AW: Testbericht: Bilora Tourism TT-1
Wie schon angedeutet, habe ich das Bilora Tourism TT-1 nicht behalten und noch nach einer etwas besseren Alternative gesucht. Diese glaube ich jetzt gefunden zu haben, und zwar in Form des
Velbon Ultra MAXi L.
Beide Stative sind von Größe und Gewicht vergleichbar. Das Velbon hat ebenfalls fünf Beinsegmente, die allerdings ein bisschen dünner und ein bisschen länger sind.
Der Straßenpreis des Velbon liegt mit 85 Euro derzeit sogar etwas unter dem Bilora.
Das Gewicht des Velbon Ultra MAXi L beträgt 774 g ohne Kopf bzw. 1010 g mit Kopf und Kameraplatte.
Die Maximalhöhe beträgt 127 cm ohne MS und 152 cm mit MS. (Ohne Kopf sind es je 6 cm weniger.)
Die Durchmesser der Beinsegmente gehen von 21 mm (oben) bis 9 mm (unten).
Im Vergleich zum Bilora ist das Velbon also geringfügig leichter und jeweils ein paar Zentimeter höher - aber die Beinsegmente sind dafür etwas dünner.
Das Velbon hat nur eine einzelne Mittelsäule, die sich (obwohl sie dünner ist) wesentlich stabiler anfühlt als die zweigeteilte Säule des Bilora.
Insgesamt ist die Standfestigkeit und Verwindungssteifheit am Velbon bereits ohne ausgezogene Mittelsäule zumindest nicht schlechter als am Bilora, obwohl das aufgrund der dünneren Beine zu erwarten gewesen wäre. Der Grund dürfte in den stabileren Klappmechanismen des Velbon liegen (die übrigens drei Beinanstellwinkel erlauben).
Zieht man die MS aus, ist das Velbon sogar deutlich überlegen, weil das Bilora hier mit seiner Doppelauszugs-Konstruktion schwächelt.
EDIT: Wie mein
Windiger Stativ-Test mittlerweile gezeigt hat, hat mich mein subjektiver Eindruck hier getäuscht. Das Velbon fühlt sich zwar solider und wertiger an als das Bilora, aber den direkten Wackelvergleich im Windstrom gewinnt dann doch das Bilora mit seinen etwas dickeren Rohren. Um beide Eigenschaften zu bekommen, müsste man bei Velbon wohl das nächstgrößere Modell "Ultra LUXi L" nehmen.
Die Trunnion-Shaft-Beinauszüge funktionierten an meinem Exemplar des Velbon von Anfang an gut; Wackelprobleme oder hohen Kraftaufwand (wie anfangs beim Bilora) gab es nicht. So fein und geschmeidig, wie ich die Bedienung von meinem Ultra REXi mit seinen deutlich größeren Schaft-Durchmessern gewohnt bin, funktioniert es allerdings nicht. Ein gelegentliches Knarzen beim Zudrehen der Verschlüsse muss man wohl hinnehmen. Oder das Verhalten bessert sich nach mehrfacher Benutzung noch nach, so wie es beim Bilora der Fall war.
Der mitgelieferte 3-Wege-Neiger ist brauchbar. (Man kann streiten, ob es sich um einen echten 3-Wege-Kopf handelt, weil vertikale und horizontale Einstellung gleichzeitig durch Drehen am Einstellhebel festgezogen werden. Nur für die Kippung gibt es eine zweite Schraube.) Es ist eine echte Ausrichtung der Kamera in allen drei Ebenen gegeben, d. h. man kann auch einen leichten Schiefstand des Stativs ausgleichen. Sogar in der Hochformatposition geht die Kippung etwas über 90° hinaus und lässt somit einen (kleinen) Spielraum zur Nivellierung.
Die Kameraplatte ist recht klein (30 x 43 mm an der Unterseite, 30 x 22 mm Auflagegummi) und aus Plastik. Auch die zugehörige Schnellwechselklemmung hinterlässt keinen allzu stabilen Eindruck und wäre mit einer kiloschweren DSLR auf Dauer überfordert. Allerdings muss ich nochmal betonen, dass ein Stativ wie dieses für Kompaktkameras (!) gedacht ist - und an einer Kompakten ist eine kleine, dezente Plastik-Kameraplatte wesentlich praktischer als ein großes Metallteil.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Position des Drehgriffes, der bei waagerecht stehender Kamera schräg nach unten schaut. Eine Folge davon ist ein eingeschränkter Neigebereich, sobald der Griff an der Stativschulter anstößt. Allerdings ist die Kameraplatte auch um 180° versetzt einsetzbar, so dass der Kopf sich bei Bedarf auch mit Griff nach vorn verwenden lässt; so wird der Neigebereich erweitert.
Einen kleinen Schnitzer in Sachen Fertigungspräzision leistet sich Velbon, was die seitliche Kippfunktion anbelangt: Löst man die Kippungsschraube, kann man die Kamera im Prinzip frei einstellen (bis über 90° hinaus auf beiden Seiten). Allerdings gibt es einen fühlbaren Mittelpunkt, in dem die Drehung bei gelöster Schraube leicht einrastet - und diese Rastung ist nicht sauber mittig platziert. Wer sich auf ebenem Boden blind auf die Rastung verlässt, bekommt also ein schiefes Bild.
