Kurzfassung:
Streuung gibt es, sie wird größer werden, und es wird dir in 10 Jahren trotzdem völlig egal sein wenn du nach dem Studium 120T€ im Jahr verdienst. Ob einzelne Hersteller eine größere/kleinere Streuung haben, hängt im wesentlichen davon ab, inwieweit sie sich nach den Ansprüchen der Kundschaft richten, und wie sie diese in die Zukunft prognostizieren. Ich habe schon Objektive von Canon zurückgeschickt, und auch welche von Sigma. Andere hätten in beiden Fällen das jeweils erste Exemplar behalten. Hast du bei einem Objektiv ein schlechtes Gefühl, dann gib es immer sofort zurück - denn das Gefühl bleibt, das Rückgaberecht geht.
Oder die lange Version - mit einem Augenzwinkern zu lesen und nicht bierernst gemeint:
Vor 25 Jahren war eine Spiegelreflexkamera ein Werkzeug, das sich überwiegend professionelle Fotografen gönnten. Die Ansprüche an die Objektive waren deutlich geringer, da Film erstens gutmütiger auf bestimmte Bildfehler der Linsen reagiert, und auch nicht jedes Foto automatisch auf mindestens 60x40 ausbelichtet wurde (wie es heute durch die 100%-Ansicht auf dem Bildschirm Gang und Gäbe ist). Außerdem waren Ausschnittvergrößerungen und die damit verbundene Limitierung der Bildauflösung die Ausnahme; heute wird ausgeschnitten was das Zeug hält.
Vor 10 Jahren war eine digitale Spiegelreflexkamera ein Werkzeug, das sich fast nur professionelle Fotografen gönnten. Die Ansprüche an die Ergebnisse waren deutlich geringer, da die Auflösung der Kameras im Schnitt ein Viertel der heutigen Modelle betrug. Außerdem waren die Benutzer dieser Kameras 'vom alten Schlag' und wären nie auf die Idee gekommen, sofort jedes Bild 1:1 anzusehen, um das dritte unscharfe Pixel von links zu lokalisieren und das Objektiv dafür zu verteufeln.
Vor 6 Jahren war eine digitale Spiegelreflexkamera ein Werkzeug, das ambitionierten Hobby-Fotografen zum ersten Mal völlig neue Möglichkeiten zu ansatzweise bezahlbaren Preisen bot - es entstand ein Massenmarkt dafür. Es kam eine neue zunächst kleine Gruppe hinzu, die von der Technik mehr fasziniert ist, als vom Fotografieren. Diese Technik-Jünger analysierten jedes Detail der Objektive und begannen, Qualitätsurteile zu vergeben, die oft völlig korrekt, aber genauso oft aus fotografischer Sicht in der Mehrzahl der Fälle völlig irrelevant sind. Ihr Hobby ist erst in zweiter Linie die Fotografie, in erster Linie fasziniert sie die Technik dahinter. Sie sind es in der Regel, die Objektive und tw. auch Hersteller davon gnadenlos runtermachen, wenn sie es aufgrund mangelhafter Produkte verdient haben.
Vor 3 Jahren wurden digitale Spiegelreflexkameras so hochauflösend, dass fast jedes damals existierende Objektiv in irgendeiner Hinsicht gnadenlos überfordert war. Die ersten Objektive 'neuer' Generation erschienen (z. B. das EF 70-200 4 IS oder das EF-S 17-55 2.8). Die Dritthersteller, die zuvor vornehmlich durch preiswerte Objektive aufgefallen waren, begannen auf einmal, auch sehr hochwertige Objektive anzubieten, denen die Canon-Ware tw. bis heute nicht das Wasser reichen kann (die ganzen UWW-Objektive für APS-C sind ein gutes Beispiel dafür mit den beiden aktuellen Königen in Sachen Abbildungsleistung Tokina 11-16 und Sigma 8-16). Jetzt wurde es spannend: Während die Dritthersteller einerseits noch mit dem alten Ruf kämpfen, konnte man ihnen andererseits Innovationsgeist und hervorragende neue Produkte schlecht absprechen. In dieser widerspenstigen Diskussion stecken wir bis heute.
