Antworten erhoffe ich mir da vor allem auf die Fragen, warum wir/ich dokumentieren wollen/will, warum Dokumentation eine Illusion ist und warum diese Illusion trotzdem sinnvoll ist.
Thanks!
Willst du denn mit der Kamera/ Fotografie ausschließlich dokumentieren? Ist das nicht etwas, das man bei Schadensfällen mit dem Handy macht oder dann, wenn man etwas erlebt, das man so nur selten erleben wird und es, egal in welcher Qualität, kurz festhalten möchte?
Ich dachte, gerade hier herrsche Konsens, dass man als Hobbyfotograf im Gegensatz zum Knipser eben NCIHT dokumentiert, sondern die Welt in einer Art, durch einen Blickwinkel präsentiert, der etwas über das subjektive Erleben, über die eigene Sichtweise und die eigenen Prioritäten des Wahrgenommenen aussagt.
Eine Philosophie der Fotografie brauche ich ehrlich gesagt eher nicht.
Philosophie erfasst Ideen mit Worten bzw. sucht nach Ausführungen zu Ideen.
Fotografie ist mMn genau das Gegenteil, dafür braucht der Laie bzw. jeder, der kein Kunstschüler ist,
gar keine Worte. Das Foto kommuniziert nur über das, was es zeigt, sehr selten braucht man dazu eine kurze Erklärung (was sieht man auf dem Bild), und die ist dann nur nötig, um einen Zugang zum Bild zu haben (z.B. weil die Perspektive ungewöhnlich ist, man etwas durch eine Makrolinse sieht, dass man sonst so nicht kennt, man nicht wusste, wo etwas fotografiert wurde etc.).
Das Ganze Konstrukt drumherum, die ausführliche Bildbesprechung, die Hintergrundidee, das Konzept zum Bild, das Making-of sind nette Beigaben für einige, die es interessiert, aber mMn
braucht das Foto das alles
nicht und der Betrachter braucht es meist auch nicht, um das Bild zu schätzen und daraus einen Mehrwert zu ziehen.
Im Gegenteil: Die Fotografie ist mMn schon heute
eher zu eng. Es gibt zahlreiche ausgesprochene und ungesagte Richtlinien, an die viele sich halten möchten. Man kopiert Bilder, man versucht krampfhaft, etwas ganz Neues zu schaffen, das noch keiner vor einem so oder überhaupt fotografiert hat, man versucht verzweifelt, die Bildbearbeitung genauso hinzubekommen wie..., man sucht nach einzigartigen Orten oder Motiven oder Wegen, das Bild in anderer Weise einzigartig zu machen. Bloß sich abheben von der Masse und Applaus dafür bekommen!
Dabei geht mMn das sehr intime Verhältnis des (Hobby-) Fotografen zu seiner Fotografie flöten. Wären wir alle unbeeinflusst, würden wir vermutlich oft klischeehafte Bilder machen oder Bilder, die es schon millionenfach gibt, aber wir hätten
unser eigenes Erlebnis bei der Fotografie, hätten - trotz Kopie -
unseren eigenen Grund, etwas zu fotografieren und
unser eigenes Gefühl dabei (sowohl beim Fotografieren als auch späteren Betrachten der Bilder).
Stattdessen passiert (manchmal? oft?) Folgendes: Man ist gerade richtig im Flow, möchte etwas fotografieren, ist total entspannt oder konzentriert im Augenblick - und dann fragt man sich:
Hebt sich das Bild von meinen anderen Bildern ab?
Gibt es das Motiv so schon zigfach?
Begehe ich hier irgendwelche Fehler, die kritisiert werden könnten?
Kopiere ich das Bild eines anderen?
Welches Feedback/ wie viel Likes bekomme ich für das Bild?
Was kann ich tun, um das Bild hervorzuheben, um besseres Feedback oder mehr Likes oder wenigstens keine Kritik zu bekommen?
Wie sollte ich das Bild für maximal positives Feedback bearbeiten?
Und genau dann ist es mMn nicht mehr mein Bild, weil sich eine ganze Reihe von Anforderungen dazwischenschiebt, die ich nicht hätte, wenn ich ganz unbeeinflusst alleine fotografieren würde. Auch Mitmenschen wie Freund, Familie, Baby etc.
Im Prinzip hielte ich es für wünschenswert, zu diesem unbeeinflussten Zustand zurückzukehren. Die meisten würden keine "Kunst" abliefern, das aber auch gar nicht von ihrem Hobby verlangen oder erwarten und vielleicht wieder mehr Freude an der Fotografie an sich und an ihren Bildern haben. Bilder, die ihre Gefühle beim Suchen und Aufnehmen des Motivs und ggf. Bearbeiten hervorrufen, nicht Bilder, die erst durch Valiadation Fremder interessant oder sogar "wertvoll" werden.
Schaut euch mal die analogen Bilder eurer Großeltern/ Vorfahren zu Hause an.
Wie viele davon sind "Kunst"?
Wie viele davon würden, heute so aufgenommen, Likes generieren? Oder positives Feedback in Fotoforen oder bei Fotoclubs?
Wie viele davon zeigen trotzdem etwas Individuelles, etwas, das ihr so vielleicht ohne das Bild nicht gesehen hättet?
LG von
Frederica