Wenigstens ist der Fehler leicht auszugleichen, da die Rastung nur sehr leicht wirkt und man den Winkel immer noch frei einstellen kann. Auch weiß ich nicht, ob diese schiefe Rastposition ein Serienfehler ist oder nur an meinem Exemplar auftritt. Eine einfache Möglichkeit, den Fehler durch Nachjustage zu beseitigen oder die Rastung ganz auszuschalten, habe ich leider nicht gefunden.
Wer den mitgelieferten Kopf gar nicht benutzen will, kann ihn leicht abschrauben. Das Oberteil der Mittelsäule hat ein simples 1/4“-Gewinde, auf das man (ggfs. mittels Adapter) alternative Köpfe montieren kann. Die Auflagefläche ist relativ klein (ca. 22 mm); für die Befestigung eines kleinen Kugelkopfs sollte das kein Nachteil sein, und ein richtig großer Kopf wäre auf so einem leichten Stativ ohnehin fehl am Platz.
Schade nur, dass Velbon das Ultra MAXi L nicht gleich in einer Version ohne Kopf anbietet.
Die Mittelsäule lässt sich kürzen, indem man den unteren (längeren) Teil abschraubt. So wird es möglich, die flachsten der drei möglichen Beinanstellwinkel zu wählen und damit eine sehr niedrige Position (10/16 cm ohne/mit Kopf) zu erreichen.
Was das Velbon Ultra MAXi L im Gegensatz zum Bilora Tourism TT-1 nicht erlaubt, ist ein platzsparendes Über-Kopf-Klappen der Beine. Tragisch ist das nicht, weil das Transportmaß mit 33,5 cm (ohne Kopf) bzw. 36,5 cm (mit Kopf) immer noch sehr gering ist.
Vielleicht liegt hier auch der Grund für die seltsame 45°-Konstruktion des mitgelieferten Kopfes: Im zur Seite geklappten Zustand trägt er nur wenig zur Gesamtlänge bei; ein Kugelkopf würde das Ganze ein paar Zentimeter länger machen - was allerdings auch nicht schlimm wäre.
FAZIT:
Für den eingangs erwähnten Zweck, d. h. als leichtes Stativ für Kompaktkameras, kann ich das Velbon Ultra MAXi empfehlen. Es ist klein, leicht und trotzdem (im Rahmen des Möglichen) stabil.
Im Vergleich zum Bilora TT-1 würde ich das Velbon MAXi auf jeden Fall vorziehen, schon wegen der besseren Verarbeitung. Der derzeit günstigere Preis kommt noch dazu.
Ich selbst werde das Velbon behalten, allerdings den Kopf gegen einen Kugelkopf ohne Schnellwechselsystem tauschen; in Verbindung mit meinen Kompaktkameras erscheint mir das sinnvoller.
EDIT: An dieser Einschätzung hat sich auch durch den o. g. Wind-Test nichts geändert. Die solidere Verarbeitung und kompakteren Abmessungen des Velbon MAXi sind mir in der Praxis wichtiger als die messtechnisch geringere Windanfälligkeit des Bilora TT-1. Kompromisslösungen sind am Ende beide.
Natürlich hat das Ganze seine Grenzen. Mit Kameras über 1 kg wird die Sache zunehmend kopflastig (was aber nicht heißt, dass das MAXi dann schon zusammenbricht).
Für eine DSLR kann man das MAXi vielleicht als Selfie-Stativ benutzen. In Verbindung mit Spiegelvorauslösung und Windstille können auch einzelne Langzeitbelichtungen mit nicht zu langer Brennweite gelingen, aber richtig tauglich für DSLRs ist das MAXi nicht.
Gut auf dem MAXi zu verwenden sind Kompaktkameras. Auch andere spiegellose Kameras unter 1 kg sind noch okay.
Richtig lange Brennweiten sind generell nicht der ideale Einsatzbereich eines so leichten Statives. Es fehlt dem dünnbeinigen MAXi an Verwindungssteifheit während des Einstellens: Bei 300 mm KB-Äquivalent oder mehr bringt schon jede kleine Berührung das System ins Schwingen, und es wird zu einem echten Geduldsspiel, einen Bildausschnitt sauber einzustellen; hinzu kommt, dass der serienmäßige Kopf des MAXi beim Festschrauben ein bisschen verzieht (was bei kürzeren Brennweiten nicht groß aufällt).
Also selbst wenn die Kamera relativ leicht ist und erschütterungsfrei arbeitet (z. B. eine Superzoom-Bridge), kommt der Punkt, wo man sich für lange Brennweiten mehr Stabilität und Präzision wünscht - einfach aus praktischen Gründen.
Auf die Bildqualität muss das aber nicht unbedingt Einfluss haben, solange die Kamera selber keine Erschütterungen erzeugt und man weder starken Wind noch andere äußere Einflüsse hat. Im Haus auf festem Boden sind mir auch perfekt scharfe Bilder mit langer Brennweite gelungen.