Heute sind digitale Spiegelreflexkameras zu einem absoluten Massenartikel geworden. Die Zahl derer, die ein solches Gerät als Statussymbol nutzen, steigt ständig. Den Anforderungen dieser Kundengruppe kommen die Hersteller zunehmend entgegen (z. B. durch kleinere, spiegellose Systeme - Stichwort EVIL als immer-dabei-ichbinwichtig-Kamera). Diese Personengruppe dürfte sich derzeit zahlenmäßig in etwa mit den o. g. 'Technik-Freaks' decken, aber sie hat mehr Geld. Gleichzeitig gibt es massive Ströme aus der einen in die andere Gruppe, d. h. von den technisch orientierten von damals sind heute eine große Zahl der 'statusbewussten' geworden und fotografieren auch wieder, statt immer nur zu testen. Da kommen dann sehr lustige Statements zu Stande, so dass Leute, die vor vier Jahren noch das siebte UWW-Exemplar als das Ultimative aussortiert haben, aktuell fragenden Benutzern raten, endlich mit dem Testen aufzuhören und anzufangen, Fotos zu machen.
Für die Qualitätsdiskussion bei Objektiven ist die 'Statussymbol-Gruppe' Gift, denn denen geht es tendentiell nicht so sehr um die Abbildungsqualität, sondern um die Länge/Größe ihrer sekundären Geschlechtsmerkmale. Den 'echten' Fotografen waren die letzten 10% Abbildungsleistung eigentlich schon immer ziemlich wurscht, und wenn nicht, dann redeten sie nicht drüber. Deswegen gibt es auch so viele Mischformen zwischen den beiden Gruppen.
Die nicht-viel-fotografierende Technikfreak-Gruppe legt extremen Wert auf die Qualität ihrer Ausrüstung. Diese Menschen sind die, die du in diesem Forum überproportional häufig antriffst. Sie haben auch ein Statusdenken, allerdings wollen sie nicht die teuerste Kameraausrüstung, sondern die billigste in der denkbar besten Ausprägung. Sie können sich i. d. R. kein 400mm Tele leisten und wünschen deshalb bei ihrem 200mm-Tele eine hervorragende Auflösung, damit sie es sich zurecht croppen können. Diese Gruppe ist eine Minderheit, und sie verursacht für die Hersteller unangenehmerweise viele Rückläufer, für die Foto-Shops viel Verwaltungsaufwand, und für die Hersteller deutliche Rufschädigung.
Prognose: In fünf Jahren wird die Technikfreak-Gruppe nur mehr eine Minderheit darstellen. Da es die einzigen sind, die auf eine funktionierende Qualitätssicherung bestehen, werden die Hersteller nicht besser werden. Selektieren wird wichtiger, die Streuungen größer. Ist das 200mm-Objektiv in der 1:1-Ansicht nicht scharf, dann wird die Mehrzahl der Kunden sich eben ein 400mm-Objektiv dazukaufen. Heute sehr technikorientierte Fotozeitschriften werden sich in Magazine verwandelt haben, in denen über Bilder, Locations und Künstlerisches geschrieben wird, oder eben die den 'haben-muss-Faktor' debattieren.
Ergo: Streuung gibt es, sie wird größer werden, und es wird dir in 10 Jahren trotzdem völlig egal sein wenn du nach dem Studium 120T€ im Jahr verdienst. Ob einzelne Hersteller eine größere/kleinere Streuung haben, hängt im wesentlichen davon ab, inwieweit sie sich nach den Ansprüchen der Kundschaft richten, und wie sie diese in die Zukunft prognostizieren. Ich habe schon Objektive von Canon zurückgeschickt, und auch welche von Sigma. Andere hätten in beiden Fällen das jeweils erste Exemplar behalten. Hast du bei einem Objektiv ein schlechtes Gefühl, dann gib es immer sofort zurück - denn das Gefühl bleibt, das Rückgaberecht geht.