theater.
Hinzu kommt, dass ich öfter im Videoschnitt-Bereich tätig bin, wo Farbmanagement ein völliges Fremdwort ist. Wenn ich da mal schnell ein Bild einbinden will, ist es mit sRGB wegen der Ähnlichkeit zu Rec.709 kein Thema - mit jedem anderen Farbraum kriege ich da Probleme. Also müsste ich, wie so oft, wieder die ganzen benötigten Bilder zuerst in sRGB umwandeln.
Wenn praktisch alles, was man auf der Festplatte hat, in sRGB vorliegt, muss man wenigstens auf den Farbraum nicht achten. Das kann befreiend sein.
Ich bin - wohlgemerkt - kein Verfechter der These, mit sRGB könne man auf Farbmanagement verzichten. Ganz im Gegenteil: sRGB macht das Benutzen von Farbmanagement leichter und weniger fehleranfällig, weil in fast allen Farbmanagement-Workflows sRGB der Standard ist, der automatisch zugewiesen wird, wenn kein Profil vorhanden ist.
Ich habe den Standard nicht gemacht. Ich wünschte, es wäre z. B. AdobeRGB oder ECI-RGB. Aber jetzt ist es halt, wie es ist.
Dass es inzwischen mehr sinnvolle Anwendungen für große Farbräume gibt als noch vor ein paar Jahren, erkenne ich ja durchaus an. Meine entsprechenden Artikel habe ich deshalb schon mehrfach überarbeitet.
Wenn jemand sagt "Ich fotografie mit hohem Anspruch, habe einen guten Foto-Tintenstrahldrucker und will damit maximale Qualität rausholen" werde ich ihm bestimmt einen großen Arbeitsfarbraum nicht ausreden.