Also ich habe es so ziemlich rausgekriegt, wie es geht:
1) Das Bild muss gut sein. Ohne das geht nix. Man kann kein schlechtes Portrait durch Bearbeitung rausreissen. Damit meine ich nicht, dass man eine Vollformatkamera braucht. Das ist Quatscht. Gemeint ist: Das Bild sollte so schon richtig gut sein, dass es auch ohne Bearbeitung durchaus Anklang findet - Farben, gleichmäßige Ausleuchtung, Hintergrund etc.
1.1)Gesicht muss gut ausgeleuchtet sein, möglichst gleichmäßig und mit weichem Licht (im Schatten oder bei bewölktem Himmel, aber nicht mittags um 12 in der Sonne). Gut ist auch, wenn die Person an einer Stelle platziert wird, wo ein Licht von der Seite oder beiden Seiten kommt.
1.2) Der Hintergrund muss so gewählt werden, dass ein gutes Bokeh entsteht. Den Hintergrund zu cross processen halte ich für eine Notlösung, wenn der Hintergrund zu unharmonisch ist. Am besten nur Gradkurve-->Kurve gerade lassen, aber oben und unten verkürzen, dann evtl. noch per Belichtungskorrekturebene abdunkeln und Sättigung erhöhen.
2) Den Schärfe-Effekt hinbekommen:
2.1) Tonaler Kontrast. In richtiger Dosierung sorgt er für die nötigen Details. Am einfachsten und elegantesten mit dem Nik Efex Plugin Colorefex hinzukriegen. Geht aber auch anders, s. Tutorials im Internet, einfach googlen, (s. auch Dragan-Effekt, nur nicht so heftig). Hier gilt: Zu wenig sieht man kaum, zu viel entfremdet das Bild zu sehr, daher rumprobieren und am besten Nik Efex Colorefex benutzen.
2.2) Schärfen. Viele Wege führen nach Rom. Es gibt zig Wege und Möglichkeiten, zu schärfen. Ich würde zwei Ebenen erzeugen, sie gruppieren, die untere auf Ineinanderkopieren setzen, die obere auf strahlendes Licht setzen, invertieren und dann einen Weichzeichner mit Vorschau im Hauptbild drauf loslassen und ihn so anwenden, dass es passt.
3) Dodge und Burn ist alles. Ja, richtig. Dodge und Burn ist alles. Hauptsächlich sehen die besseren Stranger Portraits (Markus Schwarze, Martin Kühn, Mediapohl) aus, wie sie aussehen wegen Dodge und Burn.
3.1) Es gibt viele Dodge und Burn Möglichkeiten, aber eine ist die, die richtig gut zum Ziel führt und das ist die mit Gradiationskurven. Vergesst die eingebaute D&B Funktion in PS und die Methode mit der 50% grauen Ebene aus weichem Licht. Macht zwei Gradkurven, die eine abgedunkelt (Kurve ist im linken Teil nach unten ausgebeult), die andere aufgehellt (Kurve ist im rechten Teil nach oben ausgebeult). Dann durch ne invertierte Maske mit 4% Deckkraft und nem Pinsel mit weicher Spitze auftragen.
3.2) Das wichtige bei D&B ist, dass man nen Plan hat. Man muss schon vorher wissen, wie man ein Gesicht zu betonen hat und muss hier auch diszipliniert vorgehen, sonst sieht das Ergebnis bescheiden aus, selbst mit der Gradkurven Methode. Hier zu wissen, was man tut ist das A&O. Das Hier im Thread verlinkte PDF ist sehr gut. Es gibt auch auf Youtube und im Web genügend Anleitungen, einfach googlen. So eine
D&B Ebene, bzw. mehrere in dieser Art, sollte das Ziel sein.
3.3) Nicht nur das Gesicht dodgen und burnen. Martin Kühn d&b't regelmässig die Kleidung und Haare der Leute, Markus Schwarze sogar Menschen im Hintergrund. Studiert am besten mal nachdem ihr ein bisschen rumprobiert habt die Serien von Markus und Martin, es wird euch wie Schuppen von den Augen fallen.
4) Andere Kleinigkeiten
4.1) Augen (sucht Euch ein Tutorial zum Augen herausarbeiten auf youtube raus, da gibts genug)
4.2) Vignette (macht am besten eine unsymmetrische per D&B und keine symmetrische mit Nik Efex oder aus einem Tutorial im Web)
4.3) Farbebenen zum Einfärben des gesamten Bildes (beliebter Effekt bei Markus Schwarze --> hier am besten bei den Tutorials von Devetpan Studios was abgucken)
4.4) Herausheben von Kleidungsstücken, Kopfhörer, anderen Accessoires durch selektive Erhöhung der Sättigung
All diese kleinen Tricks kann man bei Bedarf noch zusätzlich anwenden, sie sind aber nicht kriegsentscheidend für ein solides Stranger Portrait. Manchmal ist weniger mehr (s. Mediapohl) und manchmal mehr, mehr (s. Markus Schwarze).
5) Die Basics beherrschen.
5.1)Man sollte mit Ebenen arbeiten und die ganzen Schärfeeffekte natürlich nicht auf den Hintergrund anwenden und auch nicht in voller Stärke auf weichgezeichnete im Bokeh verschwimmende Teile des Portraitierten (für Vollformatkamera Anwender wegen der extremen Freistellung relevant). Das alles lässt sich mit Ebenen realisieren.
5.2) Einfach mal Tonertkorrektur, Belichtungskorrektur, Gradkurven (im RGB Modus und mit getrennten Farbkanälen), Sättigungsebene und was sich da sonst noch so alles unter den Korrekturebenen tummelt, ausprobieren und sich klarmachen, welche Einstellungen welches Ergebnis verursachen.
6) Üben. Ohne Praxis geht da nix, aber wenn man nur ein ums andere Portrait schiesst und es ausprobiert, kriegt man es locker hin.